Rory McIlroy hat’s schon vergangenes Jahr gewusst und sich fast verplappert. Nach Royal Portrush könnte The Emerald Island Irland der Open Championship in nicht allzu ferner Zukunft eine zweite Bühne bieten. Vielleicht sogar schon 2028. Für McIlroy wäre das ideal. Ein Gewinn der Claret Jug gehört zu den drei größten Karrierezielen des Nordiren – und ist noch nicht erledigt. In Portrush hat es 2019 und heuer nicht geklappt, aber aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei.
Portmarnock Golf Club als Open-Bühne?
Die R&A als Veranstalter des weltältesten Major diskutiert seit geraumer Zeit mit dem Portmarnock Golf Club im irischen Osten über eine Aufnahme in den Reigen der Rota und eine Austragung der Open. Bei McIlroys erneutem Gewinn der Irish Open vor einer Woche im K Club hat sich immerhin erneut gezeigt, wie begeisterungsfähig das Publikum auf der grünen Insel ist. Die Debatte um Portmarnock und der Triumph im K Club rücken ein golferisches Reiseziel ins Blickfeld, das ansonsten von Berühmtheiten wie Rosapenna und Ardare, den Links-Krachern in Nordirland und am Wild Atlantic Way oder Parkland-Preziosen wie dem K Club und Lough Erne an den Rand des Blickfelds gerückt wird: die Destination Dublin.
Dublins Dichter und die literarische DNA
Irlands Kapitale atmet in Schichten: literarische Evergreens, Guinness-Odem, Musik aus Pubs und der leise, salzige Atem der nahe liegenden Küste. Vor allem die Literatur hallt allerorten wie ein Echo durch Gassen und Pubs. Wenn man in der Stadt ankommt, ist es oft das Trinity College, das als Erstes den Atem stocken lässt; der Long Room ist nicht nur eine Bibliothek, er ist eine Inszenierung von Wissen: ein nahezu 65 Meter langer Saal, der mit den Rücken der Jahrhunderte in Leder gebundener Bände eine Art geistiges Pantheon bildet, in dessen Mitte das Book of Kells residiert, leicht illuminiert, wie ein heiliges Relikt, vor dem die Besucher defilieren. Dublin ist stolz auf seine Dichter, die der Stadt ihre literarische DNA verliehen haben. Allen voran James Joyce.
Das Universum von James Joyce und sein Ulysses
Sein berühmter Roman Ulysses könnte fast ein Stadtführer sein, und dabei ist es das minutiöse Kaleidoskop eines einzigen Tages, des 16. Juni 1904, das Dublin in Ton, Geruch und Bewusstseinsströmen rekonstruiert. Die große Struktur des Romans ist Homer entlehnt, doch Joyce verlegt die Odyssee in städtische Mikroabenteuer: Stephen Dedalus, der junge Intellektuelle, beginnt am Sandymount Strand und ringt mit künstlerischer Identität und Vaterfiguren, Leopold Bloom, der Odysseus des Romans, macht aus banalen Erledigungen eine epische Ode kleiner Gesten, Molly Blooms berühmter Schlussmonolog schließt den Tag wie ein Vorhang.
Ein Roman als urbaner Spaziergang
Wer sich dem Universum von Joyce nähert, sollte die Orte aufsuchen, die er beschreibt: das Martello Tower in Sandycove, Sweny’s Pharmacy, die National Library und die kleinen Straßenzüge, die in den Kapitelüberschriften auftauchen. So wird aus Text ein urbaner Spaziergang mit dramatischen Pointen. Bloomsday, das jährliche Festival am 16. Juni, verwandelt die ohnehin quirlige Stadt in eine Hommage an Joyce: Kostüme, Lesungen, Pilgerpfade von Pub zu Pub – an jedem 16. Juni wird Literatur zum Straßentheater. Oder, wenn man so will, zum Gassenhauer.
Temple Bar: Hotspot für das Chaos einer Pub-Nacht
Und wenn die Lichter im Long Room allmählich gedimmt werden, zieht die Stadt die Gardinen auf: Temple Bar ist das musikalische Herz, laut, ungeniert, ein Hotspot für jene, die das Chaos einer Pub-Nacht lieben. Hier vermischt sich Tradition mit touristischer Energie, doch wenn man die richtigen Lokalitäten kennt, öffnet sich ein lohnendes Spektrum.
Die Palace Bar bietet eine ruhigere Bühne für Whiskey- und Gesprächsfreunde. Der ikonische Temple Bar Pub liefert das volle Klischee mit Live-Musik und Menschenmengen. The Auld Dubliner ist ein Ort, an dem die Folkmusik lebt. Dublins Pub-Szene ist kein statisches Museum: Zwischen traditionellen Stews und kreativen Tapas gibt es kulinarische Reize, und wer den echten, ungestellten Abend sucht, geht an Wochentagen in die kleineren Häuser, statt am Samstag ins touristische Epizentrum des Exzesses namens Temple Bar.
Dublins Kurse in der Küstenlandschaft
Wer Dublin verlässt – und das sollten Golfer, Naturfreunde und Neugierige gleichermaßen –, entdeckt eine Küstenlandschaft, die ungleich rascher an Härte und Schönheit gewinnt, je näher man dem Meer kommt. Portmarnock, eine halbe Stunde nördlich der Stadt, ist einer dieser Plätze, die im Gedächtnis haften bleiben: kein gewolltes Spektakel, sondern ein urwüchsiger Links, der aus Dünen, Wind und weitschweifenden Fairways geformt wurde. Portmarnock besitzt eine klassische Links-Topografie, die bei Wind zur echten Prüfung wird: schmale Landezonen, modellierte Grüns, links-typische Bodenverhältnisse und die ständige Unwägbarkeit des Wetters.
Portmarnock und das Problem mit der Logistik
Es ist kein Zufall, dass die R&A Portmarnock in Visier genommen hat. Sportlich erfüllt der Platz viele Kriterien, die man von einem Open-Schauplatz erwartet: Authentizität, Herausforderung und dramatische Bühnen für Spieler und Zuschauer. Doch die Logistik knirscht: The Open Championship verlangt Infrastruktur in einer Größenordnung von 290.000 Zuschauern. So was erfordert ganze Hospitality-Dörfer, Parkplatz-Regionen und ein Nahverkehrs- und Shuttlekonzept, an dem spätestens alles scheitert. Wie aktuell im Fall von Donald Trumps schottischem Turnberry. Portmarnock hat das Terrain, doch der Ausbau der Zuwegung wäre ein politisches und infrastrukturelles Mammutprojekt. Zumal der Platz in einem ökologisch sensiblen Dünengebiet liegt – der Widerstand von Naturschützern gegen Bauprojekte ist quasi programmiert.
Royal Dublin – der Club hinter der Holzbrücke
Nicht weit von Portmarnock, auf Bull Island, liegt der Royal Dublin Golf Club. Dessen Kurs verbindet städtische Nähe mit natürlicher Wildheit. Bull Island ist UNESCO-geschützter Naturraum, und die Verbindung zwischen Ökologie und Golf ist hier fast sichtbar: Man überquert eine Holzbrücke, und befindet sich plötzlich in einem Sandbank-Universum, dessen Tiefe und Vogelwelt den Golfer immer wieder daran erinnert, dass es hier um mehr als sportliche Performance geht. Der Kurs ist relativ flach und deswegen windanfällig. The Island Golf Club in Donabate wiederum ist kompakter, von hohen Dünen gerahmt und eine Herausforderung in Sachen Präzision und Shotmaking.
Das Dreierlei von The European
Und dann ist da The European Club südlich von Dublin. Pat Ruddy, Doyen der irischen Golfarchitekten-Gilde, hat seine Vorstellung vom idealtypischen Links-Geläuf gerade für 35 Millionen Euro verkauft. Das Kunstwerk – was durchaus im Wortsinn zu verstehen ist – erinnert in Teilen an amerikanische Weihnachtsbäume im vollen Ornat: von allem irgendwie mindestens zehn Prozent zu viel. The European ist ein Dreierlei aus exponierter Küstenlage, der gestalterischen Raffinesse von Mutter und Ruddys Hybris, es in den in wilden Dünenformationen mit der gesamten Palette von Designfeatures auf die Spitze zu treiben. Das Ergebnis ist trotz oder gerade deswegen ein echtes Erlebnis.
Die Arrangementschönheit K Club
Wenn man vom Küsten-Canvas in die Parklandschaften wechselt, landet man im County Kildare beim K Club, dessen Nord- und Süd-Kurs von Arnold Palmer gestaltet wurden und der 2006 als Ryder-Cup-Bühne diente. Der K Club verbindet opulente Club-Hotellerie mit Championship-Setups; er ist ein Ort, an dem luxuriöse Freizeitkultur und sportliche Herausforderung eine Art Arrangementschönheit ergeben.
Eine Region der Risse und Resonanzen
Eine kluge Reise verwebt all das. Die Destination Dublin ist keine postkartenglatte Touristenshow, sondern eine Region der Risse und Resonanzen: In einem Moment verbeugt sie sich vor ihrem literarischen Erbe, im nächsten schleudert sie den Besucher in Wind und Meer, um ihn am Abend in einen Pub zu entlassen, wo ein Weißbart ein Garn spinnt, eine Nachwuchsband den Folk anstimmt. Und irgendwo zwischen Guinness und Golf wächst die Gewissheit, dass es ein nächstes Mal geben muss – weil noch so viel zu entdecken, zu erspüren, zu erleben und zu erfahren ist.