Major

US Masters 2022: Scheffler und Smith – Zwei Mental-Monster kämpfen ums Green Jacket

10. Apr. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Wer gewinnt das US Masters 2022? Cameron Smith jagt Scottie Scheffler. (Foto: Getty)

Wer gewinnt das US Masters 2022? Cameron Smith jagt Scottie Scheffler. (Foto: Getty)

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Auch so kann man sich auf den womöglich größten Tag des bisherigen sportlichen Lebens vorbereiten: Scottie Scheffler und seine Frau Meredith haben den gestrigen Abend vor dem Fernseher verbracht und sich mehrere Folgen der populären US-Sitcom „The Office“ reingezogen, die den Alltag in einem Großraumbüro parodiert. Irgendwie passt das: Auch Scheffler geht nachher wieder „ins Büro“. Jedenfalls machte der 25-jährige Texaner in den vergangenen Runden genau diesen Eindruck – mit all der Gelassenheit und Lockerheit, die er im Augusta National an den Tag legte.

Das US Masters 2022 im Liveticker

Das US Masters 2022 im Liveticker

Selbst der verirrte Drive ins Gebüsch mit dem unspielbaren Ball gestern auf der Schlussbahn schien mehr an den Nerven der Zuschauer zu zerren, als dass der Protagonisten dieser Situation Tribut zollen musste. Irgendwann droppte Scheffler endlich, während Mitspieler Charl Schwartzel fast zu erfrieren drohte, und zimmerte den Ball per Eisen-3 aus dem Kiefernstreu an den Rand des Grüns, um dann mit einem Bogey zur 71 den Schaden in erstaunlichen Grenzen zu halten. „Niemand mag einen Schlagverlust auf dem Schlussloch“, sagte er anschließend. „Aber dieses Bogey fühlte sich eher wie Par an und war damit definitiv ein gutes Finish.“


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Sein Widerpart um den Gewinn dieses 86. Masters ist ein ähnliches Mental-Monster: Cameron Smith ließ sich weder von seinem 74er-Zwischentief (+2) am zweiten Tag, noch von den frostigen Bedingungen gestern irritieren, schoss mit einer 68 die beste und die einzige Unter-Par-Runde des Tages und hatte seinen Rivalen stets im Auge. „Ich habe ständig aufs Leaderboard geschaut, an jedem einzelnen Loch“, bekannte der Australier mit Vokuhila und Fussel-Schnauzer, der 2020 bereits den geteilten zweiten Platz belegt hatte: „Mir ist es wichtig, stets genau zu wissen, was ich tun muss, um letztlich zu gewinnen. Und wenn Scottie Birdies macht, dann muss ich das halt auch tun.“ Sechs Stück waren es am Ende, bei zwei Bogeys, und heute hat der 28-Jährige seinen Kontrahenten während der gesamten Runde persönlich im Blick.


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Weltranglisten-Erster (Scheffler) gegen Players Champion (Smith) im Clinch ums jeweils erste Major: Angesichts dieser Kombattanten besteht die Aussicht auf ein episches Duell. Oder lacht am Ende einer der eigentlich abgeschlagenen Verfolger? Wie auch immer: Smith weiß „dank meines Spiels in diesem Jahr, dass ich mich gegen die Besten der Welt durchsetzen kann – was ein gutes Gefühl ist, weil man sich das auf dem Platz verdienen muss“. Spitzenreiter Scheffler wiederum erwartet genau deswegen einen „großen Kampf“, bei dem er sich nicht auf seinen drei Schlägen Vorsprung ausruhen kann: „Cam ist ein großartiger Spieler, hat ein fantastisches kurzes Spiel und das Momentum des sehr besonderen Players-Championship-Erfolgs. Wir sind beide in guter Form und ich freue mich auf die Herausforderung gegen ihn zu spielen.“ Wir auch!

Schefflers „Geheimwaffe“ fürs Green Jacket

Zünglein an der Waage? Scottie Scheffler hat 14 „Waffen“ im Bag und trägt ein paar weitere mit sich rum – in Form von Talent, Schlagfertigkeit, Selbstvertrauen und Entspanntheit. Doch auf dem Weg heute zum möglichen ersten Green Jacket und Majorsieg generell, könnte nicht zuletzt sein Caddie den Ausschlag geben. Ted Scott ist nämlich bereits zweifacher Masters-Sieger, war er doch 2012 und 2014 an der Tasche von Bubba Watson, als der Linkshänder in Augusta gewann. Diese Erfahrungen sind eigentlich unbezahlbar, und Scott dürfte heute vielleicht eine Art Déjà-vu erleben. „Mir war absolut bewusst, wie bedeutend es ist, meinen Job wirklich gut zu machen“, erinnert sich der Veteran an die Finalrunde vor zehn Jahren. „Aber trotzdem schweiften meine Gedanken zwischendurch ab: Als Kind hatte ich jede Masters-Übertragung am Fernseher verfolgt und nun war ich tatsächlich da – nicht als Zuschauer, sondern als Caddie eines Burschen, der drauf und dran war, dieses Ding zu gewinnen. Ich kam mir vor wie in einem Film.“


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Tiger: Schlechteste Masters-Runde, erster Vier-Putt „ever“

Negativrekord: Dieser dritte Tag war für Tiger Woods so schlimm wie der Score von 78 (+6) es vermittelt. Genauer gesagt war es die schlechteste Runde, die der 15-fache Majorsieger je im Augusta National gespielt hat – und das 86. Masters ist immerhin sein mittlerweile 22., gleichbedeutend mit 93 Runden. Der Gesichtsausdruck war angestrengter, ja schmerzverzerrter als an allen Tagen zuvor, und beim Weg zum Parkplatz nach der Runde wollte oder konnte Woods selbst vor laufenden Kameras das Humpeln nicht mehr verbergen.

Auch auf dem Platz haperte es an allen Ecken und Enden, besonders auf den Grüns. „Ich habe viel zu viele Putts gebraucht. Mir war, als hätte ich tausend Stück gemacht, wie bei einer Trainingseinheit“, kommentierte Woods seine brutal schwache Vorstellung am „Flat Stick“, mit dem er sich bei insgesamt 36 Versuchen ungewohnte vier Drei-Putts sowie den ersten echten Vier-Putt seiner gesamten Turnierlaufbahn leistete und allein 4,93 Schläge auf den Durchschnitt des Felds verlor. „Irgendwie passte heute nichts zusammen: Stand, Gefühl, meine rechte Hand, der Release – ich hab’s nicht auf die Reihe gekriegt.“

Im Finalumlauf will er noch mal unter 70 schießen, um Augusta National mit einem Erfolgserlebnis verlassen zu können. Dass er es überhaupt ins Turnier und über die vier Runden geschafft hat, genügt für das Selbstverständnis eines Tiger nicht. Ebenso wenig, dass einer kein Deut besser ist, der vor wenigen Wochen noch Weltranglisten-Erster war. An Woods’s Seite kämpft heute Jon Rahm bei ebenfalls +7 fürs Turnier sein ureigenes „letztes Gefecht“ mit Augusta National in diesem Jahr. Als Top-Favorit gestartet, schaffte der Spanier nicht eine Runde besser als „Even“, beendete damit die seit seiner Eröffnungs-75 im Jahr 2018 andauernde Serie von Masters-Runden unter Par und hadert seit der ersten Minute der diesjährigen Ausgabe mit „meinem verfluchten Pech, das mich echt ankotzt“.

Es geht noch schlechter: Kevin Na und sein „Fünfer“

Schwacher Trost: Tiger Woods war gestern nicht der Einzige, der auf den Grüns schwächelte. Und selbst der „Worst Case“ geht noch schlechter. Will heißen: Kevin Na übertrumpfte sogar den Vier-Putt des Superstars auf dem fünften Grün mit einem Fünf-Putt auf der 16, nachdem er seinen Ball bei der Annäherung gute zwölf Meter querab von der vorn rechts gesteckten Fahne platziert hatte – da fehlen einem die Worte:

Lowry und sein Looper: Frust auf der 13

Blitzableiter: Vor dem Moving Day sah Shane Lowry noch so aus, als könne er ums Green Jacket mitspielen. Doch seine 73er-Runde rettete dem mächtigen Iren zwar einen Platz im vorletzten Flight, bescherte ihm allerdings ebenso einen deftigen Rückstand von sieben Schlägen auf Scottie Scheffler. Eins seiner Problemlöcher war die kurze Par-5-13, wo er nach einem Drei-Putt ein Bogey notieren musste. Was letztlich einem missglückten zweiten Schlag geschuldet war, mit dem Lowry auf gut 80 Meter zur Fahne vorlegen wollte, der indes bei 110 Metern zum Ziel liegen blieb – entweder wegen falscher Entfernungsschätzung oder falscher Schlägerwahl. Jedenfalls schlug der Open-Champion von Royal Portrush 2019 anschließend seinen Ball weit hinter die kurz gesteckte Fahne ins Grün; und prompt bekam Caddie Brian „Bo“ Martin sein Fett weg. „Was für eine beschissene Distanz-Ansage – echt gut gemacht, Bo! Waren ja bloß 27 Meter zu wenig“, blaffte Lowry.

Frostiges Augusta: „Als würdest du gegen Beton schlagen“

Zu allem Überdruss: Als wäre Augusta National im Normalzustand nicht schon schwierig genug, gesellten sich am Moving Day auch noch frostige Temperaturen zum unüblichen Westwind. Helen Westwood, die ihrem Mann Lee die Tasche trägt und von Berufs wegen sogar Fitnesstrainerin ist, hat dieser Tage schon mal gesagt, dass sie auf manchen Bergauf-Bahnen derartig kurzatmig sei, „als ob ich 60 Zigaretten am Tag rauche“.

Gestern musste das Feld überdies frieren: Beanies, Handwärmer, Jacken und Schlauchschals waren an der Tagesordnung, „tough“ (hart, zäh, schwierig) war das Wort der Stunde. „Du wirst nie richtig warm und folgerichtig leidet die Beweglichkeit“, führte Kevin Kisner aus, der seine Runde an der Seite von Tiger Woods spielte: „Der Ball fühlt sich an, als würdest du gegen Beton schlagen. Es ließ sich überhaupt kein Gefühl aufbauen.“

So lag der Ergebnisdurchschnitt des Felds etwas über 74 Schlägen, nur neun Spieler scorten unter Par, und allein Cameron Smith („Mein größes Problem war, die Hände nicht allzu kalt werden zu lassen“) gelang eine Runde unter 70. Derweil schlüpfte Sottie Scheffler vor jedem Schlag aus der wärmenden Weste, um das Teil hernach stets direkt wieder überzuziehen – was im Netz zu gehörigem Spott wegen eines unoffiziellen Klamottenwechsel-Rekords während der Runde führte, gleichwohl nicht immer problemfrei gelang:

US Masters 2022: Kühle Tempera...

Tony Finau und seine gestrige Farb-Kombi

Noch was zum Thema Klamotten-Kontroverse: Über Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten, aber dennoch hat das gestrige Outfit von Tony Finau zum Moving Day beim Masters eine rege Diskussion in den sozialen Medien ausgelöst. Und wie stehen Sie so zu Finaus Farb-Kombi?

Reger Betrieb auf dem Flughafen von Augusta

„Parkplatz“: Alle Masters-Jahre wieder kursieren Aufnahmen vom Betrieb auf Augustas Flughafen, der ein paar Meilen südlich der Stadt liegt. Zu normalen Zeiten verzeichnet man auf dem von zwei Fluggesellschaften mit vier Destinationen in den USA frequentierten Augusta Regional Airport, der bis zum Jahr 2000 Bush Field hieß, ca. 5.000 Passagiere. Aber was ist während des ersten Majors in diesem Teil von Georgia schon normal? Mehr als 30.000 Menschen kommen und gehen in der Masters-Woche durch die Gates, der Routenplan ist auf zehn Städte erweitert und das Personal um 100 zusätzliche Mitarbeiter aufgestockt. Besondere Aufmerksamkeit genießen naturgemäß die rund 1.500 Privatjets von Golfern wie Tiger Woods, ANGC-Mitgliedern, sonstigen begüterten Gästen oder Firmen, die zum Masters einschweben und vielfach entlang der Rollbahn abgestellt sind. 500.000 Gallonen Flugzeug-Treibstoff (fast 2,3 Millionen Liter) werden während des Masters vertankt; und natürlich gefällt all das vor dem Hintergrund des Klimaschutzes nicht jedem, wie in den Kommentaren zum Video-Clip nachzulesen ist.

Die wahre Amen Corner

Zum Schluss: Viel wird heute während der Finalrunde drauf ankommen, wie Scottie Scheffler und Cameron Smith jene berühmte Strecke absolvieren, die mit dem zweiten Schlag auf der Bahn elf, „White Dogwood“, beginnt, das Par-3 namens „Golden Bell“ zum Mittelpunkt hat und mit dem Drive ins Fairway der „Azalea“-13 endet. Sie wissen natürlich genau, welche Seufzer-Ecke von Augusta National gemeint ist. Die wahre Amen Corner allerdings liegt an der Straße gegenüber dem Golfplatz – so reklamiert es jedenfalls die methodistische Gemeinde von Augusta für ihre Markus-Kirche, und das sogar per Aushang:


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