Profisport Herren

Der (Klein-)Krieg der Touren: Jeder verklagt jeden – das Affentheater nervt

04. Okt. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

(Fotos: Getty)

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Es herrschen disruptive Zeiten im Profi-Golf, und der „Clash of Circuits“ von LIV Golf einerseits und der PGA Tour samt ihrem Appendix DP World Tour auf der anderen Seite wird gern zum Krieg der Touren stilisiert. Doch das Ringen um die Deutungshoheit in Sachen Profi-Business ist zu einem Kleinkrieg zerfasert, der nur noch nervt.

Dumme Sprüche und Beleidigungen

Beide Lager teilen nach Kräften aus, üben sich in dummen Sprüchen und Beleidigungen. Lee Westwood ätzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen einstige Kollegen und das System, das ihn groß gemacht hat. Talor Gooch kriegt wegen eines Vergleichs der Stimmung bei LIV mit der Atmosphäre beim Ryder Cup eine anonyme Prügel-Androhung aus dem europäischen Lager. Matt Fitzpatrick, Jon Rahm oder Mike Lorenzo-Vera spucken Gift und Galle, weil LIV-Golfer die Ambivalenz der DP World Tour ausnutzen, bei deren Turnieren antreten und damit anderen den Platz wegnehmen. Nur ein paar Beispiele.

Reed erweitert Verleumdungsklage

Parallel rotiert das Karussell der Gerichtsverfahren. Ein paar springen ab, andere auf. Patrick Reed zerrt jeden vor den Kadi, von dem er sich verunglimpft fühlt, hat seinen ursprünglich nur gegen „Golf-Channel“-Spötter Brandel Chamblee gerichteten Verleumdungs-Furor erweitert und verklagt nun drei weitere Medienmenschen wegen Rufschädigung, unter anderem „Golfweek“-Edelfeder Eamon Lynch.

Gegenklage der PGA Tour in Richtung LIV Golf

Derweil hat die PGA Tour Gegenklage eingereicht, nachdem das einst von elf LIV-Spielern angestrengte Verfahren in Sachen Sperren und kartellrechtlicher Bedenken nunmehr hauptsächlich von LIV Golf selbst getragen wird und ansonsten lediglich noch Bryson DeChambeau, Peter Uihlein sowie Matt Jones dabei sind.

Auf 72 Seiten geht es unter anderem um vertragswidrige Spielerbeeinflussung: „Ein Schlüsselelement der LIV-Strategie war, Tour-Mitglieder absichtlich dazu zu bewegen, ihre Vereinbarungen mit der Tour zu brechen und an LIV-Veranstaltungen teilzunehmen, während diese Mitglieder gleichzeitig versuchten, ihre Tour-Mitgliedschaft zu behalten und an großen Tour-Veranstaltungen teilzunehmen, damit LIV von der Tour und ihrer Plattform profitieren kann.“

„Anstiftung zum Vertragsbruch“

LIV Golf habe sich daher seinerseits wettbewerbswidriges Verhalten zuschulden kommen lassen, heißt es in der Klageschrift: „LIV hat versucht, die Geschäftsbeziehungen zwischen der Tour und ihren Mitgliedern zu schädigen, indem es Letztere dazu gebracht hat, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu brechen.“ Man man sei gar so weit gegangen, die Anwaltskosten der betreffenden Mitglieder zu übernehmen, „um den Vertragsbruch mit der Tour verlockender zu machen“, und stifte die Überläufer zudem an, der Tour weitere Mitglieder abzuwerben.


„Es war ein hässliches Jahr, aber es gibt für alles eine Lösung. Wir schicken Raketen zum Mond und bringen sie zurück – dann sollten wir doch auch herausfinden können, wie sich der Riss im professionellen Golfsport wieder kitten lässt.“

Rory McIlroy


Selbst Rory McIlroy gerät unter „Friendly Fire“, der zwar ebenfalls munter Öl ins Feuer gegossen hat, zwischendrin aber immer mal wieder für Schiedlichkeit und Friedensverhandlungen plädiert. Commissioner Jay Monahan fiel dem ersten Paladin der PGA Tour offen in den Rücken, als er bei „ESPN“ sagte: „Eine friedliche Ko-Existenz mit LIV Golf ist nicht vorstellbar. Diesbezüglich waren wir von Beginn an sehr klar.“

Was für ein Affentheater!

Berechtigte Kritik bleibt

Nicht, dass Missverständnisse aufkommen: Die LIV Golf Invitational Series ist nach wie vor ein Muster ohne sonderlichen sportlichen Wert. Ihre Protagonisten sind millionenschwere Herren mit Haltungsschäden, die den Professional ad definitionem geben – den Berufsspieler, der für den Meistbietenden in den Ring steigen, ganz egal wo das Geld herkommt. Und Finanzier des Ganzen ist ein Schurkenstaat, der sich aus Regime-Räson einer ganzen Sportart zu bemächtigen versucht. Das war und ist nach wie vor energisch zu kritisieren.

Allmählich Zeit für Pragmatismus?

Aber LIV Golf ist gekommen, um zu bleiben. Die Saudis haben genug Geld, um ihren Gegenentwurf sehr lange laufen zu lassen; das Establishment wiederum wirkt keineswegs so schwach, alsbald nicht mehr dagegen halten zu können. Rory McIlroy fürchtet womöglich zurecht auf Dauer eine Spaltung des Spiels.

Vielleicht wäre es vor diesem Hintergrund durchaus ratsam, der Empfehlung des antiken chinesischen Militärstrategen Sunzi zu folgen: „Wenn du sie nicht besiegen kannst, verbünde dich mit ihnen.“ Vielleicht sollten sich die Parteien tatsächlich an einen Tisch setzen, um weiteren Schaden für den Sport zu vermeiden. Vielleicht ist allmählich Zeit für Pragmatismus – an sämtlichen Fronten. Zum Wohl des Spiels.


„Die Feindseligkeiten müssen eingestellt werden, die die Zukunft des Spiels bedrohen, das wir alle lieben. Die Menschen müssen miteinander reden, um eine Lösung zu finden.“

Johann Rupert,
südafrikanischer Millionär, Inhaber des Luxusgüter-Konzerns Richemont, zu dem auch die Edelmarke Alfred Dunhill gehört, und Golf-Großsponsor in mittlerweile dreistelliger Millionenhöhe, während seiner Alfred Dunhill Links Championship in Schottland


Mit LIV Golf nicht im bestehenden Ecosystem

Dennoch zähneknirschend, ohne Frage. Denn eine LIV-Liga von Saudi-Gnaden und unter Riads Regie ist noch mal was anderes, als Formel-1-Gastspiele in der Monarchie am Golf, der Ankauf eines einzelnen Fußballclubs in der englischen Premier League (Newcastle), das Engagement des Öl-Konzerns Aramco in der Ladies European Tour (LET) oder die gerade kommunizierte Ausrichtung der Asiatischen WüstenWinterspiele 2029.

Keith Pelley hat einen Punkt, wenn er darauf hinweist, dass sich die Saudis mit besagten Engagements in das jeweils bestehende Ecosystem eingeordnet haben, während sie mit LIV Golf und dem Geld der schier unerschöpflichen Staatskasse PIF ihre ureigene Spielwiese kreieren.

Wo ist die Förderung im Sinne von „Grow the Game“?

Vieles wäre überdies vermutlich einfacher, wenn die ohnehin saturierten Dustin Johnson und Co. unter den Überläufern nicht bloß von „Grow the Game“ schwafeln würden. Sondern ihren Einfluss – und einen Teil der Garantiegagen gleich mit – tatsächlich direkt beim „Zahlemann“, sprich bei Kronprinz Mohammend bin Salman und seinem Strippenzieher, dem PIF-Verwalter Yasir Al-Rumayyan, in die Waagschale werfen würden. Saudi-Arabien stampft Mega-Städte und Golf-Oasen aus der Wüste, von breit angelegter Förderung und Akademien für talentierte Mädchen und Jungen war gleichwohl bislang nicht die Rede.

Tischtuch unwiederbringlich zerschnitten?

Letztlich scheint das drohende Schisma vor allem mit zwei Personen verbunden: „Commish“ Jay Monahan und LIV-Golf-Impresario Greg Norman, vereint in verletzter Eitelkeit und unversöhnlicher Animosität. Der eine, Monahan, war in seinem Selbstverständnis als Generalissimus des Golfgeschehens von Beginn an derart hartleibig, dass er gar nicht mehr zurück kann. Beim anderen, Norman, mündet der Rochus auf die PGA Tour mittlerweile ins Irrationale. Beide haben zigfach erklärt, das Tischtuch für einen Gesprächs-„Round Table“ sei längst unwiederbringlich zerschnitten.


„Sicher, LIV Golf hat die Ordnung im Golfsport erschüttert, was in dieser Form noch nie geschehen ist. Aber es ist nicht das pure Böse. Ich bin optimistisch, dass die Menschen dort immer noch gute Absichten haben, und deshalb sollten wir im Sinne des Golfsports auf einen gemeinsamen Nenner kommen.“

Adam Scott


Dabei lag ein Ausweg durchaus auf der Hand. Die PGA Tour hat ihre zwölf Elevated Events und die Verifizierung der 20 Elite-Spieler ja angeblich seit langem auf der Schublade – behauptet Monahan –, befreit ihre Top-Akteure vom Kleinklein des Ganzjahres-Spielplans und macht ihren Circuit damit in Sachen Spieler wie Turniere definitiv zur Zwei- oder Mehr-Klassengesellschaft.

Da hätte man LIV Golf und ihrem kräfteschonenden Format gleich die Herbstmonate nach dem Saisonfinale für eine mit angenehmer Logistik gepolsterte globale Tingeltour der Stars überlassen und sich selbst um ein tragfähiges neues Geschäftsmodell für Allerwelts-Events und die breite Masse der Tour-Profis kümmern können. Ein neues, gemeinsames Ecosystem sozusagen.

Monahans strategische Meisterleistung

European-Tour-Group-Chef Keith Pelley als Dritter im Bunde der Kombattanten – eigentlich eher zwischen Baum und Borke – wäre gewiss schnell zu überzeugen gewesen. Der Kanadier hat mit seiner DP World Tour am meisten zu verlieren und gilt per se als Saudi-affin oder mindestens wenig wählerisch, seit er deren „International“ 2019 seinem Kalender einverleibt hatte. Doch das Diktat der großen Schwester in der neuen Welt, aka die Strategische Allianz mit der PGA Tour, aka deren Alimentation, zwingt ihn zur Nibelungentreue mit Ponte Vedra Beach.

Das wiederum war eine Meisterleistung von Monahan, der die wirtschaftliche Notlage der Europäer zum Schulterschluss auf Gedeih oder Verderb genutzt hat. Er muss geahnt haben, welcher Sturm aus der Wüste da herauf zieht, als die meisten LIV Golf noch für eine Fata Morgana hielten.

Die Falken und ihre verbale Keulenschwingerei

In der Zwischenzeit freilich ist so viel passiert, dass es für Lösungen welcher Art auch immer keinen (Handlungs-)Spielraum mehr zu geben scheint. Jedenfalls wird das nichts, solange die Falken Monahan und Norman mit ihrer verbalen Keulenschwingerei das Sagen haben. Also …

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