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Greg Norman und seine lahme Jungsenioren-Liga: Muss man das ernst nehmen?

25. Mrz. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Instagram.de/@irishgolfer.ie)

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„Sie haben Post“: Die Älteren unter uns werden sich vielleicht an jene Ära in grauen Vorzeiten erinnern, als AOL und sein E-Mail-Programm „State of the Art“ waren. Lang ist’s her. Irgendwie passt das auch auf Greg Norman, der auf seine alten Tage noch eine Rechnung mit der PGA Tour begleichen will und gerade einen Haufen Einladungsschreiben verschickt hat, um irgendwie ein Teilnehmerfeld fürs Auftakt-Event seiner LIV Golf Invitational Series im Juni zusammen zu kratzen.

Papiertiger zum Popanz aufgeblasen

Herrje, weiß der Australier nicht, wann Schluss ist? Aber nein, Norman lässt nicht locker. In revanchistischer Verbissenheit versucht er auf Biegen und Brechen seinem Papiertiger Leben einzuhauchen; er hat die Möchtegern-Liga mit den Dollars aus Saudi Arabiens PIF-Portemonnaie zu einem solchen Popanz aufgebläht, dass dieser gar nicht mehr platzen darf. Der Knall würde vor allem Norman für den Rest seines Daseins desavouieren.

Das wäre schon fast tragisch zu nennen, wenn sich „The Great White Shark“ nicht ausgerechnet zum Faktotum des Mord-Regimes aus Riad gemacht hätte und als williger Handlanger beim Sportswashing-Spuk der Monarchie am Persischen Golf mittun würde.

Spieler dürfen sich für LIV-Liga bewerben

Also, „Sie haben Post“. In Normans Noten, die laut „Golf Channel“ im Mail-Eingang zahlreicher PGA-Tour-Spieler gelandet sein sollen, definiert er die Teilnahmekriterien für das 54-Loch-Event mit 48 Spieler in zwölf Vier-Mann-Teams, die sich ungefähr wie folgt zusammensetzen: Jeweils drei Akteure von Asian, DP World und PGA Tour, die sich anhand ihrer Platzierung in den Punkte- oder Geldranglisten für eine Auswahl qualifizieren; dazu die jeweils zwei besten Spieler von PGA Tour Australasia, Sunshine Tour und Japan Golf Tour sowie die führenden drei Spieler aus Normans International Series auf der Asian Tour. Noch offene Plätze werden aus den Top-22 der Weltrangliste aufgefüllt. Oder so.

Interessierte Empfänger dürfen sich schon mal auf der Webseite registrieren, um eine „Chance auf Berücksichtigung“ zu haben. Wortwörtlich. Irre, oder?

(Screenshot: Michael F. Basche)

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Bloß mit Fingern schnippen, mit Geld winken?

Noch vor ein paar Wochen hat sich beim Genesis Invitational nahezu die komplette Golf-Hautevolee vollmundig von einem Konkurrenz-Circuit distanziert und der PGA Tour per Treueschwur und Ehrenerklärung ihre Loyalität zugesichert. Aber Norman vermittelt weiterhin den Eindruck, er brauche bloß mit den Fingern zu schnippen, mit den Banknoten-Bündeln zu wedeln – und prompt wird nahezu jedermann zum fahnenflüchtigen Überläufer.

Positive Resonanz von Top-Spielern?

Schon nach der kürzlich erfolgten überfälligen Bekanntgabe von Details der neuen Tour, vor allem Börsen und Austragungsorte, hatte Norman behauptet, er habe 250 Spieler im E-Mail-Verteiler und selbst von „einstellig in der Weltrangliste positionierten“ Aktiven eine überwältigend positive Resonanz erhalten. Demnach dürfte sich alsbald auch in seinem Mail-Eingang der Klingelton überschlagen: „Sie haben Post.“


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Im Mai soll dann aus den Bewerbern das finale Feld der Premiere im Centurion Golf Club in Hemel Hempstead (9. bis 11. Juni) ausgewählt werden, einem bereits bewährten Partner von Saudi finanzierten Turnieren. Und: Der Start im Londoner Speckgürtel verpflichtet nicht automatisch zur Teilnahme an den weiteren sieben Veranstaltungen der LIV Golf Invitational Series, wie gnädig.

Westwood, Kokrak, Mickelson?

Wer wird Norman antworten? Hinter Lee Westwood und Jason Kokrak dürfte der 66-Jährige schon einen Haken gemacht haben. Beide haben längst erkennen lassen, dass sie dem Lockruf des Gelds nur zu gern folgen. Vielleicht steht Phil Mickelson gleichermaßen auf der Liste. Dessen weitere Zugehörigkeit zur PGA Tour ist mehr als fraglich, seit die Indiskretion des Golf-Journalisten Alan Shipnuck das Doppelspiel des sechsfachen Majorsiegers offenbart hat.

Mangels Alternativen könnte „Lefty“ sein finanzielles Heil durchaus bei der eigentlich ungeliebten Konkurrenz suchen, nachdem ihm jetzt auch der Augusta National Golf Clubs die Masters-Abstinenz nahe gelegt hat. Wenn Mickelson – aus welchen Gründen auch immer – im Mai nicht aus dem Sabbatical zurückkehren und in Southern Hills zur Titelverteidigung bei der PGA Championship antreten sollte, dann dürfte klar sein, dass sein Schicksal im etablierten System besiegelt ist.

„Dem Golfsport schweren Schaden zugefügt“

Andererseits hat Norman seinen Intrigen-Intimus eiskalt fallen gelassen, als „Leftys“ Äußerungen über die Saudis als „Scary Motherfuckers“ und die Beteiligung des Nestbeschmutzers an der juristischen Konstruktion des „Hebels gegen die PGA Tour“ (Mickelson) publik wurden. „Er hat einen Fehler begangen und dem Golfsport Schaden zugefügt“, sagte Norman dieser Tage, ließ freilich offen, ob er damit Mickelson subversive Aktivitäten meinte oder nur dessen unbedachte Äußerungen im Telefonat mit Shipnuck.


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Wie auch immer: Norman hat zwei, maximal drei Spieler sicher. Er wird überdies auf einige in die Jahre gekommene PGA-Tour-Mitglieder bauen können, die dort nichts mehr zu verlieren haben, sprich nicht mehr viel gewinnen können, und bei Norman dankbar in einen gut dotierten Vorruhestand gehen.

Profitabler Wechsel für europäische Profis

Dazu kommt gewiss ein Haufen Pros aus dem europäischen Lager, die ihre vergleichsweise unterdimensionierten Einkommensmöglichkeiten auf der DP World Tour gern gegen die üppig gefüllten Tröge des LIV Golf Invitational tauschen werden.

Selbst wenn sie dort variable Masse sind und nach jedem Event ausgetauscht werden können: Schon jedes Turnier für sich bringt dank der jeweils ausgeschriebenen Börse von 20 Millionen Dollar mehr Kohle als eine mühsame Saison in der Tour-Mühle. Dazu addieren sich noch fünf Millionen an Prämie für die Team-Wertung, eventuelle Antrittsgelder etc. pp. Bei derart viel Zaster wird garantiert der eine oder andere schwach.

Steht LIV für den 54-Loch-Modus?

Und es ist einfach verdientes Geld. Denn Normans Zirkus ist nach Stand der Dinge ein Muster ohne sportlichen Wert und wirkt derzeit eher wie eine lahme Jungsenioren-Liga. Der 54-Loch-Modus ohne Cut erinnert bereits fatal an die PGA Tour Champions, indes ohne die Klasse von Bernhard Langer und Co. Spötter haben eh bereits die Verbindung zwischen Turnierdistanz und Titel ausgemacht: LIV ist die Schreibweise von 54 in römischen Ziffern. Das Ganze dann als Kanonenstart wie beim Monatsbecher im heimischen Golfclub. Das ist immerhin volksnah, Glückwunsch!

Termin-Kollisionen direkt zum Auftakt

Bei den Terminen hat Norman sowieso ziemlich in die Schüssel gegriffen – jedenfalls für den Anfang. Welcher halbwegs ambitionierte Profi reist eine Woche vor der US Open im The Country Club in Brookline/Massachusetts nach London, nimmt selbst für ein noch so hoch dotiertes Kirmes-Event vor dem Major Jetlag, Konzentrations- und Vorbereitungsstörungen in Kauf? Die Frage dürfte hypothetisch sein. Zeitgleich mit Hemel Hempstead steigt zudem auf der DP World Tour das Scandinavian Mixed von Annika Sörenstam und Henrik Stenson, Europas neuem Ryder-Cup-Kapitän. Hier wird übrigens tatsächlich etwas für die Golf-Entwicklung getan, von der Greg Norman zur Alibisierung seiner Attitüde stets so vollmundig schwafelt.


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Apropos Überschneidung: Die US-Schauplätze des LIV Golf Invitational sind teils parallel zu weniger bedeutsamen PGA-Tour-Auftritten angesetzt, nämlich der Canadian Open, John Deere Classic und Rocket Mortgage Classic. Das mag auf den ersten Blick smart erscheinen, weil etliche Stars dann Zeit für „Seitensprünge“ hätten. Jedoch, während Commissioner Jay Monahan und Co. sich kaum Sorgen über Abweichler während Saison-Höhepunkten machen müssen, werden sie erst recht mit Argusaugen über ihre schwächer besetzten Wettbewerbe wachen, auf dass diese nicht personell noch mehr ausbluten. Dementsprechend rigide wird die Drohkulisse für potenzielle Überläufer ausfallen.

Spielstätten werfen viele Fragen auf

Abschließend noch ein Wort zu den Schauplätzen, die sich angeblich für jeweils fünf Millionen Dollar Miete haben kaufen lassen. Hier setzt sich der sportliche Wertverlust nahtlos fort. Keiner der Plätze, nicht mal Donald Trumps ursprünglich für die PGA Championship in diesem Jahr auserkorenes und nach dem Terror am Kapitol in Washington ausgebootetes Bedminster, gehört zu den bedeutenden Bühnen auf der Golf-Landkarte. Insbesondere in Sachen Anspruch an die Spieler und ihre Schlag-Fertigkeit. Experten sprechen von „Strohfeuern“, von viel Rauch um nichts.

Zwei der designierten Spielstätten in den USA befinden sich überdies weitab vom Schuss – Stichwort Pumpkin Ridge Golf Club in Portland/Oregon –, wenngleich das Kalkül gewesen sein mag, um nicht mit etablierten Tour-Stopps und deren Einzugsgebiet zu kollidieren. Auch Rich Harvest Farms in Illinois beispielsweise liegt eher irgendwo in Iowa, denn nahe der Millionen-Metropole Chicago. The International wenigstens dürfte von der Nähe zu Boston profitieren, ein attraktives Feld vorausgesetzt.

500 TV-Millionen für Beliebigkeit?

Fazit: Keine Spieler, mit denen sich Staat machen lässt; eher unaufregende Austragungsanlagen; Trouble bei den Terminen; ein mauer Modus – und für diese Beliebigkeit will Norman 500 Millionen Dollar mit der Vergabe von TV-Rechten erlösen? Ok, in den ersten Jahren ist der wirtschaftliche Aspekt der LIV Golf Invitational Series eher nachrangig: Die Saudis haben genug Kohle, um das lange durchzuhalten. Doch auf Dauer braucht Normans Popanz entsprechende Aufmerksamkeit und Qualität, um seinen Sinn in Sachen Sportswashing und Spaltung des Golf-Establishments zu erfüllen. Derzeit allerdings ist davon meilenweit nichts zu sehen.

Monahan: „Sind uns unserer Sache sicher“

Was wunder, dass „Commish“ Monahan sich angesichts von Normans Ankündigungen und seiner Drohungen bezüglich des Spielerrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes sehr gelassen gibt: „Ich vertraue in unsere Regeln und Regularien und meiner Fähigkeit, sie entsprechend anzuwenden. Wir sind uns unserer Sache sicher. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

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