European Tour

Tour-Auftakt in Abu Dhabi: Wenn unliebsame Verwandte sich zur Party einladen

18. Jan. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Lee Westood und Henrik Stenson sind zwei von neun LIV Golfern beim Turnier der DP World Tour. (Foto: Getty)

Lee Westood und Henrik Stenson sind zwei von neun LIV Golfern beim Turnier der DP World Tour. (Foto: Getty)

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Es gibt einen kurzen Clip der DP World Tour, der sinnbildlicher kaum sein könnte: Gezeigt wird die 17. Bahn des Yas Links Golf Course, auf dem der europäische Circuit jetzt mit der Abu Dhabi HSBC Golf Championship das Jahr 2023 eröffnet. Das Loch liegt am Rand des Platzes, die Spiellinie verläuft über stilles Wasser und endet nach 184 Metern auf einem vor lauter Bunkern kaum sichtbaren Grün, in der Kulisse drängelt sich die Skyline der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Mehr Omen für die kommenden Monate geht kaum.

 

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Stichwort stilles Wasser, das bekanntlich tief sein kann. Oder mächtig aufgewühlt wird, wenn Stürme drüber fegen. Passt. Denn beim Auftakt zum Desert Swing treffen eine Menge unwillkommener Gäste auf den Tross der Tourtreuen.

Westwood, Poulter, Reed, Stenson, Wiesberger

Neun LIV’ler sind am Start, zugelassen per einstweiliger Verfügung, mit der vergangenes Jahr alle Sperren der DP World Tour (ehemals European Tour) gegen die Überläufer ausgesetzt worden waren, bis kommenden Monat ein Gericht in der Hauptsache entscheidet. Darunter Lee Westwood und Ian Poulter, die seit ihrem Abgang zur Saudi-Liga keine Gelegenheit auslassen, verbal in das Nest spucken, in dem sie flügge geworden sind. Patrick Reed ist dabei, auch Bernd Wiesberger. Und Henrik Stenson, den vermutlich kaum noch einer leiden kann, seit der Schwede das Amt des europäischen Ryder-Cup-Kapitäns mit seiner Käuflichkeit bekleckert hat.

„Eher ungemütliche Atmosphäre für Henrik“

Die unliebsame Verwandtschaft hat sich also selbst zur Premierenparty eingeladen, und folgerichtig sind Spannungen programmiert – wiewohl die gelegentlich ebenfalls ätzende Stimme des Establishments nicht am Start ist, weil Rory McIlroy erst kommende Woche in Dubai das neue Jahr in Angriff nimmt. Trotzdem: „Wahrscheinlich wird die Atmosphäre für Henrik eher ungemütlich. Es ist ja auch eine ziemlich seltsame Situation“, sagt der aktuelle Amtsinhaber Luke Donald, dem nach Stensons Abgang die Regie für Rom übertragen wurde. „Aber wenn er damit klar kommt …“

Poulter vermisst Glückwünsche …

Zoff gab’s schon im Vorfeld. Poulter beklagte sich öffentlichkeitswirksam, dass die Ryder Cup Ltd. ihrem einstigen „Postman“ nicht zum 47. Geburtstag gratuliert habe und erklärte jüngst aus seinem Schmollwinkel, er wolle nun selbst bei sportlicher Qualifikation nicht mehr zum Team für Marco Simone gehören. Was eh eine unwahrscheinliche Perspektive ist – allein wegen der angestrebten Verjüngungskur für Europas Equipe und der Qualitäten des „Nachwuchses“. Aber man kann sich ja mal ungefragt äußern und damit für ein paar Schlagzeilen und etwas Unruhe sorgen.

Westwood sein Konterfei in der Werbung

Westwood wiederum mokierte sich, dass er – immerhin Turniersieger von 2020 – bei der Promotion fürs diesjährige erste Rolex-Series-Event des aktuellen Tour-Kalenders nicht berücksichtigt worden sei und wundert sich als Antwort auf ein entsprechendes Twitter-Posting, „was langjährige Sponsoren wie HSBC und Rolex wohl davon halten“: „Sie sind diejenigen, die das Geld zur Verfügung stellen, und ich frage mich, ob ihre Interessen gewahrt werden.“

Schon früher waren Vorwürfe laut geworden, dass LIV-Spieler im Teilnehmerfeld von der DP World Tour ignoriert werden. Westwood selbst raubt das nach eigenem Bekunden nicht den Schlaf, aber die Tour schneidet sich damit womöglich auf Dauer ins eigene Fleisch, weil sie sich einer Menge werblichen Kapitals beraubt.

Wer taugt als Turnier-Testimonial?

Bei allem Respekt vor den Hojgaard-Zwillingen oder Bob McIntyre: Wen will man denn als zugkräftige und publikumswirksame Turnier-Testimonials etwa für BMW International Open oder Porsche European Open auf Plakaten und Bannern konterfeien, wenn die Tour Martin Kaymer, Paul Casey, Sergio Garcia und Co. weiterhin wie Parias behandelt? Ein McIlroy tritt bei solchen Events nicht an; es wird schon als Glücksfall gefeiert, dass „Rors“ für sein Heimspiel Irish Open zugesagt hat. Und was wird erst, wenn die Sperren im Februar tatsächlich bestätigt werden sollten?

Uneins über Umgang mit LIV-Golfern

Unter der stillen Wasseroberfläche blubbert überdies, dass selbst das spielenden Personal sich bezüglich des Umgangs mit den Abtrünnigen nicht einig ist. Oder sogar unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Beispiel: Hardliner wie McIlroy oder Mike Lorenzo-Vera, gleichermaßen Matt Fitzpatrick und Jon Rahm kotzen im Strahl, weil LIV-Golfer die Ambivalenz der DP World Tour ausnutzen, bei deren Turnieren antreten und damit anderen den Platz wegnehmen. Für den Ryder Cup hingegen hätten „Fitzi“ und „Rahmbo“ nichts gegen LIV’ler im Team, wenn’s die Siegchancen erhöht.

Gesichtswahrung durch Gerichtsentscheid?

Wer weiß, vielleicht wäre man bei der European Tour Group in Virginia Water insgeheim ganz froh, wenn das Gericht in London nach der auf fünf Tage angesetzten Verhandlung den Bann für nicht rechtens erklärt. CEO Keith Pelley und die Seinen könnten das in der Öffentlichkeit zähneknirschend zur Kenntnis nehmen und sich dann wieder dem Alltagsgeschäft zuwenden, fernab ideologischer Hemmschwellen. Das mag nicht besonders moralisch wirken, dürfte allerdings vermutlich zum Besten des Produkts sein – mit dem gerichtlichen Plazet als Alibi und nicht zuletzt als Argument zur Befriedung der eigenen Reihen.

Legends Tour spielt auf Trump-Platz

Wie weich die Fronten sogar im Hauptquartier sind, zeigt sich allein daran, dass die Staysure PGA Seniors Championship – jenes von der DP World Tour co-sanktionierte Ü50-Pendant zur BMW PGA Championship in Wentworth auf der Legends Tour, die unter dem Dach der European Tour Group läuft – heuer auf den Trump International Links im schottischen Aberdeen ausgetragen wird. Hört hört! Da kann Bonvivant Darren Clarke in diesem schmucken Werbe-Video noch so sehr heile Welt voller genießerischer Leichtigkeit demonstrieren:

Die Nachricht vom Schauplatz des wichtigen Altherren-Turniers, die in der täglichen Nachrichten-Kakophonie beinahe untergegangen ist, kommt einer kleinen Sensation gleich. Sie müsste Wellen schlagen wie Clarkes ins Wasser geschlenzter Schläger, gilt doch der Ober-Disruptor Donald Trump beim Establishment als Persona non grata. Erst recht, seit die Saudis den Gesinnungsgenossen mit der Wahl seiner Golfplätze für ihre Events offen protegieren und „Agent Orange“ sie nun erst recht über den Klee lobt. Dabei besteht das wirklich große Bild aus Saudi-Arabiens geopolitischen Ambitionen als Nummer eins am Golf, noch vor Dubai oder eben den VAE mit Abu Dhabi. Der Golfsport ist lediglich Mittel zum Zweck.

Strategische Allianz bindet Pelley die Hände

Und es zeigt sich an allen Ecken und Enden, dass die DP World Tour nach wie vor auf einem schmalen Grat wandelt, einem zwischen Nibelungentreue zur PGA Tour einerseits sowie der Notwendigkeit zur ureigenen Existenzsicherung andererseits. Freilich, die Kluft zum rettenden Grün ist groß, um zum Eingangsbild zurückzukehren. Es braucht präzise Schläge, um sie zu überbrücken. Dabei spielt Keith Pelley, eigentlich ein meisterlicher Makler des Machbaren, mit dem Handicap der Strategischen Allianz mit der PGA Tour, die er zur personellen und finanziellen Aufwertung seines Circuits braucht, die ihm allerdings gleichermaßen die Hände bei den Konsultationen mit der Konkurrenz bindet.


„Die Strategische Allianz mit der PGA Tour hat unsere bisherigen Erwartungen übertroffen. Sie ermöglicht uns, Preisgelderhöhungen zu garantieren, und gibt uns die Chance, unseren Saisonplan zu verändern und zu verbessern. 2023 ist ein Übergangsjahr. Mit den für 2024 beschlossenen Veränderungen werden wir in einem engeren Zeitrahmen weniger Events mit besserer Dotierung veranstalten und können uns erlauben, mit einem Teil des Kapitals, das uns die PGA Tour gewährt hat, aufregendere unterhaltsame Produkte zu finanzieren. Meiner Ansicht nach sind die Beziehung zur PGA Tour und die daraus resultierenden Möglichkeiten wahrhaft endlos.“

Keith Pelley


Wie auch immer beispielsweise das ominöse Malta-Meeting wirklich verlaufen ist, was auch immer an Geld geboten und nicht aufrecht erhalten worden sein mag: Der Kanadier war durchaus zur Kooperation und zu Zugeständnissen bereit, um den neuen Player in den von ihm gern zitierten „ökonomischen Kreislauf des Profigolf“ aufzunehmen, hat den Abgesandten der anderen Seite für ihre acht 2022er-Veranstaltungen sogar die Herbstperiode angeboten, wie Eddie Pepperell nach einem Gespräch mit Pelley ausgeplaudert hat. Obwohl genau dann die DP World Tour ihre Hoch-Zeit hat. Angeblich ist die Offerte an der geplanten Erweiterung auf 14 Turniere gescheitert, die bei bestem Willen nicht unterzubringen gewesen wären.

Entertainment-Insel verspricht Kurzweil

Wie auch immer, es drohen weiterhin tiefe Wasser, breite Kluften, tückischer (Treib-)Sand: Die Abu Dhabi HSBC Golf Championship auf der Entertainment-Insel Yas Links läutet ein erneut schwieriges Jahr für die DP World Tour ein. Allerdings ebenso ein gewiss interessantes und kurzweiliges für alle Beobachter.

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