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Überraschende Wende im Saudi-Zirkus: Steht Greg Norman vor dem Rausschmiss?

24. Mai. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Steht Greg Norman bei LIV Golf Investements vor dem Aus? (Foto: Getty)

Steht Greg Norman bei LIV Golf Investements vor dem Aus? (Foto: Getty)

Die PGA Championship ist gespielt, was also steht als nächstes essenzielles Ereignis an? Die US Open im Juni, meinen Sie? Stimmt nur bedingt. Eine Woche zuvor nämlich steigt im Londoner Speckgürtel das Premieren-Event der LIV Golf Invitational Series, sportlich zwar ein Muster ohne Wert, aber inhaltlich durchaus gewichtig und womöglich folgenschwer.

Greg Normans Kraftprobe mit dem Golf-Establishment, finanziert vom saudi-arabischen Staatsfonds PIF, wird in gewisser Weise zur Zerreißprobe fürs Profi-Business: Wer tritt tatsächlich im Centurion Golf Club an; wie oder mit welchen Sanktionen reagieren PGA Tour und DP World Tour dann auf Überläufer, nachdem die entsprechenden Freigabe-Ersuchen abgewiesen wurden; was folgt als Nachspiel auf juristischem Wege?

Zehn Engländer um Westwood, Bland und Poulter

Besonders für die DP World Tour kann all das zur existenziellen Bedrohung werden, ist Keith Pelleys Liga doch finanziell und in Sachen Preisgelder längst nicht so auf Rosen gebettet wie die PGA Tour mit ihrer dollargrünen Wiese. Will heißen: Gerade für die Mitglieder des europäischen Circuits ist der Lockruf des Saudi-Schotters nur allzu verführerisch, immerhin gibt es nach 54 Loch ohne Cut vier Millionen Dollar für den Sieger und selbst für den Letzten im 48er-Feld noch 120.000 „Bucks“.

Wie das britische Boulevard-Blatt „Mirror“ wissen will, haben sich allein zehn englische Professionals darum beworben, in Hemel Hemstead Kasse machen zu dürfen. Allen voran bekanntlich Lee Westwood und Richard Bland, aber auch Ian Poulter, der seit 2018 (Houston Open) nichts mehr gewonnen und in dieser Saison gerade 700.000 Dollar verdient hat, andererseits nun mal einen opulenten Lebensstil bedienen sowie einen Fuhrpark voller spritfressender Luxus-Karossen unterhalten muss. Folgerichtig nennt der 46-Jährige – geschätztes Vermögen 60 Millionen Dollar – den Zaster-Zirkus eine „große Versuchung mit jeder Menge positiver Aspekte“.

„D. J.“: „Könnte durchaus gut für Golf sein“

Der „Mirror“ listet die anderen Namen gleichsam auf: Laurie Canter, Sam Horsfield, Jordan Smith, David Horsey, Robert Rock, Ross McGowan und Oliver Fisher. Ihnen allen geht Mammon vor Moral, und so sehr man es bei Hinterbänklern vielleicht nachvollziehen kann, die seit Jahren am golferischen Existenzminimum kratzen und sich nun eine Aufbesserung ihrer Rentenbezüge erhoffen: Im Fall von nimmersatten Multimillionären fehlt jedwedes Verständnis dafür, sich in rückratloser Gier zu haltungslosen Handlangern eines Sportswashing-Spektakels zu machen.

Apropos: Der chronisch formschwache Rickie Fowler liebäugelt ebenfalls mit der Saudi-Sause („Ich habe noch keine Entscheidung in die eine oder andere Richtung getroffen“). Und selbst Dustin Johnson steht längst nicht mehr derart stramm hinter der PGA Tour, wie es noch im Februar geklungen hatte, als Commissioner Jay Monahan seinen Stars den öffentlichen Treueschwur abverlangte. Heute sagt „D.J.“: „Was sie da aufziehen, könnte durchaus gut für Golf sein. Also bin ich gespannt, wie sich das in den nächsten Wochen entwickelt, und werde es genau beobachten.“

LIV-Manager für Marketing schmeisst hin

Vermutlich meint er damit vor allem die Linie, mit der beide Touren auf London reagieren. Was gäbe es ansonsten zu beobachten? Wer spätestens jetzt noch nicht begriffen hat, wes Geistes Kind Greg Norman ist und welchen Pakt der Australier im Sinne seiner revanchistischen Ranküne mit dem Regime in Riad eingegangen ist, dem ist nicht mehr zu helfen. UPS jedenfalls hat begriffen und distanziert sich von seinen langjährigen Golf-„Botschaftern“ Lee Westwood und Louis Oosthuizen: Die beiden Saudi-Liga-Sympathisanten mussten das Logo des Logistikriesen von ihren Outfits entfernen.

Auch Sean Bratches hat begriffen und als Kaufmännischer Leiter (Chief Commercial Officer) von LIV Golf Investments hingeworfen. Bratches war erst vor sechs Monaten von Greg Norman angeheuert worden, sollte sich um die Vermarktung oder das Thema TV kümmern und verkörperte dank seiner 30-jährigen Vergangenheit als Top-Manager beim TV-Sportsender „ESPN“ sowie in der Formel 1 die seriöse Seite und die geschäftliche Glaubwürdigkeit des LIV-Konstrukts.

Normans Bullshit wird zum Bumerang

Es gilt in der Szene als sicher, dass seine Demission mit Normans jüngsten unsäglichen Aussagen in Sachen Saudis zusammenhängt. Um im Mief dieses Stallgeruchs zu agieren, dafür muss einer schon ziemlich skrupel- und anstandslos sein – Bratches ist es offenbar nicht. Zur Erinnerung: Der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi 2018 im Istanbuler Konsulat ist für Norman ein „Fehler, aus dem man lernen muss — jeder macht mal Fehler“. Die kürzlich im Königreich am Golf vollstreckten 81 Exekutionen sind für ihn kein Thema, weil „ich nicht weiß, was die saudische Regierung tut, und mich da nicht einmischen will.“ Menschenrechtsverletzungen, sonstige Missstände und Diskrimierungen sind schon gar nicht der Rede wert, denn „ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt schwule Freunde habe, um ehrlich zu sein“.


„Als jemand, der Greg seit 50 Jahren kennt, weiß ich: Ihm geht es nur um sich. Er versucht seit 30 Jahren, die PGA Tour zu Fall zu bringen, und meine Bewunderung für ihn und für seine Leistungen zugunsten des australischen Golfsports ist längst dahin. Es ist eine Schande, dass er in den Dreck ziehen will, was die Größen des Spiels vor ihm aufgebaut und was sie mit der PGA Tour geschaffen haben. Echte Golf-Gentlemen treten Tradition und Loyalität nicht derart mit Füßen. Du solltest Dich was schämen – go fuck yourself Shark!“

Wayne Grady, Norman-Landsmann und -Kenner, Gewinner der PGA Championsip 1990


Es war die moralische Bankrotterklärung „eines Mannes, der als verabscheuungswürdiger Inbegriff unverfrorener Gier anscheinend weder Seele noch Gewissen hat“, wie Kolumnistin Christine Brennan anlässlich der „verwerflichsten Sätze, die jemals in der Welt des Sport gehört wurden“, in „Golfweek“ schrieb. Norman hat damit nicht nur seinen Ambitionen einen Bärendienst erwiesen und seinem Unternehmen schweren Schaden zugefügt: Der Bullshit, den er da von sich gegeben hat, kommt als Bumerang zurück.

Shipnuck zitiert Top-Spieleragent

Angeblich steht der 67-Jährige vor dem Rausschmiss als Geschäftsführer (Chief Executive Officer/CEO) von LIV Golf Investments und in der Folge wohl auch als Impresario und Commissioner des Sportbetriebs. Jedenfalls will Golfjournalist Alan Shipnuck dies erfahren haben: „Ein Top-Spieleragent hat mir kürzlich anvertraut, dass Norman bei den Saudis raus ist“, erzählte Shipnuck in einem Podcast, wo er seine gerade erschienene Phil-Mickelson-Biographie vorgestellt hat.

Klar, Schlagzeilen – fast egal, welcher Art – sind gute Werbung. Und unbestätigte Quellen haben immer ein Geschmäckle. Aber Shipnuck gilt als bestens informiert und mit dem Ohr am Puls des Geschehen; er hat überdies kein Problem, Indiskretionen heraus zu posaunen, wenn er seiner Sache sicher ist – die Causa Mickelson lässt grüßen.

Eigentlich war der „Goldene Bär“ erste Wahl

Ohnehin zeigte sich dieser Tage, dass Norman bei den LIV-Hintermännern gar nicht die erste Wahl als Strippenzieher war. Wenig verwunderlich angesichts der eher suboptimalen Beliebtheitswerte des „Großen Weißen Hais“ in der Branche, der seit 35 Jahren seinen Rochus gegen die PGA Tour pflegt und sich schon mit nahezu jedem angelegt hat. Eigentlich sollte Jack Nicklaus das LIV-Aushängeschild werden und fürs Sportswashing der Saudis die Wege ebnen. Über 100 Millionen Dollar sind dem „Goldenen Bären“ angeblich geboten worden, die der 82-Jährige nach eigenem Bekunden in freier Entscheidung abgelehnt hat: „Ich muss bei der PGA Tour bleiben. Ich habe ja geholfen, sie zu begründen.“

Was so wohl nicht ganz richtig ist: Nicklaus musste offenbar eher sanft dazu gedrängt werden. Oder wie erklärt sich sonst, dass er von Nicklaus Companies – einer Holding, die zahlreiche seiner Geschäftsbereiche übernommen hat – unter anderem aufgrund des „umstrittenen Projekts“ und der diesbezüglichen Verhandlungen wegen geschäftsschädigenden Verhaltens verklagt worden ist?

Das Dreieck Nicklaus-Riad-Trump

Freilich, es hätten sich selbst in dieser Konstellation die Richtigen gefunden. Nicklaus baut aktuell mit seiner Design-Firma nahe Saudi-Arabiens Kapitale den Qiddiya-Platz; er ist überdies Anhänger der Republikaner und Unterstützer von Ex-US-Präsident und Golfanlagen-Tycoon Donald Trump. Der wiederum hat LIV zwei seiner Kurse zur Verfügung gestellt und sich – wenig überraschend – gerade anlässlich der 104. PGA Championship zu Wort gemeldet, die ihm und seinem Kurs in Bedminster/New Jersey nach den Kapitol-Krawallen von der PGA of America entzogen worden war.

Für „The Donald“,, sind die Saudis „echt feine Kerle“, die für ihre Golf-Ambitionen „richtig tief in die Tasche“ greifen: „Sie haben grenzenlos viel Geld, stimmt’s? Deswegen werden sie den Job sicher richtig gut machen.“ Das ist die Sprache des selbsternannten Dealmakers Trump. Und Nicklaus spricht sie gleichermaßen fließend – ebenso wie die sonstige Moneten-Mischpoke, siehe oben.

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