Golfreisen

Majestätisch, makellos, mitreißend: Kingsbarns, die Schönheit von Fife

01. Nov. 2019 von Michael F. Basche in Kingsbarns, Schottland

Meerumspült, windumtost: Die 15 der Kingsbarns Golf Links an einem Tag mit klischeehaft schottischem Wetter. Es gibt allerdings auch andere … Foto: Kingsbarns Golf Links

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Also, das mit der Krone im Logo kommt schon hin. Dieses Kingsbarns ist majestätisch, wie es sich da auf seiner Terrasse an der Nordsee fläzt, lässig hingegossen bis ans Wasser. Und alles stimmt, was über diesen besonderen Kurs kursiert: dass er hinreißend schön sei; dass die Konturen der 18 Bahnen wirkten, als habe das Gelände seit Anbeginn der Zeit so ausgesehen; dass Kingsbarns ein exzeptionelles Golferlebnis biete. „Wir wollen, dass die Leute hier eine großartige Zeit haben“, sagt Geschäftsführer Alan Hogg zum Anspruch der Kingsbarns-Macher. „Daher setzen wir alles daran, unsere Gäste glücklich zu machen.“

„The Beauty“ im Triptychon mit Old Course und Carnoustie

Es ist kurz vor der Alfred Dunhill Links Championship, und bei einem Streifzug durch das „Kingdom of Fife“ – wie passend – an der schottischen Ostküste hat Golf Post das Golfjuwel Kingsbarns unter die Lupe genommen. Was eigentlich als abgedroschene Sentenz aus der schreiberischen Klamottenkiste daherkommt – fünf Euro ins Phrasenschwein –, hat hier durchaus Berechtigung: Es braucht tatsächlich eine Lupe, um diese Preziose zu examinieren. Und trotzdem nichts zu finden. Wenn der Old Course von St. Andrews der mythische Patriarch des Turnier-Triptychons ist, und Carnoustie das Biest, dann ist Kingsbarns gleichsam „The Beauty“, gehört– noch keine 20 Jahre alt – von jeher zu den Top 100 der Welt und kulminiert auf seine Weise das Beste, was Golf zu bieten hat.

Allgegenwärtige Nordsee

Der Linkscharakter präsentiert sich gefällig, eher charmant, kaum borstig. Die Fairways sind Teppiche; die Grüns mal subtil, mal ordentlich onduliert. Das Rough ist moderat und in den Landezonen geradezu freundlich, das Setting über drei Ebenen und mit der allgegenwärtigen offenen See ohnehin umwerfend. Man muss seine Bälle wirklich gehörig streuen, um auf einem Quadratmeter zu landen, wo der Wellenschlag nicht im Augenwinkel wogt. Dazu ein Caddie, der mehr als bloß den Weg und die Spiellinie weist, sondern auf angenehme Weise zu plaudern weiß. Und überdies mit dem Junior der beste Golf-Buddy aller Welten: Herz, was willst du mehr!

Das alles sogar unter strahlender Sonne aus wolkenlos blauen Herbsthimmel. Letzteres lässt sich zwar in keinem noch so akribischen Arrangement festschreiben, passt indes zum perfekten Service. Kingsbarns ist konsequent darauf kalibriert, dass der Kunde sich wahrhaft als König fühlt.

Güte als Gegenwert

Im Rezeptionshäuschen am Eingang hat das Empfangskomitee die Gästenamen und den einen oder anderen Tipp parat, beispielsweise dass man keinesfalls die „Locker Rooms“ verpassen sollte, wo es selbst einen speziellen Trockenraum für nass gewordene Golfklamotten gibt. Vor der Driving Range wartet ein dienstbarer Geist mit zwei Eimern voller Bälle sowie den Angaben zu Abschlagsboxen und Entfernungen. Am ersten Abschlag neben dem Clubhaus verteilt der diensthabende Starter – heute Gordon – die personalisierten Bag Tags und offeriert ein Krimskrams-Kistchen mit allerlei Nützlichem, kleine Geschenke erhalten bekanntermaßen die Freundschaft: Birdie Book, speziell entwickelte Tees, die sich im Treffmoment gen gewünschte Spiellinie biegen, Ball Marker, Bonbons gegen den trockenen Mund beim Auftakt-Drive.

Für ein reguläres Greenfee von demnächst maximal 312 Pfund (362 Euro) ist das ja wohl das mindeste, würde dazu eine golfende Krämerseele sagen, bei dem Preis nehme ich alles mit, was ich kriegen kann. Alan Hogg sagt: „Statt fünf Pfund für einen Trolley oder für einen Platzführer zu kassieren, ist bei uns alles inklusive. Wir berechnen genug Geld fürs Greenfee, da ist so was in unserer Philosophie selbstverständlich.“ Das Geschäftsmodell beruht auf Güte als Gegenwert. Deswegen steigt das Gäste-Aufkommen kontinuierlich, ungeachtet des Preises.

Eine Legende namens Rosie

Mit einem vorsichtigen und wider Erwarten ordentlichen Holz 5 Mitte Fairway beginnt das Erlebnis Kingsbarns Golf Links; „left is right und right is wrong“, hat „Bag Man“ Doug Clement als Devise ausgegeben. Hernach kanoniert der Junior seine Kugel per Eisen 2 in dem Himmel über der Nordsee. Das szenische Versprechen wird umgehend eingelöst, Bahn 1 strömt förmlich in Richtung Meer.

Ein paar Löcher weiter vorn ist Sir Peter Erskine auf der Runde, Eigentümer von Grund und Boden sowie Herr auf Cambo Estate, das den Platz zweiteilt. Seine vierbeinige Begleiterin sei fast eine Legende, erzählt Clement: Die Labrador-Hündin Rosie läuft stets drei Meter hinter der Gruppe und macht automatisch „Sitz“, wenn Herrchen zum Schläger greift. Freilich, unser „Looper“ ist selbst eine Art lokale Berühmtheit, weil Begründer der „Kingsbarns Whisky Distillery“ – doch das ist eine andere Story.

Keine schwachen Löcher in Kingsbarns

Jedenfalls lösen solche Dönekes ein wenig die Anspannung, natürlich sind die Knie ein bisschen weich, das soll sich bis zum 18. Grün nicht ändern. Kingsbarns ist, anders lässt es sich nicht nennen: ausdesignt bis zum letzten Grashalm, herausfordernd, wiewohl nicht bedrohlich oder einschüchternd, ein optischer Genuss und ein golferisches Gaudium.

Der Kurs hat keine schwachen Löcher, das liegt beileibe nicht an der Szenerie allein: Jede Bahn besitzt ihren eigenen Charakter, nichts wiederholt sich, dank der veritablen Längen-Variationen ist jeder Schläger im Spiel. Fairways scheinen direkt ins Meer zu münden, am Ende der nächsten Bahn wartet dafür ein „Infinity“-Grün, und natürlich haben wir auf der Sechs versucht, den berühmten Putt von Schwimm-Heros Michael Phelps zu imitieren, der beim „Dunhill“ 2012 seinen Ball aus sagenhaften 48,5 Metern lochte. „Golf is a Game of Margins“ lacht Caddie Clement, als mein Ball fünf Meter vor dem angezeigten Punkt kläglich verhungert.

Apropos Turnier: Wie gut Kingsbarns in Schuss ist, zeigt sich daran, dass sie selbst vor dem Gastspiel der European Tour allenfalls einen halben Tag zusperren, um die aktuellen Divots auszubessern. Allerdings wird die Anlage über Winter regelmäßig geschlossen, damit Belag und Grasnarbe ohne Belastungsstress ihre temperaturbedingte Wachstumspause überstehen und sich mit Unterstützung des nicht pausierenden Greenkeeping-Teams von den rund 20.000 Spielern während der jährlichen sechs- bis siebenmonatigen Betriebsphase erholen können.

Mitglied für einen Tag

Kingsbarns ist seit dem Tag der Eröffnung im Jahr 2000 ein Platz für Gäste, lediglich die Bewohner des Dorfs sind automatisch Mitglieder, 60 Prozent der Greenfee-Spieler kommen wie Besitzer Art Dunkley aus den USA. Nicht zuletzt dieser Umstand erklärt das Service-System und die Stilistik des Ensembles. „Wir verfahren nach der Devise: Jeder, der hier spielt, soll sich wie ein Mitglied fühlen und wird wie ein Mitglied behandelt“, betont Geschäftsführer Hogg. Das reicht bis zum „Post Play Concierge“, der sich nach Runden-Ende um die „Heimkehrer“ und ihre Wünsche kümmert, auch mal ein Restaurant im Umland empfiehlt und direkt den Tisch reserviert.

Großes Kino. Punkt.

Es gibt tatsächlich Leute, die den Platz nervig finden in seiner permanenten Perfektion, etwas langweilig vielleicht nach der x-ten Runde. Nicht „linksy“ genug, zu wenig Ecken und Kanten, um den Anspruch der imperfekten Ursprünglichkeit eines Linksplatzes alter Provenienz zu erfüllen. Man kann halt vor dem Teller sitzen und derart lange den Kopf schütteln, bis tatsächlich ein Haar in die Suppe fällt. Sprich: Wer mäkeln will, der findet immer was.

Und ja, sollte es überhaupt einen Kritikpunkt geben, wäre es wohl die manikürte Makellosigkeit, diese überhöhte, fast unwirkliche Untadeligkeit. Aber ehrlich, das muss nicht sein. Kingsbarns ist ganz großes Kino. Schieres Vergnügen. Punkt. Und der Stil ist Konzept. Gemacht, „um die Golfmöglichkeiten in der Region St. Andrews zu erweitern, denn die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot“ (Alan Hogg).

Patina unter meterdicker Erdschicht

Dabei ist das gut zehn Kilometer vom Old Course entfernte Anwesen ebenso historischer Boden und nicht frei von Patina. Wenngleich unter einer meterdicken Erdschicht. In den 1790er Jahren bereits wurde rund um den Weiler Kingsbarns Golf gespielt, der seinen Namen von den Scheunen hat, in denen vor der Mühlen-Bearbeitung das Korn für den Palast der schottischen Könige in Falkland zwischengelagert wurde. Gegen 1850 verfiel der Platz, das Gelände diente wieder als Farmland, bis Willie Auchterlonie 1922 neue 9-Loch anlegte. 1939 war einmal mehr Ende mit der Golfseligkeit, bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde das gesamte Areal aus Furcht vor einer Landung von Hitlers Truppen vermint.

Pikten-Mauer und amerikanische Lyrik

Zur Jahrtausendwende schließlich kamen Entwickler Mark Parsinnen und Architekt Kyle Phillips und terrassierten den öden Acker mithilfe tausender Kubikmeter Sand zu einer opulenten Links-Landschaft, deren Grandiosität sich am besten von den erhöht platzierten Boxen der Championship-Tees bestaunen lässt. Was anfangs wirklich sehr artifiziell wirkte, ist längst eingewachsen, der wuchernde Ginster und das grassierende Heidekraut tun ihr Übriges.

Abschließend ist zwingend noch über die Löcher 12 und 15 zu reden; quasi die „Signature Holes“ eines Platzes, der ausschließlich aus brillanten Bahnen besteht. Beide sind dermaßen spektakulär, dass jeder Gedanke an Künstlichkeit sofort verpufft. „Orrdeal“ erinnert an Pebble Beachs 18, ist schlichtweg phantastisch, Weltklasse, überwältigend – und in Fakten ein 554 Meter langes Par 5, das sich als Dogleg-links an die gischtbesprühten Felsformationen der Küste kuschelt und von diesen nur durch eine ehrwürdige Natursteinmauer aus den Zeiten der altvorderen Pikten getrennt ist.

Die hat übrigens den amerikanischen Dichter und Pulitzer-Preisträger Robert Frost während eines Aufenthalts im Dorf Kingsbarns Anfang des 20. Jahrhunderts zu seinem weltberühmten Gedicht „Mending Wall“ inspiriert: „… before I built a wall I‘d ask to know/What I was walling in or walling out …“ Wie gesagt, Caddie Clement weiß angenehm Konversation zu machen.

Aufs offene Meer zielen und beten

An der 15 wünscht man sich vermutlich zuweilen genau diese Mauer. Als Windschutz. An der Seeseite. Sehr hoch.„Rocky Ness“, Kingsbarns‘ berühmtestes Loch, ist ein fulminantes, 194 Meter langes Par 3 über Wasser und Felsen, dessen schmales, langgezogenes Grün sich unterhalb der Ausläufer von Cambo Estate wie eine Zunge in die Nordsee streckt. Wenn‘s aus Osten heftig bläst, so heißt es, soll der Golfer nach rechts aufs offene Meer zielen, kräftig durchschwingen – und beten. Unsere Bälle müssen nicht aufs Grün gepustet werden, es herrscht allenfalls ein laues Lüftchen. Goldener Herbst in Schottland.

Hinweis: Golf Post wurde zu dieser Reise von Fife Golf, den Kingsbarns Golf Links und Visit Scotland eingeladen. Der Artikel spiegelt jedoch ausschließlich eigene Eindrücke und Meinungen wider.

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