Golfreisen

Der „1562 Course“ von Montrose – Ein Kleinod aus dem Lehrbuch über Linksgolf

29. Sep. 2022 von Michael F. Basche in Montrose, Schottland

Die Montrose Links und ihr "1562 Course": Ein Kleinod an Schottlands Ostküste, das einfach weggespült zu werden droht. (Foto: David Basche)

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Sind Sie empfänglich für gelegentliche leise Schauer von Ehrfurcht? Aber doch bestimmt für Glücksgefühle beim Genuss von Kostbarkeiten. Golfer, die mit Sinn für das Wesen des Spiels und ohne Handicap-Hybris unterwegs sind, schöpfen diesbezüglich aus einem reichen Fundus: der sauber und satt getroffene Ball, die Sportausübung an der frischen Luft und in der Natur, das Faszinosum phänomenaler Plätze, all jene mannigfaltigen Facetten drumherum. Puristen finden ihre Paradiese an den Küsten in aller Welt; dort, wo die Spielwiesen im positivsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut sind. Und nah am Wasser.

Links Championship im magischen Dreieck

Die Profis der DP World Tour und ihre Amateur-Flightpartner haben sich in dieser Woche in solchen Gefilden versammelt, rochieren bei der Alfred Dunhill Links Championship im magischen Dreieck von Old Course, Kingsbarns und Carnoustie. Jeder für sich aus diesem Terzett ist ein Sehnsuchtsort und elegischer Beschreibungen wert. Doch es sind die Schönheiten im Schlagschatten der Weltberühmtheiten, die „Hidden Gems“ am Wegesrand, die Neugier wecken und erwartungsvoll kribbelig machen.

(Foto: David Basche)

Deshalb führt die Route vom Flughafen in Edinburgh weit über St. Andrews hinaus und diesmal an Panmure vorbei, der Schönheit im Schatten des Biests „Carnasty“: Das Ziel heißt Montrose in der Grafschaft Angus, ein 12.000-Seelenstädtchen halbwegs zwischen Dundee und Aberdeen, einst reich durch den Handel mit der Hanse und Namensgeber prominenter Angehöriger des schottischen Adels, zudem im 18. Jahrhundert ein prosperierender Umschlagplatz für Schmuggelwaren. Die Montrosians schauen auf eine bewegte Historie zurück. Und sie haben ein geschichtsträchtiges Golfgeläuf.

Die Tagebücher des Studenten James Melville

Vor den Toren der Stadt erstrecken sich die Montrose Links mit dem „1562 Course“ und dem kleineren „Broomfield Course“ – entstanden, wie es die Etymologie vom altenglischen „hlinc“ (unfruchtbar, dürr) vorgibt: Auf dem Streifen nutzlosen Bodens zwischen Meeressaum und Acker- oder Wiesenland, der allenfalls als Auslauf für Schafe oder als Tummelplatz für Geländespiele taugte. Im Jahr 1562 sollen außerhalb der Stadt schon Golfbälle geflogen sein, damals in Form von Holzkugeln. Besser gesagt: Golf in Montrose wurde seinerzeit erstmals schriftlich erwähnt. In den Tagebüchern des St.-Andrews-Studenten James Melville nämlich, der schon im Alter von sechs Jahren auf den Links seiner Heimatstadt von einem Reverend William Gray darin unterwiesen wurde, „to use the glubb for goff“.

(Foto: David Basche)

Das macht Montrose zum fünftältesten Spielfeld der Welt. Sagen sie jedenfalls in den Clubs, die sich das Areal teilen: Royal Montrose von 1810, der vor drei Jahren mit dem 1869 gegründeten Montrose Mercantile zum Royal Montrose Mercantile fusionierte, und Montrose Caledonia von 1896. Chronisten wiederum sprechen vom siebtältesten und nehmen die erste geregelte Bahnenfolge als Reverenz.

25 Bahnen rund um die Stadt, Abschlag neben der Kirche

Egal, gegolft wurde, wo Platz war und wo sich ein Loch stecken ließ. Irgendwann verliefen insgesamt 25 Bahnen rund um die Stadt. Das erste Fairway nahm seinen Anfang tatsächlich direkt neben der St. Peter’s Kirche im Stadtzentrum, die zum Wappen des Clubs wurde und deren Turmspitze dem Golfer notfalls wie eine Kompassnadel den Weg nach Hause weist. 1888 kam Old Tom Morris, der „Godfather of Golf – war ja klar – und extrahierte aus dem Sammelsurium 18 Loch für offizielle Wettspiele.

In der Folge „verbannte“ der Stadtrat die Golfer auf die North Links und engagierte den Morris-Rivalen Willie Park Jr., um dort ein Redesign zu arrangieren. Zur Eröffnung 1905 spielte „The Great Triumvirate“ höchstpersönlich auf: die Champion-Golfer Harry Vardon, J. H. Taylor sowie James Braid, deren sechs bzw. zwei Mal fünf Open-Triumphe bis heute unerreicht sind. 1913 legte auch der große Harry Colt Hand an. Gute hundert Jahre später liegt der Medal Course vor dem Golfpilger, als sei all das erst gestern gewesen. Da soll einer am Abschlag keinen ehrfürchtigen Schauer verspüren!


Die Geschichte der Montrose Links lässt sich leider nicht ohne einen gehörigen Wermutstropfen erzählen. Das Stichwort lautet Erosion. Denn der „1562 Course“ liegt an der meistgefährdeten Stelle der schottischen Ostküste: Extrem-Wetterereignisse, steigender Meeresspiegel, Sedimentauswaschungen etc., mithin die Auswirkungen des Klimawandels, nagen an den Dünen und am Platz, gefährden auf Dauer sogar die Stadt. Die Bahnen 2, 3 und 6 mussten bereits weiter ins Landesinnere verlegt werden.

(Foto: David Basche)

In den vergangenen 30 Jahren hat Montrose auf einer Tiefe von bis zu 70 Metern Strand und Küstenböschung an die Nordsee verloren. Im Dezember 2018 fegte der Sturm Deidre mit derartiger Wucht über die Küste, dass der Platz mit Hunderten von Tonnen Sand eingeweht und bedeckt wurde – weil die Dünen ihre Festigkeit verloren haben und soweit erodiert sind, dass sie keinen Schutz mehr bieten.

Berechnungen gehen davon aus, dass die See binnen der nächsten 40 Jahre um weitere 80 Meter ins Land eindringt bzw. dieses abträgt. Und so droht diesem hinreißenden Kleinod das Schicksal, einfach weggespült zu werden.


 

Manches ist aus der Zeit gefallen

Kurz darauf steigt die erste Murmel in den Morgendunst, der sich im Lauf des Vormittags zu einem veritablen, glücklicherweise nur kurz währenden Grauschleier verdichtet und im Mittelteil der Runde die Sicht vernebelt. Kein echter „haar“ wird hernach ein echter Schotte über diesen Anflug der berüchtigten kalten Küsten-Suppe schmunzeln.

(Foto: David Basche)

Noch freilich ist die diesige Luft vor allem Zierrat für die Mystik von Montrose. Der „1562 Course“ taugt als Anschauungsmaterial fürs Lehrbuch über Linksgolf: knackiger Rasen, (moderate) Dünen, Ginster, tiefe Bunker und hohes, welliges Gras, das seine Farbe ändert, wenn es im Wind tanzt. Das Routing und seine Herausforderungen entspringen dem Gelände, die Architekten haben das Ganze bloß mit Design-Elementen gewürzt. Manches ist natürlich aus der Zeit gefallen.

Die Bahnen 5 und 16 beispielsweise, die niemand so konzipieren würde, der eine Raupe und einen Bagger zur Verfügung hat. „Hillock“ ist ein 252 Meter langes, bergauf führendes Par-4, dessen Schwierigkeit hauptsächlich in Bunker links vor dem Grün liegt. „Gully“ wiederum misst zwar 45 Meter weniger, wird allerdings mit Par-3 geführt.

Als wäre dieses Ungetüm nicht durch seine schiere Länge bereits schwierig genug, gibt’s auf dem großflächigen Grün überdies kaum eine ebene Stelle – die Puttfläche ist verworfen wie ein achtlos hingeschmissener Teppich. Ein Birdie auf der Fünf ist machbar, ein Par auf der 16 hingegen ein besonderes Erfolgserlebnis. So ist das halt, wenn die Landschaft das Layout diktiert.

Andererseits hat Montrose absolute Weltklasse-Löcher. Die Zwei beispielsweise, Auftakt für das Bahnen-Quintett direkt am Wasser, schlängelt sich über rund 350 Meter oberhalb des Strands entlang. Die 17, „Rashies“ kommt als grandioses Par-4 daher, das in einem diagonal angelegten und länglich auf einer Dünen-Terrasse platzierten Grün mündet.

Der Rest ist gleichermaßen charmant bis charismatisch. Überhaupt geht diesem Kleinod an Schottlands Ostküste die Schwäche vieler Linkskurse ab, deren „In“-Schleife oftmals eher ermüdend eintönig in der zweiten Reihe zurück zum Clubhaus führt, vielfach eingequetscht zwischen der 1A-Küstenlage ihrer Filetstücke und den obligatorischen Eisenbahngleisen. Das „vorn“ wirklich prachtvolle Western Gailes in Ayrshire im Westen mag als Beispiel dienen.

(Foto: David Basche)

Perfekte Bühne für das Spiel „as it was meant to be“

Montrose jedoch wechselt in der zweiten Hälfte hie und da die Richtung und hält den Golfer in Atem und Bann, bis der Ausflug in die Historie des Spiels auf dem Schlussgrün vor den Ausläufern der Stadtentwicklung endet.

Kurz: Die Montrose Links und ihr „1562 Course“ sind eine perfekte Bühne für das Spiel „as it was meant to be played“.

(Foto: David Basche)


Golf, Gin, Schlösser, Fish & Chips

Where to be: Carnoustie Country ist Golfland, so wie eigentlich alles an Schottlands Ostküste. Über 30 Golfanlagen rund um das durch die Open Championship berühmt gewordene Städtchen in der Grafschaft Angus sind unter der Regionalmarke zusammengefasst, zuvorderst das Major-Geläuf selbst, dazu Links-Ikonen wie der fünftälteste Golfplatz der Welt in Montrose (Foto oben), das nicht minder ergreifende Panmure, dazu Parkland-Preziosen und Heideland-Hurra. Garniert ist das Ganze mit dem quirligen Treiben in Schottlands „coolster Kleinstadt“ Dundee (Eigenwerbung) und jeder Menge Ausflugsmöglichkeiten, die nicht nur auf einen Golfplatz führen müssen. (carnoustiecountry.com)

(Foto: David Basche)

Where to eat: Fish & Chips sind an der britischen Küste quasi ein Muss, aber es gibt andere Spezialitäten, beispielsweise den weltberühmten „Arbroath Smokie“, geräucherten Schellfisch, der sich natürlich am besten in seinem Herkunftsort genießen lässt, dem nicht weit von Montrose entfernten Fischerdorf Arbroath – und dort bei „Stuart’s Fresh Fish“ (www.arbroathsmokiesdirect.co.uk) oder im Seafood-Restaurant „Old Boatyard“ mit Blick auf Fischmarkt, Hafen und Wasser. (www.oldboatyard.co.uk)

(Foto: David Basche)

What to see: Die lebhafte Handelsstadt Dundee an der Mündung des River Tay mit ihren alten Schiffen und dem neuen Design-Museum „V&A Dundee“ der ersten Außenstelle des Londoner Victoria & Albert Museum, mit Flaniermeilen am Hafen und in der Altstadt ist allemal einen Bummel wert. Wen es interessiert, wie sich‘s dunnemals in einem der trutzigen schottischen Schlösser gelebt hat, dem sei eine Besichtigung von Glamis Castle, Wohnsitz des Earl of Strathmore, und seiner mal prächtigen, mal überladenen Räumlichkeiten empfohlen.

(Foto: David Basche)

Und weil die Kombi Schottland und Whisky fast überflüssig einer Erwähnung ist, soll stattdessen mal Gin in den Fokus gerückt werden, immerhin finden sich gerade in der splendiden Natur des Hinterlands die feinsten Ingredienzien. Bei „Gin Bothy“ in Glamis zum Beispiel vermittelt man gern detaillierte Informationen über Zutaten, Grundlagen und Herstellungsprozess – inklusive Verkostungsgenuss. Die Story der „Bothys“, der heute von Hikern und Bikern nutzbaren einstigen Hirtenhütten im Hochland, ist zudem was für Freunde ungeschminkter, authentischer Naturerlebnisse. (www.ginbothy.co.uk).

(Foto: David Basche)

Where to stay: Dundee ist der ideale Ausgangspunkt für alle Golf- und sonstigen Trips ins Umland, das stylische Boutique-Hotel „Malmaison“ am Rand der Altstadt dafür durchaus die geeignete Herberge (www.malmaison.com/dundee). Für den Schlummertrunk, so der nicht an der Hotelbar stattfinden soll, gibt‘s abschließend einen wahrhaftigen Geheimtipp in des Wortes doppelter Bedeutung: Das „Draffens“ ist eine bezaubernd gemütliche 1920er-Jahre-Cocktailbar mit schummrigem Licht, Stein, Holz und Leder sowie etwas Plüsch. Die Karte liest sich wie ein Katalog des einstigen Warenhauses, in dessen Souterrain das „Draffens“ seine Gäste bewirtet. Mixen können sie hinter der Theke richtig gut, der Whisky Sour war Weltklasse.

Nur finden muss man die Tränke erstmal, der unscheinbare Eingang liegt in einer schmalen, finsteren Gasse namens Couttie's Wynd, die einem auf den ersten Blick durchaus suspekt vorkommen mag. „Draffens“hat keinen Internetauftritt, ein paar Anhaltspunkte für Suchende finden sich allerdings bei „SeeDundee“.

(Foto: Michael F. Basche)

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