Panorama

Neues aus dem GC gut Mummelsee: Schuld und Sühne

25. Sep. 2020 von Peter Marx

Der idyllische, wenn auch erfundene, GC Gut Mummelsee. (Foto: Getty)

Der idyllische, wenn auch erfundene, GC Gut Mummelsee. (Foto: Getty)

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Der Golfclub Gut Mummelsee liegt, literarisch gesehen, im idyllischen Nordschwarzwald, am Rande des Naturschutzgebietes. Er dient als Vorlage für die vielen Clubs in Deutschland, die sich mit kleinem Budget und vielen ehrenamtlichen Helfern erfolgreich den verschiedensten Herausforderungen einer Golfsaison stellen müssen.


Der Präsident brütet. Die Unterlagen, die ihm der Schatzmeister gegeben hat, führt detailliert auf, wieviel Geld fehlt für das jährliche Jugendcamp: „Mindestens 1000 Euro“ schreibt Kassierer Gustl Fuchser und plädiert dafür das Camp nicht über eine Woche sondern nur an drei Tagen durchzuführen: „Mehr ist finanziell nicht drin.“

Während Dr. Wolfgang Böösgen, Präsident des Golfclubs Gut Mummelsee, über den Vorschlag sinniert, der ihm aber nicht gefällt, bricht die Eingangstür des Clubhaus-Büros fast aus den Angeln. Den Driver in der rechten Hand, die linke Hand in die Hüfte gepresst steht Lydia Schmalz vor ihm. „Jetzt reicht`s“, schimpft lautstark der Capitan der Seniorinnen-Mannschaft, während Böösgen verständnisvoll nickt, aber keine Ahnung hat über was sich die 62jährige Teamchefin aufregt. Kurze Zeit später knallt die Tür wieder in den Angeln, während „Freundin Lydia“ durchs Clubhaus rennt und schreit: „Kein Respekt vor Frauen, keine Umgangsformen.“

Der Präsident hält den Auftritt der Teamführerin zwar für „übertrieben“, aber er kann ihn auch verstehen. Das Verhalten männlicher Mitglieder des Golfclubs Gut Mummelsee gegenüber Frauen ist schon seit längerem „äußerst grenzwertig.“

Der Präsident recherchiert. Der aktuelle Vorfall ereignete sich auf Bahn eins, direkt hinter dem Clubhaus. Vier Männer verlangen von den abschlagsbereiten Seniorinnen vorgelassen zu werden. „Wie haben keine Lust hinter lahmen Weibern zu spielen.“ Als die Frauen sich weigerten wird jeder Abschlag von den Männern unflätig kommentiert: Von „Grazie einer Bahnschranke,“ bis „Schwungelefant.“

„Verhalten der Männer ist nicht zu entschuldigen“

Nun zählt der Präsident selbst nicht zu den Männern die das „Knigge-Handbuch“ intensiv studiert haben, so jedenfalls seine Frau Anja, aber Ungerechtigkeiten gegen wen auch immer kann er nicht akzeptieren. Das „Verhalten der Männer ist nicht zu entschuldigen“ findet daher der Präsident auf der turnusmäßigen Vorstandssitzung und fordert Vorschläge wie der Club-Vorstand reagieren soll. „Platzverbot, Rausschmiss oder was“?

Vize-Präsident Werner Heiße-von Luft fordert als Erster „drakonische Strafen“. Er verweist auf die geltenden Etikette-Regeln, in denen nachzulesen ist wie sich die Mitglieder im Club zu verhalten haben. „Höflich, Freundlich, Respektvoll.“ Sein Vorschlag „Rausschmiss der Mitglieder ohne Rücksicht auf Person und Ansehen.“ Unterstützung erhält er von den weiblichen Beiratsmitgliedern, die laut applaudieren. Schatzmeister Gustl Fuchser lehnt dagegen diesen Vorschlag ab und erinnert an die stagnierende Mitgliederzahl. Unterstützt wird er vom Sportwart Schulze-Bergmann, einem ehemaligen Schiedsrichter der Fußball-Verbandsliga, der von den Frauen Verständnis für Spitzenspieler verlangt: „Da müssen die Seniorinnen auch mal zur Seite gehen.“ Erschwerend kommt für den Sportwart hinzu, dass zwei der Spieler auf geschäftlicher Ebene enge Kontakte zu Turniersponsoren haben. „Fliegen die raus, sind auch die Sponsoren weg.“

Sein Vorschlag lautet deshalb: „Eine Verwarnung, aber möglichst freundlich.“ Dies sieht der Jugendwart genauso, weil die Söhne der Spieler zu den Besten in seinem Nachwuchskader gehören. „Gehen die Väter, spielen die Söhne bald in einem anderen Club.“ Nach vier Stunden beendet Böösgen die Vorstandssitzung. Eine Entscheidung ist nicht gefallen.

Der nächste Vorfall ereignet sich beim beliebten Tiger-Rabbit-Turnier, bei dem Anfänger (Rabbits) mit Fortgeschrittenen (Tigern) ein Team bilden. Ein Turnier, bei dem gerne Ehepaare mitspielen. Wie Elke und Jürgen Patscher. Sie, zweifache Clubmeisterin, war in diesem Fall der Tiger und ihr Mann mit Handicap 45 der Rabbit. Eine seltene Kombination im Club, was bereits im Vorfeld des Turniers zu deftigen Spekulationen führte. „Kommt er im Bunny-Kostüm?“

Stoisch erträgt Jürgen Patscher die Frotzeleien und spielt die ersten neun Löcher besser als erwartet. Nur sein angeheirateter Tiger mäkelt ständig am Schwung, an der Schlägerwahl, an der Putt-Linie etc. Die Ex-Clubmeisterin führte sich dabei auf wie sonst nur Tiger-Männer bei diesem Turnier. An Bahn 10, ein langes Paar 3, eskalierte die Situation. Gegen den Rat seiner Frau nimmt Rabbit Jürgen den Driver und drischt den Ball zuerst ins hohe Rough und kurz darauf seinen provisorischen Ball direkt in den Teich am Rande des Fairways. Die bissigen Kommentare der Ehefrau, der Frust über die misslungenen Schläge lösen eine Kurzschluss-Reaktion aus. Mitglied Patscher ergreift seine Frau, trägt sie zum Teichrand und wirf sie im hohen Bogen hinein: „Endlich Ruhe!“ Es folgten „Bravo und Buh-Rufe“ von der Terrasse, wo es fast zu Tumulten zwischen Seniorinnen und Stammtischbrüdern kommt. Mittendrin Präsident Dr. Böösgen, schockiert von den Vorgängen auf Bahn zehn und auf der Terrasse. Fluchtartig verlässt er das Club-Restaurant „Zur letzten Tanne.“

Der Riss wird tiefer

Der Riss zwischen weiblichen und männlichen Mitgliedern im Club wird tiefer, auch angeheizt von der Lokalzeitung, der Mummelsee-Post. Dem Blatt wird ein Foto zugespielt auf dem Frau Patscher gerade aus dem Wasser auftaucht: ihr rotes Top, nass und verrutscht, die langen blonden Haare verstrubbelt, ihre weiße Golfmütze in der linken Hand. Die Überschrift: Die Mummelsee-Nixe vom Golfplatz. Foto und ein entsprechendes Video auf youtube werden zum Renner in den sozialen Medien und verschiedene Golf-Blogger geben noch ihren persönlichen Senf dazu. Was die Stimmung im Club nicht verbessert.

Als die Situation droht zu eskalieren ruft Dr. Böösgen eine Sondersitzung des Vorstandes ein. „Das Clubleben ist in Gefahr“, bemerkt Club-Sekretärin Tanja Bluse. Sie gilt als die „heimliche Clubmanagerin“, weil sie seit 20 Jahren das Sekretariat dirigiert und die Stimmung im Club gut einschätzen kann. „Die Bluse hat Recht“, sagt Wolfgang Böösgen und fordert vom Vorstand einmal mehr „Vorschläge.“ Nach einer Stunde endet das „Schweigen der Lämmer“, wie der Präsident später die Sitzung beschreibt.

„Die werden niemals die Klappe halten können“

Der entscheidende Tipp kommt von Ehefrau Anja, die gerade dabei ist ein Freundschaftsturnier zu organisieren. „Die Männer sollen uns helfen. Auf nette Art.“ Zusammen mit dem Sportwart findet Dr. Böösgen eine Lösung. Alle männlichen Mannschaftsspieler begleiten beim Freundschaftsturnier die Frauen des Clubs auf ihrer Runde als Caddy. Vorneweg alle Männer des Vorstandes, ganz im Sinne von Böösgens Lieblingsautor Dostojewski, den er dazu zitiert: „Bevor ihr den Menschen predigt, wie sie sein sollen, zeigt es ihnen an euch selbst.“ Murrend stimmten alle zu.

Allerdings! Das Tragen der Bags ist nicht alles. Es gibt noch eine Vorgabe: Jeder Kommentar, jeder Ratschlag oder jede dumme Bemerkung, egal von Mann oder Frau, wird auf der Runde sofort mit jeweils 50 Euro bestraft und vom Club-Marshall einkassiert. Überraschend schnell findet dieser Vorschlag die Zustimmung beider Fraktionen.

Was den Präsidenten aus zwei Gründen freut. Die Schuld der Männer ist nach dem Turnier gesühnt und das Jugendcamp finanziert. Denn, „die werden niemals die Klappe halten können“, sagt Dr. Böösgen leise seinem Schatzmeister und greift entspannt zum Wein. Diesmal Chardonnay vom Lahrer Winzer Wöhrle.

Peter Marx, Golfclub Gröbernhof, ist korrespondierendes Fernmitglied im Golfclub Gut Mummelsee.

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