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„D. J.“ und seine „Bettelbrüder“: Der üble Shank ihres Saudi-Arabien-Antrags

27. Okt. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Sport und Politik: wann soll/ kann/ darf er sich einmischen? Foto: Getty)Sport und Politik: wann soll/ kann/ darf er sich einmischen? Foto: Getty)

Sport und Politik: wann soll/ kann/ darf er sich einmischen? Foto: Getty)

Dieser Tage hat Collin Morikawa, Champion Golfer of the Year und neue Nummer zwei der Welt, sich zum Shank bekannt. Der Socket ereilte den 24-Jährigen wohl in Runde drei der Zozo Championship – solche Querschläger passieren auch den Besten, das ist beruhigend.

Unsensible Selbstsucht, monetäre Maßlosigkeit

Einen Shank ganz anderer und wirklich übler Art leisteten sich acht seiner Kollegen, samt und sonders saturierte Professionals, die sich nicht entblödeten, bei der PGA Tour um eine Sondergenehmigung für die Teilnahme am Saudi International Anfang Februar 2022 zu ersuchen. Das lief Anfang der Woche so en passant in der täglichen Nachrichtenflut mit, gehört als unerhörter Vorgang indes angeprangert: wegen politischer Ignoranz, unsensibler Selbstsucht, monetärer Maßlosigkeit.

Fatales und beschämendes Zeichen

Leider sind es auch keine Namenlosen, aber dann wären sie für Saudi-Arabien ohnehin nicht interessant. Die Rede ist von Titelverteidiger Dustin Johnson, dem 2020er-Sieger Graeme McDowell, Abraham Ancer, Lee Westwood, Tommy Fleetwood, Henrik Stenson, Kevin Na und Jason Kokrak, die in der Causa „Sportswashing“ mit ihrem Vorstoß ein fatales und eigentlich beschämendes Zeichen setzen.

European Tour nahm das Turnier vom Spielplan

Zur Erinnerung: Die European Tour hat das Saudi International von ihrem Spielplan genommen, zu prekär ist das Thema Menschenrechte und Gleichberechtigung, zu harsch die Kritik an den Zuständen in der Monarchie am Persischen Golf. Von Ungeheuerlichkeiten wie der Ermordung des regimekritischen Washington-Post-Journalisten Jamal Khashoggi in der Istanbuler Botschaft des Königreichs gar nicht zu reden, die nachweislich auf Befehl des Kronprinzen Mohammed bin Salman erfolgte. Den hat übrigens Saudi-Arabiens einstiger Ober-Nachrichtendienstler Saad al-Jabri in seinem kanadischen Exil gerade als „empathielosen Psychopathen“ bezeichnet.

PGA Tour zog die bestehende Co-Sanktion zurück

Mit solchen Leuten will man in der Beletage des Profi-Golf dann doch nichts zu tun haben, und wenn sie noch so viele Dollar-Millionen in den Sport pumpen – letztlich, um mit Glanz und Glamour die Missstände zu übertünchen. Im Rahmen der „strategischen Allianz“ mit den Europäern, mit der man nicht zuletzt Front gegen die Bedrohung der von den Saudis finanzierten Premier Golf League machen will, erklärte die PGA Tour umgehend, ihren Mitgliedern einen Start bei dem zuvor co-sanktionieren Turnier im Royal Greens Golf and Country Club nicht mehr zu gestatten.

Das Saudi International läuft ab 2022 unter dem Patronat der Asian Tour, das sich Riads Sportverantwortliche mit einer 100-Millionen-Dollar-Geldspritze erkauft haben.

Woods und McIlroy lehnten konsequent ab

„Ein unmoralisches Angebot“ aus Saudi-Arabien bekommt seit der Premiere des Saudi International 2019 quasi jeder, der im Golfsport Rang und Namen hat. Die millionenschweren Antritts-Offerten sind offenbar hoch genug, „um alle Gedanken an einen ermordeten Journalisten beiseite zu schieben“, hat „Golfweek“ mal geschrieben. Manche wie Tiger Woods oder Rory McIlroy lehnten konsequent ab, andere wie Johnson, Phil Mickelson, Brooks Koepka, Justin Rose folgten und folgen dem Lockruf des Geldes. Sie haben sich im Spannungsfeld zwischen Haltung und Habsucht für Letztere entschieden und machen das schäbige Spiel ebenso munter wie raffgierig mit.

Wie konsequent ist man in Ponte Vedra Beach?

Interessant wird sein, wie die Antwort ausfällt. Erst mal reagierte die PGA Tour in gewohnter Manier: „Wir pflegen mögliche Anfragen hinsichtlich von Freigaben für konkurrierende Veranstaltungen nicht zu kommentieren.“ Für eine Entscheidung haben Commissioner Jay Monahan und die Seinen bis zum 4. Januar Zeit.

Mal sehen, ob Ponte Vedra Beach in diesem Fall und im Umgang mit den Stars konsequent handelt, nachdem man sich bezüglich der Distanz-Debatte mit Verein mit dem R&A fürs Erste eher windelweich aus der Affäre gezogen und die mögliche Einschränkung der Driver-Schaftlänge einfach auf die Ebene der Clubs und Turnierverantwortlichen„durchdelegiert“ hat. Ein Alibi-Arrangement statt klarer Kante: Hauptsache, man hat erstmal was gemacht, weil ja irgendwas gemacht werden muss. Sollen sich doch andere mit den Konsequenzen, mit den gegebenenfalls betroffenen Spielern herumschlagen.

Wie politisch kann, darf, muss Sport sein?

Das Ansinnen der Acht wirft überdies einmal mehr die viel diskutierte Frage auf: Wie politisch kann, darf, muss Sport sein? Natürlich sind reflexhafte Rufe nach Integrität, Vorbildfunktion und ideologischem Ethos realitätsferner denn je, wo selbst etablierte moralische Instanzen immer mehr an Bedeutung verlieren bzw. versagen. Überdies wird Sportlern generell mit Vorliebe eine Vorbildfunktion übergestülpt, die sie gar nicht erfüllen wollen. Oder können.

Aktuelles Beispiel ist die Debatte um den Fußballstar Joshua Kimmich, der einerseits für die Corona-Impfung warb, sich selbst aber (noch) nicht gegen das Virus impfen lassen will. Auch Dustin Johnson ist garantiert nicht Profigolfer geworden, um einem messianischen Drang nach Vorbildlichkeit zu folgen, dafür muss man nicht erst seine exzessive Vergangenheit als „Feierbiest“ mit zumindest viel Alkohol bemühen.

Wer A sagt, muss auch die Konsequenzen in Kauf nehmen

Doch diese Rolle gehört nun mal zur Jobbeschreibung, zum Business. Wer „A“ sagt, Penunzen und Prestige, Reichtum und Ruhm gern nimmt, der muss sich bewusst sein, damit gleichermaßen zur Reflexionsfläche und zum Maßstab von Bewunderern wie Kritikern zu werden.

Mehr noch: „D.J.“ und seine „Bettelbrüder“ wenden sich mit ihrem Begehr gegen das System, in dem sie so prächtig gediehen sind, das sie zu Multimillionären gemacht hat. Keiner des Oktetts, von A wie Ancer bis W wie Westwood, muss sich noch Gedanken um den Belag auf seinem täglichen Brot machen – da kann man auch mal verzichten. Dustin Johnson, das zur Erinnerung, hat allein an Preisgeldern bislang über 72 Millionen Dollar verdient.

Sie wollen bloß spielen. Und kassieren

Ja, Golfprofessionals sind selbstständige und unabhängige Unternehmer. Das ist freilich keine Legitimation, wegen einer Handvoll Dollar die Hand zu beißen, die einen jahrelang gefüttert hat. Doch wenn’s dem eigenen Interesse dient, schert man sich nicht mehr um Moral, Loyalität, Solidarität. Es passt in die Zeit. Johnson und Co. wollen bloß spielen. Und kassieren. Das ist schamlos.

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