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Warum Greg Normans Zaster-Zirkus eine Schwachstelle der PGA Tour aufdeckt

03. Nov. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

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Mal sehen, wann der Hai sein wahres Gesicht zeigt. Noch singt Greg Norman das einlullende Lied der Golfentwicklung. „Um ehrlich zu sein, konzentriere ich mich im Moment nur auf die Asien-Tour“, sagt Australiens „Great White Shark“ im Gespräch mit „Golf Digest“: „Als klar war, dass ich operativer Chef von LIV Golf Investments werde, habe ich sofort in Richtung Asian Tour geschaut, weil ich dort selbst die ersten Schritte als Pro getan habe und einen eklatanten Mangel an Wachstumsmöglichkeiten wahrnehme […] Ich will bloß eine Basis schaffen, auf der sich weitere großartige Spieler entwickeln können.“ Und: „Hand aufs Herz, unter allen Reaktionen auf LIV Golf Investments und meine Rolle gab es keine, die gesagt hat: Das ist nicht gut für das Spiel. Nicht eine einzige!“

Erste Offenbarungen nur ein Aufgalopp

Allerliebst. Altruistisch. Passt freilich so gar nicht zu Norman, dessen Riecher fürs Business und Geschäftsgier ebenso sprichwörtlich sind wie sein Rochus auf die PGA Tour, die ihm 1994 eine World Golf Tour verwehrte, weil er letztlich weltweit noch woanders abkassieren wollte – Antrittsgelder zuvorderst –, statt sich auf den zum Erhalt der Mitgliedschaft vorgeschriebenen mindestens 15 Tour-Events herumzuplagen.

Da drängt sich förmlich auf, dass oben Gesagtes allenfalls Nebelkerzen sind – ein Rauchvorhang, mit dem der 66-Jährige fürs Erste die wahren Intentionen seines neuen Jobs und der neuen Unternehmung verschleiert, für die er sogar von der aktiven Rolle in wesentlichen Geschäftsteilen seiner weit verzweigten „Great White Shark Enterprises“ zurücktritt. Mindestens aber ist das zehn Turniere umfassende und auf zehn Jahre angelegte jährliche 200-Millionen-Dollar-Engagement in dem wegen Corona brach liegenden asiatischen Circuit ein Aufgalopp. Oder wie COO Normal selbst es formuliert hat: „Erst der Anfang!“

PIF: Anteile an Disney, Uber oder Boeing

Die zehn Turniere pro Jahr sollen in Asien, Europa und im Nahen Osten stattfinden; als Austragungsorte werden unter anderem Kurse des von den beiden großen Touren und dem R&A ignorierten Golfplatz-Tycoons Donald Trump gehandelt. „LIV“ unterhält Büros in den USA und in Großbritannien, eine asiatische Dependance soll folgen.

Fakt ist: Hinter den LIV Golf Investments steht als 80-prozentiger Anteilseigner der saudi-arabische Private Investment Fund (PIF), die Moneten-Maschine der Monarchie am Persischen Golf, 500 Milliarden Dollar schwer, gesteuert von der Königsfamilie in persona des Kronprinzen Mohammed bin Salman als Handlungsbevollmächtigtem. Der PIF hält beispielsweise auch Anteile an Disney, Uber, Bank of America oder Boeing.

Vorläufiger Höhepunkt des „Sportswashing“

Mit „LIV“ verfolge man „die Aufgabe, die Gesundheit des professionellen Golfsports auf wirklich globaler Ebene ganzheitlich zu verbessern und bestehende Interessengruppen dabei zu unterstützen, das ungenutzte Potenzial des Sports zu erschließen“. So steht’s jedenfalls in dem Statement, das vergangene Woche nach einem Medien-Meeting veröffentlich wurde, über dessen konkrete Inhalte bis heute Stillschweigen vereinbart war. Pikanterweise waren einige führende und als Saudi-kritisch bekannte Golf-Publikationen nicht eingeladen.

Hinter den frommen Worten lauert, darüber sind sich alle Beobachter einig, die Premier oder Super oder Sonstwie Golf League, die seit Jahren als Schemen durch die Szene geistert: Eine von Milliarden Petro-Dollars befeuerte Kampfansage an die European und die PGA Tour, mit denen Saudi-Arabien sein „Sportswashing“ auf einen vorläufigen Höhepunkt zu treiben sucht und deren designierter Commissioner Greg Norman sein soll.

Dustin Johnson und die LET-Proetten

Das Übertünchen von gesellschaftlichen und sozialen Missständen, Menschenrechtsverletzungen, Frauen-Diskriminierung oder gar der nachweislich von Salman angeordneten Ermordung des regimekritischen Washington-Post-Journalisten Jamal Khashoggi in Saudi Arabiens Istanbuler Botschaft funktioniert schon jetzt ganz gut.

Vor kurzem haben acht PGA-Tour-Stars mit Dustin Johnson an der Spitze darum gebeten, das mittlerweile geächtete und als Flaggschiff-Veranstaltung künftig auf der Asian Tour untergebrachte Saudi International 2022 dennoch spielen zu dürfen. Aktuell machen sich die Proetten der wirtschaftlich auf sehr schwankendem Boden stehenden, für Käuflichkeit daher besonders anfälligen Ladies European Tour zu Handlangern des Saudi-Systems, das damit kaschieren will, wie es im Königreich um die Gleichberechtigung steht.

„Frauen in Restaurants“ – „Gehen raus und spielen Golf“

Auch Greg Norman, der nahe der Hauptstadt Riad einen Golfplatz baut, singt bei „Golf Digest“ das heuchlerische Lied von Emanzipation und Egalität: „Wer die Verhältnisse in Saudi-Arabien nicht aus eigenem Erleben kennt, der sollte sich keine Urteile anmaßen. Ich erlebe das Land seit drei Jahren und habe mich sehr genau umgeschaut, um mir vor weiteren Entscheidungen auf Faktenbasis ein Bild über die tatsächliche Lebensrealität zu machen, nicht auf Basis von Vorurteilen […] Und zu den Rechten der Frauen sage ich nur: Ich bin von den saudischen Frauen sehr beeindruckt. Du gehst in ein Restaurant und es sind Frauen dort. Sie tragen keine Burkas. Und sie gehen raus und spielen Golf.“

Unabhängige Studien sprechen andere Sprache

Das erinnert fatal an die willfährig-einfältigen Aussagen eines gewissen Fußballkaisers, der nach der Besichtigung der WM-Baustellen in Katar zu Protokoll gab, ihm seien keine ausgebeuteten Gastarbeiter, keine Arbeitssklaven, aufgefallen. Kommt halt drauf an, wo man hinschaut, was einem gezeigt wird, und wieviel von Knete koloriertes Rosarot sich in die Tönung der Sonnenbrille mischt.

Löblicherweise hält „Golf Digest“ denn auch dagegen und führt den aktuellen „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums an. Darin stellt die New Yorker Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch fest, dass trotz gewisser Reformen „saudische Frauen immer noch die Zustimmung eines männlichen Vormunds einholen müssen, um zu heiraten, das Gefängnis zu verlassen oder eine bestimmte medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Frauen werden auch weiterhin in Bezug auf Ehe, Familie, Scheidung und Entscheidungen in Bezug auf Kinder, einschließlich des Sorgerechts, diskriminiert“.

Sonst noch was, Mr. Norman?

Keine garantierten Einkünfte wie in anderen Sportarten

„LIV Golf Investments hat sich eine bedeutende Kapitalzusage gesichert, die verwendet wird, um zusätzliche neue Möglichkeiten im weltweiten professionellen Golfsport zu schaffen“, hat der Australier vergangene Woche gesagt. Erst mal profitiert die Asian Tour, die Aufmerksamkeit erfährt und nächstes Jahr pro neues Turnier mehr Moneten verteilen darf als 2019 an Gesamtpreisgeld für die ganze Saison mit 24 Events reichen musste. Das ist nett, dürfte angesichts der 392 Millionen Dollar, die es 2021 auf der PGA Tour zu verdienen gab, indes allenfalls Korn-Ferry-Tour-Akteure hinter ihrem nordamerikanischen Ofen hervorlocken.

Ganz anders sieht das aus, wenn eine alternative Top-Liga tatsächlich mit Schubkarren voll Schotter daher kommen sollte. Die kursierenden Summen sind schwindelerregend, war doch beispielsweise von 150 Millionen fürs dreijährige Commitment eines US-Ryder-Cuppers die Rede. Greg Norman zielt auf den Profi-Golfer als „unabhängigen Einzelunternehmer“ und aufs Recht der freien Wahl des Arbeitslatzes. Das unmoralische Angebot eines von Saudi-Arabien finanzierten Zaster-Zirkus’ deckt gnadenlos die einzige echte Schwachstelle des tourbasierten Profi-Betriebs auf: Im Gegensatz zu anderen Sportarten existieren keine garantierten Einkünfte, allenfalls durch Antrittsgelder.

Woods’ Preisgelder vergleichsweise fast Peanuts

In der National Football League NFL beispielsweise verdient Kansas-City-Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes ab 2022 per Zehn-Jahres-Vertrag garantiert mindestens 450 und im Idealfall 502 Millionen Dollar; Basketballer Steph Curry kassiert bei den Golden State Warriors per Anno fest vereinbarte 46 Millionen Dollar. Derartige Fix-Saläre gibt es im Golf nicht, die Löhne sind leistungsgebunden, hängen bis zum letzten Cent von Scores und Platzierungen ab. Ohnehin wirken selbst die gut 120 Preisgeld-Millionen eines Tiger Woods seit 1997 gegenüber Mahomes’ oder Currys jährlichen Arbeitsentgelten beinahe wie Peanuts, die der 15-fache Majorsieger überdies erstmal einspielen musste.

Mit ihrer strategischen Allianz stemmen sich European und PGA Tour seit Ende 2020 gegen alle Spaltungsversuche von außen; besonders Letztere als Angriffsziel Nummer eins packt Zuckerbrot und Peitsche aus, kreiert Renten- und Bonus-Töpfe, droht andererseits mit lebenslanger Tour-Sperre oder dem Verlust der Ryder-Cup-Berechtigung. Hüben wie drüben arbeiten die Anwälte an den juristischen Unterfütterungen der jeweiligen Positionen. Selbst wenn eine mögliche Superliga seit Jahren hinterm Horizont hängt: Das Armdrücken zwischen Golf-Establishment und den saudischen Usurpatoren mit ihrem „Strohmann“ Greg Norman hat noch gar nicht richtig begonnen.

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