Achtung, es folgt eine hypothetische Frage: Wieviele Golfplätze gibt es wohl auf dem Globus, bei denen man eine Übernachtung vor dem Eingang in Kauf nimmt, um in aller Hergottsfrühe ein Tages-Greenfee zu ergattern? Ok, die Antwort mag sicherlich in vielerlei Hinsicht Geschmacksache sein. Der Old Course in St. Andrews war jedenfalls so ein Sakriversum, bis der Links Trust die elektronische Startzeitenverlosung einführte. Die einzige andere Wiese mit einem derartigen offiziellen Play-and-Pay-Procedere ist – soweit bekannt – der Black Course im Bethpage State Park vor den Toren des Big Apple, Major-Parcours 2002, 2009 und 2019, diese Woche Bühne für die 45. Ryder Cup Matches.
Kracher mit Kultstatus
Es dürfte auf dem Globus wohl keinen komplizierteren kommunalen Kurs geben als „The People’s Country“ Club, wie die New Yorker „ihr“ Golfgeläuf getauft haben. Trotzdem, nein gerade deswegen zieht es Spieler aus aller Herren Länder nach Long Island; der „Schwarze“ hat auf sie als Kracher mit Kultstatus eine ähnlich Anziehungskraft wie der Mount Everest auf Hobby-Alpinisten, ist hingegen weit weniger gefährlich.
Online- und Telefon-Reservierung fast unmöglich
Einen gehörigen Teil zum Nimbus Bethpage Black trägt jener Camping-Kult auf dem vorgelagerten Parkplatz bei, der munter blüht, sofern kein Major oder gar ein Ryder Cup ansteht – Bethpage Black wurde übrigens heuer am 18. August für den generellen Spielbetrieb geschlossen. Telefonisch eine Tee Time zu ergattern, erweist sich angesichts der Zugkraft des Kurses als extrem schwieriges Unterfangen. Auch die seit einigen Jahren existierende Online-Reservierung hilft vor allem New Yorkern und ist speziell fürs Wochenende spätestens eine Stunde nach Veröffentlichung der Slots ausgebucht.
„Knöllchen“ garantieren Greenfee-Bändchen
Immerhin ist wenigstens die erste morgendliche Stunde an Abschlagszeiten ausschließlich der „Laufkundschaft“ vorbehalten, dazu jeweils ein Spot pro Stunde im Lauf des weiteren Tages. Also rollen schon am Spätmittag zuvor die ersten Fahrzeuge an, um einen der begehrten Abstellplätze zu ergattern, die am kommenden Frühmorgen gleichermaßen ein Greenfee garantieren. Die Buchten sind nummeriert, wer zuerst kommt, mahlt – sprich spielt – zuerst. Gegen 4.30 Uhr erscheint ein Angestellter der Parkverwaltung und verteilt „Knöllchen“ an die Autobesitzer. Ganz besondere, weil diese Tickets ein Greenfee gewährleisten. Es herrscht Anwesenheitspflicht, mindestens eine Person muss generell stets am Gefährt sein, sonst ist nach einer Stunde der Platz verwirkt. Wenn die ebenfalls nummerierten Anrechtscheine ausgegeben werden, ist das eine Art Fahnenappell für alle, die spielen wollen. Wer fehlt oder im Tiefschlaf liegt, geht leer aus.
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Tailgating in der Wartezeit
Was wunder, dass die derart zum Miteinander verdonnerte Parkplatz-Community, eh durch ihre Golfpassion verbunden, aus der Wartezeit ein Tailgating nach American-Football-Vorbild macht, in dem Schlafen im Autositz, in Hängematten oder gar im Zelt allenfalls stündchenweise vorkommt. Es wird geklönt, gegrillt, gealbert und gelacht, auch manches Bierchen verkostet. Und der lokale Pizza-Bringdienst ist im Dauereinsatz. Ernst wird es noch früh genug, dafür sorgt schon Bethpage Black.
Driving Range als Antagonist des Parcours
Nach dem Auftritt des Park-Assistenten ist man übrigens weitgehend „vogelfrei“, kann unbesorgt eine Mütze Schlaf nehmen oder gar den Parkplatz für ein ordentliches Frühstück in einem nahe gelegenen Coffey Shop verlassen. Der Gang auf die Driving Range von Bethpage Black lohnt sich eh kaum, die ist in all ihrer Hinfälligkeit wirklich der Antagonist des makellos manikürten Platzes. Beim Umtausch des Greenfee-Anrechtscheins muss übrigens ebenfalls die gesamte Gruppe im Clubhaus erscheinen und persönlich ihre Armbändchen abholen. Der erste Flight geht dann kurz vor 7 Uhr auf die Runde.
„The Battle of Bethpage Black“?
Der Kollege James Colgan von Golf.com hat in Bild und Wort festgehalten, wie es vor den Toren des Kurses und auf dem Platz zugeht, der jetzt in die Ryder-Cup-Historie eingehen wird, wahrscheinlich mit dem Untertitel „The Battle of Bethpage Black“. Das Narrativ ergibt sich schon aus der ersten Frage nach der Erwartung an den Tag. Die verschlafene Antwort: „Dass ich eine 120 schießen darf!“
Die Greenfees liegen für Bürger von New York State übrigens zwischen 30 (Twilight) und 80 Dollar (Weekende), Auswärtige bezahlen zwischen 88 und 160 Dollar (www.bethpagegolfcourse.com)