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Die PGA Tour: „Behäbig und selbstgefällig“ – bis LIV Golf ihr Beine machte

22. Sep. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Jay Monahan, Comissioner der PGA Tour, steht gehörig unter Druck. (Foto: Getty)

Jay Monahan, Comissioner der PGA Tour, steht gehörig unter Druck. (Foto: Getty)

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Von irgendwoher sägt jemand an Jay Monahans Stuhl. Ein beliebtes Mittel für so was sind gezielte Durchsteckereien an Medien. Im „Wall Street Journal“ ließ sich jüngst nachlesen, dass der Commissioner der PGA Tour den Firmenjet für private Zwecke genutzt und im Jahr 2020 mehr als 14 Millionen Dollar verdient habe, fast so viel wie Dustin Johnson damals für den Gewinn des FedEx Cup bekam und beinahe doppelt so viel wie Justin Thomas während der Saison als Preisgeld-Topverdiener eingestrichen hat.

 

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Sowieso gehe die Profigolf-Organisation verschwenderisch mit dem Geld um: Sie verabschiede hochrangige Manager mit „goldenen Handschlägen“ von acht Millionen Dollar in den Ruhestand, leiste sich ein 81 Millionen teures Hauptquartier, Monahans Vorgänger Tim Finchem habe mehr als die Hälfte der Boni von 32 Millionen Dollar erhalten, die zwischen 2017 und 2020 ausgeschüttet worden seien, und so fort.

Lobby-Arbeit beim US-Gesetzgeber

Das ist starker Tobak für eine gemeinnützige Organisation, die für sich reklamiert, 98 Prozent ihrer Einnahmen wieder an ihre Mitglieder, sprich die Spieler, und den Sport auszukehren. Es riecht nach systematischer Diskreditierung. Übrigens: LIV-Golf-Impresario Greg Norman ist ganz zufällig dieser Tage in Washington, um bei Amerikas gesetzgebenden Gremien für seine von Saudi-Arabien finanzierte LIV-Liga zu lobbyieren. Zur Erinnerung: Das US-Justizministerium hat die PGA Tour ohnehin gerade auf dem Kieker. Wegen möglicher möglicher Wettbewerbswidrigkeiten und kartellrechtlicher Verstößen. Der Status als sogenannte „501(c) organization“, als Typ einer gemeinnützigen Körperschaft, steht mal wieder auf dem Prüfstand.

Hartleibig und kompromisslos

Kurzum: Jay Monahan bläst der Wind ziemlich ins Gesicht. Wobei nicht mal unbedingt die Gegenseite jene Hinweise auf die vom „Wall Street Journal“ so genüsslich breit getretene „Fettlebe“ bei der Tour lanciert haben muss. Auch intern dürfte der „Commish“ wegen seines hartleibigen, kompromisslosen Umgangs mit dem Konkurrenz-Circuit mittlerweile den einen oder anderen Gegner haben. Mindestens aber hat Monahan einen schwierigen Stand und ist geschwächt.

Nach außen hin scheint es eh, als hätten „Shadow Commissioner“ Tiger Woods und Rory McIlroy die Deutungshoheit und damit auch die Initiative in Sachen Tour-Geschick an sich gerissen. Erst ließ sich Monahan von LIV an die Wand drängen, wiewohl er nicht nur nach Rickie Fowlers Meinung viel früher hätte proaktiv auf den Wind aus der Wüste reagieren müssen. Jetzt treiben ihn Superstar Woods, der sein sportliches Vermächtnis aufs Engste mit der Tour verknüpft, und McIlroy als treuer Paladin von Ponte Vedra Beach vor sich her.

Im Wochentakt neue Dollarmillionen

Fast im Wochentakt stapeln Monahan und Co. Dollarmillion um Dollarmillion aufeinander, um den Stars die Ehrenerklärungen fürs Establishment zu vergüten. Sie führen mit den „Elevated Events“ eine Art Kastensystem im Spielplan ein, bauchpinseln die per Player Impact Program, mithin von den sozialen Netzwerken gekürten 20 Elitespieler und lassen sich vom Führungstandem Woods/McIlroy die TGL-Montagsrunden aufdrücken, bei denen der nach wie vor gehbehinderte Woods seine Golfkünste zelebrieren kann, ohne weite Wege über das Auf und Ab von Golfplätzen zurück zu legen. Was keine Kritik sein soll: Die „Team Golf League“ ist fraglos ein prospektiver und innovativer Schritt, verbindet reales mit virtuellem Golf, ist kurzweilig und spektakulär – schlicht all das, was die manchmal ermüdenden 72-Loch-Viertages-Turniere vermissen lassen.

„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“

Deshalb ist LIV Golf mit seinem Format womöglich gar nicht so verkehrt, ob’s dafür nun Weltranglistenpunkte gibt oder nicht. Oder mit seinem Slogan „Golf, but louder“. Und nachdem Norman seine Geschütze mit dem Kick-off von London erstmal abgefeuert hatte, blieb der PGA Tour auch gar nichts mehr anderes übrig, als mit möglichst viel Geld dagegen zuhalten. Schon Goethe wusste: „Nach Golde drängt, am Golde hängt, doch alles.“ Manche finden, dass sie auf der Tour bereits mehr als gut bezahlt werden – Will Zalatoris beispielsweise. Andere kriegen halt den Hals nicht voll. Oder entschädigen sich bei LIV für lange magere Jahre und stoßen damit – wie Richard Bland bei Europa-Chef Keith Pelley – durchaus auf Verständnis.

 

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Per se gilt: Feuer bekämpft man bekanntlich am besten mit Feuer. Jedenfalls, wenn man es nicht mit einer Sintflut von Wasser löschen kann. Monahan hat zwar stets gesagt, dass ein Waffengang für die PGA Tour kaum zu gewinnen sei, wenn der nur auf der Basis von Geld und noch mehr Geld geführt werde. Trotzdem hat er noch eine Menge Millionen locker gemacht. Aus dem laufenden Budget einer äußerst einträglichen Saison 2021/2022, aus Rücklagen und Investitionsgewinnen sowie vor allem dank des rund sieben Milliarden Dollar schweren TV-Vertrags mit CBS, NBC und ESPN bis 2030.

„Zur Modernisierung gezwungen“

Der Commissioner wiederholt gern mantrahaft, dass die Reformen und Aufwertung und Änderungen und Zugeständnisse an die Spieler auch ohne LIV-Golf gekommen wären. Glauben tut ihm das niemand. Der Enthüllungsjournalist und Insider Alan Shipnuck hat völlig recht, wenn er sagt: „Die Tour ist behäbig, selbstzufrieden und selbstgefällig geworden, weil sie ein Monopol hatte. Jetzt ist sie gezwungen, sich und ihr Produkt zu modernisieren – bessere Golfplätze, interessantere Formate, dynamischere TV-Berichterstattung, wirkliche Einbeziehungen von sozialen Medien und so weiter.“

In der Tat: Viel zu lange war keine potenzielle Bedrohung des Establishments und seines Systems in Sicht. Also ließ man die Dinge, wie sie waren. Warum auch was ändern, wenn es nicht not tut, wenn die spielender Mitgliedschaft gar keine Alternative hat. Es musste erst LIV kommen, um der Tour Beine zu machen. Endlich bewegt sich der Koloss – überdies auf einmal mit ungeahnter Schnelligkeit. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.

LIV als „Katalysator der Veränderungen“

Phil Mickelson hatte im Nachhinein recht mit der Suche nach einem Hebel, wenngleich er dafür in Kauf nahm, sich mit „Scary Motherfuckers“ einzulassen und das zudem vor allem aus Eigennutz getan hat. Selbst McIlroy und der ebenso tourtreue Jordan Spieth sehen das so. „In gewisser Weise sind die Reformen auch sein [Mickelsons] Verdienst“, gestand „Rors“ ein: „Er hat bloß den falschen Weg gewählt.“ Spieth wiederum sieht LIV eindeutig „als Katalysator für das, was sich jetzt auf der PGA Tour verändert“.

Dennoch stellt sich die Frage, ob es überhaupt so weit kommen musste? Ob all das finanzielle Wettrüsten nicht vermeidbar gewesen wäre? Es gibt eine zentrale Antwort, ein Defizit. Bei all den vielen Sandkörnchen, die sich ansonsten ins Tour-Getriebe geschlichen und es zum Knirschen gebracht haben mögen – das vorrangige Manko war die Kommunikation. Man hat nicht geredet. Das ist der Hauptvorwurf, den sich die Tour gefallen lassen muss. Allenfalls Tiger Woods fand Zugang und Gehör, wenn ihm was quer lag. Doch der Superstar war vielfach in den vergangenen Jahren aus bekannten Gründen vornehmlich mit sich selbst beschäftigt, schwebte ja eh meist über den Dingen.

„Zum erste Mal hört man uns richtig zu“

Also, miteinander reden. Ins Gespräch kommen. Im Gespräch bleiben. Damit lassen sich in allen Lebens- und Weltlagen Konflikte vermeiden oder lösen. Doch daran haperte es offenbar stets. Sogar Jon Rahm sagt: „Man hat uns millionenfach gesagt, Ihr seid die Mitglieder, ihr seid die Tour. Aber ich habe das Gefühl, dass die PGA Tour uns Spielern jetzt zum ersten Mal richtig zuhört, sich zum ersten Mal darum kümmert, was wir Spieler denken.“

Ins selbe Horn stoßen zahlreiche LIV-Überläufer. Unisono. „Beide Touren hätten besser mit ihren Spielern kommunizieren müssen“, bringt es Lee Westwood auf den Punkt, was beispielsweise auch Sergio Garcia oder Martin Kaymer sagen. Und Pat Perez fasst zusammen: „Wir hatten nie was zu sagen.“

LPGA: „Ähnliche Feindseligkeiten vermeiden“

Kommunikation ist auch das Stichwort für eine mögliche Lösung des Dilemmas. Die LPGA-Proette Ryann O’Toole sieht in dieser Erkenntnis sogar eine Handlungsempfehlung für den Umgang ihres eigen Circuit mit LIV, nachdem Greg Norman schon vor geraumer Zeit eine Damen-Liga in Aussicht gestellt hat. „Die PGA Tour hat sich viel zu schwer getan, mit LIV Golf nach einem Konsens zu suchen“, glaubt die 35-jährige Amerikanerin. „Man hätte sich an einen Tisch setzen und über Möglichkeiten des Miteinanders sprechen müssen. Stattdessen wurde eine Riesenlücke gerissen, die für viel Aufruhr sorgt.“ Die LPGA sollte sich das nach O’Tooles Ansicht sehr genau anschauen, „um ähnliche Feindseligkeiten zu vermeiden.“

Haben die Saudis den richtigen Strohmann?

Freilich, genau das haben Monahan und Norman von Beginn an ausgeschlossen oder mindestens nicht vermittelt. Auch, wenn Norman stets das Unschuldslamm gab, indes jetzt sagt, es gebe nunmehr keine Verhandlungsbasis mehr: „Das Tischtuch ist zerschnitten, und wir machen einfach auf unsere Weise weiter.“ Sein Gegenüber reagierte während des Presidents Cup ähnlich:

 

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Es sind die Animositäten, die der PGA-Tour-„Commish“ und der LIV-Golf-Impresario aufgebaut und geschürt haben, die zudem auch durch die Kartellrechtsklage gegen Ponte Vedra Beach befeuert werden, aus der ein Spieler nach dem anderen aussteigt und die letztlich von LIV aufrecht erhalten wird. Wie meistens, hängt’s an den handelnden Personen. Auch Normans saudische Hintermänner müssen sich fragen, ob sie den richtigen Strohmann installiert haben, wenn mit dem unbeliebten „Great White Shark“ eh niemand reden will. So gesehen ist die Eingangsmetapher schon richtig: Nur geht es um zwei Stühle und acht Beine.

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