Panorama

Neues aus dem GC Gut Mummelsee: Etikette, Mode und Zeitgeist

29. Sep. 2020 von Peter Marx

Der idyllische, wenn auch erfundene, GC Gut Mummelsee. (Foto: Getty)

Der idyllische, wenn auch erfundene, GC Gut Mummelsee. (Foto: Getty)

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Der Golfclub Gut Mummelsee liegt, literarisch gesehen, im idyllischen Nordschwarzwald, am Rande des Naturschutzgebietes. Er dient als Vorlage für die vielen Clubs in Deutschland, die sich mit kleinem Budget und vielen ehrenamtlichen Helfern erfolgreich den verschiedensten Herausforderungen einer Golfsaison stellen müssen.

Etikette, Mode und Zeitgeist

Da gerät der Wirt der Clubgaststätte „Zur letzten Tanne“ ins Grübeln. Wie gewohnt serviert er dem Präsidenten des Golfclubs Gut Mummelsee seinen Lieblingswein, einen Chardonnay vom Winzer Laible, doch Dr. Wolfgang Böösgen schiebt das Glas einfach zur Seite.  Stattdessen verlangt er einen „Hochprozentigen“, am besten gleich einen „Doppelten.“ Während draußen auf dem Clubgelände Gäste und Mitglieder mehr oder minder erfolgreich versuchen Golf zu spielen, sitzt Dr. Böösgen einsam am Stammtisch und verflucht den Tag, als er sich entschied für das Präsidentenamt zu kandidieren. „Warum nur, warum...“
Was er damals nicht wußte oder noch nie vorher wahrgenommen hatte ist die Existenz des clubeigenen „Ausschusses für alle Fragen der Etikette.“ Seither trifft sich Böösgen zweimal im Jahr mit den fünf Ausschuss-Mitgliedern, die im Club nur als die „Aufkleber“ verschrien sind. Zusammengefasst sorgen sie seither für „die schlimmsten Stunden meines Präsidenten-Daseins.“

Wolfgang Böösgen nippt erst am Kirschwasser, trinkt dann das Schnapsglas in einem Zug leer und starrt griesgrämig auf die Tagesordnung für die nächste Ausschusssitzung. Acht Punkte stehen darauf, von denen viele aus der Sicht des Präsidenten nur Ärger bedeuten. Die Themenpalette reichte vom richtigen Umgang der Pitchgabel bis zum „seriösen“ Dresscode für Spielerinnen und Spieler. „Als hätten wir sonst keine Probleme.“

Insolvenz der Gastronomie? Alles nur das nicht...

Gleichzeitig beschäftigt den Präsidenten das Problem, wie das Clubleben in den Herbst- und Wintermonaten belebt werden kann, damit der Wirt der Vereinsgaststätte wirtschaftlich überlebt. Die Corona-Monate haben auch ihm geschadet. Und Dr. Böösgen hat Angst, dass das Gaststätten-Ehepaar im Winter Insolvenz anmeldet und der Club wieder nach einem neuen Gastronomen suchen muss. Darüber hat er bereits ausführlich im Vorstand gesprochen und alle Mitglieder waren – was selten genug vorkommt – einer Meinung: „Alles nur das nicht.“ Aus diesem Grund, so der Vorstandsbeschluss, will der Club zusammen mit dem Wirt ein umfangreiches Winterprogramm auflegen. Die sonst üblichen Skatabende („erfolgreich“), Regelabende („durchschnittlich ein halbes Dutzend Teilnehmer”), Mitgliederversammlung („guter Besuch“) und die Standards wie Weihnachtsfeier und Silvester-Party („beliebt“) sollen zusätzlich „um mehrere Highlights“ ergänzt werden.

Allerdings, keiner im Vorstand hatte eine zündende Idee, auch Böösgen nicht. „Weihnachtsgans-Essen“ und „Wein-Seminare“, mehr hatte er nicht auf seinem Notizzettel stehen. Ein Aufruf per Email an die Mitglieder soll nun helfen.

Die guten alten Zeiten

Aus der Sicht des Präsidenten „alles andere als eine erfolgreiche Woche.“ Dabei hatte sie gut angefangen. Montags gelang ihm ein Birdie an der Neun und zwei Tage später beim Senioren-Turnier schaffte er mit einem neun Meter Monster-Putt noch ein Par an der Zwölf. Jetzt hadert er mit seinem Präsidiums-Kollegen, von denen keiner Lust hatte, den Präsidenten bei der Sitzung des Etikette-Ausschuss zu vertreten.  „... nur faule Ausreden.“

Mit Wehmut erinnert sich Dr. Böösgen an den Anfang seiner Präsidenten-Zeit, als der neue Vorstand gemeinsam alle Krisen überwand. Doch vom einstigen Leitspruch „Unus pro omnibus, omnes pro uno, dem inoffiziellen Wahlspruch der Schweizerischen Eidgenossen, war kaum noch was zu spüren. Oder wie es „Vize“ Walter Heiße-von Luft ausdrückte. „Wir sind halt keine Musketiere.“ Denn die Schweizer hatten das Motto „Einer für alle, alle für einen“ aus dem Roman von Alexandre Dumas „Die drei Musketiere“ abgeschrieben und lediglich ins Lateinische übersetzt.  Ersetzt wurde das Motto im Vorstand, so der Eindruck des Präsidenten, durch den neuen Leitsatz: „play, eat and motzen.“

Der Präsident betritt als letzter den Nebenraum der Vereinsgaststätte „Zur letzten Tanne“, wo bereits alle Mitglieder des Ausschusses auf ihn warten. Allen voran der Ausschuss-Vorsitzende und Chef-Greenkeeper Claudius Gras sowie seine Stellvertreterin, Senioreninnen-Captain Lydia Schmalz, die vor Ungeduld schon ihren Kugelschreiber malträtiert. Dr. Wolfgang Böösgen reduziert die Begrüßungsrituale auf ein brummiges „Guten Abend“ und verweist auf die lange Tagesordnung. Das Startzeichen für Head-Greenkeeper Gras, der sich zunächst wütend über Mitglieder und Gästespieler beschwert, die den Golfplatz zu einer Müllkippe machen. „Auf den Fairways liegen immer öfters leere Plastikflaschen, verknüllte Papiertaschentücher, kaputte Tees und Verpackungen von Müsli-Riegeln herum.“

Sein Vorschlag: „Verschärfte Kontrollen durch die Marshalls und ein Bußgeld-Katalog.“ Geduldig hört sich der Präsident auch seine weiteren Klagen über den schlechten Zustand der Greens an, die von tiefen Pitchmarks übersät sind und jeden längeren Putt zu einem Glückspiel machen. „Wer benutzt eigentlich noch die Pitchgabel“, fragt der Greenkeeper aggressiv in die Runde. Gras fordert auch hier einen angemessenen Strafen-Katalog. „Fünf Euro für jeden, der seine Pitchmarks nicht ausbessert.“

Nicht jeder in der Ausschuss-Runde unterstützte in der Diskussion die Forderungen des Greenkeepers nach schärferen Platzregeln und einem Strafen-Katalog. Zu einem spielte das eigene schlechte Gewissen mit, zum anderen finden die „liberalen“ Ausschuss-Mitglieder, dass Geldstrafen alleine nicht ausreichen. Sie verlangen daraufhin vom Vorstand ein „pädagogisches Gesamt-Konzept“. Was wiederrum das Infarktrisiko des Präsidenten erheblich steigert, der langsam seine Gelassenheit verliert. „Für die Erziehung von Mitgliedern sind wir nicht zuständig.“

Nervenberuhigung für Dr. Böösgen

Eine kurze Pause nutzt Dr. Böösgen für einen „doppelten Kirsch“ mit dem er seine Nerven beruhigt und noch einen zweiten „Doppelten“ obendrauf um auch die letzten vier Punkte auf der Tagesordnung zu überstehen.  Als er das Nebenzimmer betritt hat Lydia Schmalz bereits Leinwand, Computer und Beamer für ihre Power-Point-Präsentation aufgebaut. Böösgens ahnt Schlimmes.

„Die Moral in unserem Club verkommt“, sind die ersten Worte, mit der Lydia Schmalz ihren Kurz-Vortrag über die Verstöße gegen die Etikette eröffnet.  Die ersten unscharfen Fotos zeigen Frauen beim Golfspielen. So sehr sich Böösgen auch bemüht die kritisierten Verstöße zu erkennen, ihm fällt nichts auf. Die Seniorinnen-Captain schaltet daraufhin ihren Laser-Pointer ein und zeigt auf „Hotpants“, Spagetti-Träger, rückenfreie Oberteile“ usw. Was jedoch Lydia Schmalz als „aufreizend und unanständig“ bezeichnet ist für den Head-Greenkeeper nichts weiter als „nett anzusehen und halb so schlimm.“

37 Fotos bzw. Verstöße später wird die Leinwand eingerollt. Aus der Sicht von Dr. Böösgen ist die Kritik der Seniorin berechtigt, denn in den Etikette-Regeln sind ausführlich die weiblichen und männlichen Kleidungs-Vorgaben beschrieben. Die Frage, die sich der Präsident jedoch stellt, lautet: „Sind diese Vorschriften noch zeitgemäß“. Er erinnert die Ausschussmitglieder, darunter ehemalige Tennisspieler, wie lange Clubs, Verbände und Turnierveranstalter starr an der offiziellen „weißen Tennis-Kleidung“ festgehalten haben, während die Mitglieder schon in den farbigsten Outfits ihrem Sport nachgingen. „Manchmal ist der Zeitgeist schneller, fasst Dr. Böösgen die Diskussion versöhnlich zusammen, als Traditions-Vorgaben und Funktionärswünsche.“

Nach über drei Stunden war die Geduld des Präsidenten aufgebraucht. Auf seinem Notizblock standen die Stichworte Golf-Mode, Trends, Farbtöne und dahinter viele Fragezeichen. Beim Gespräch mit dem Wirt an der Theke des Clubhauses fiel der Groschen. „Warum keine Modenschau“, fragte der Wirt den Präsidenten. Und beide beglückwünschten sich zu ihrer Idee. Der Wirt organisiert nun gemeinsam mit regionalen Boutiquen eine Golf-Modenschau, wobei alle Vorgaben der Etikette berücksichtigt werden. Dazu noch ein Viergang-Essen und eine Weinprobe. Der Präsident: „Für alle etwas“.  Entspannt greift Böösgen wieder nach seinem Glas Chardonnay. „Ein Highlight für den Winter haben wir schon.“ 

 

Peter Marx, Golfclub Gröbernhof, ist korrespondierendes Fernmitglied im Golfclub Gut Mummelsee.

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