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Wahre Bombe steckt im „Kleingedruckten“: PGA Tour dreht Medienrechte-Spieß um

10. Jun. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Der Kampf zwischen LIV Golf und der PGA Tour hat begonnen (Foto: Getty)

Der Kampf zwischen LIV Golf und der PGA Tour hat begonnen (Foto: Getty)

Gestern ist in Waren an der Müritz ein toter Fisch vom Himmel gefallen – kein Quatsch! –, und die regionale Tageszeitung schlagzeilte von einer „Brassen-Bombe“. Stimmt: DAS war mal ein unverhoffter, ein erschreckender Einschlag, im Wortsinn einer aus heiterem Himmel. Vom Statement der PGA Tour hingegen lässt sich derartiges wahrlich nicht behaupten: Commissioner Jay Monahans Rundschreiben in Sachen Suspendierungen kam alles andere als überraschend, letztlich mit Ansage. Nur hinsichtlich des Zeitpunkts durfte man gespannt sein – der blaue Brief trudelte ein, kaum dass beim Auftaktevent der LIV Golf Invitational Series im Centurion Golf Club nahe London der Kanonenschuss zum Start verhallt war.

Sind Bubba Watson und Matt Wolff die Nächsten?

Trotzdem schrieb alle Golfwelt von einer Bombe. Wahlweise vom Hammerschlag. Alle 17 Premieren-Teilnehmer aus dem Beritt der PGA Tour sind fortan vom Spielbetrieb des US-Circuits und seiner Dependancen ausgeschlossen; auch jene, die ihre Zugehörigkeit zum etablierten Circuit eh bereits aufgekündigt haben. Selbiges gilt prophylaktisch für künftige Überläufer in die Saudi-Liga. Sie werden aus der FedEx-Cup-Wertung gestrichen und brauchen sich selbst mit Sponsoren-Einladungen nicht mehr bei einem von der PGA Tour veranstalteten oder sanktionierten Turnier blicken zu lassen.

Wer nach den jüngsten Abgängen in Person von Bryson DeChambeau und Patrick Reed als Erfüllungsgehilfe für den Sportswashing-Spuk des Regimes aus Riad noch folgen könnte, lässt sich übrigens womöglich anhand dieses LIV-Promo-Filmchens ermitteln, in dem Bubba Watson und Matt Wolff einen Kurz-Auftritt haben:

Antrag auf Aufnahme ins Weltranglisten-System

Aber zurück zum Platzet aus Ponte Vedra Beach, das naturgemäß nicht unbeantwortet blieb. LIV-Impresario Greg Norman warf der PGA Tour „Rachsucht“ vor – ausgerechnet er, dessen innerer Antrieb doch vor allem die Revanche für die vor 30 Jahren geklaute Idee von der Welttour ist – und verlautbarte als Konter, man bemühe sich um Aufnahme ins System der Weltrangliste (OWGR).

Dass bei LIV-Turnieren keine OWGR-Punkte zu ergattern sind, war bislang als Malus für die Seriosität und sportliche Attraktivität von Normans Operettenliga ins Feld geführt worden. Offizieller Antragsteller ist die Asian Tour (im Namen von LIV Golf), weil laut OWGR-Reglement diesbezügliche Vorstöße von einem Vollmitglied befürwortet werden müssen; die folgt damit nach der Finanzspritze durch die Saudis brav dem Credo „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Die Aussichten des Antrags dürften allerdings bescheiden sein, denn immerhin handelt es sich nun mal um eine 54-Loch-Wettspielserie ohne Cut, das nach eigener Definition zudem aus Einladungsturnieren besteht.

Poulter und Co. wollen Suspendierung anfechten

Und im Entscheider-Gremium sitzen der Augusta National Golf Club, die bislang seltsam stille und erschreckend reaktionslose DP World Tour, die PGA Tour, der R&A, die PGA of America, die USGA sowie die International Federation of PGA Tours (Sunshine Tour, Japan Golf Tour, Asian Tour etc.), die von Keith Waters, dem Chief Operating Officer der DP World Tour, vertreten wird.

Derweil wollen Abweichler wie Ian Poulter die Sperre nicht einfach hinnehmen, sondern ihre Tour-Mitgliedschaft aufrecht erhalten, und kündigten daher konzertierte anwaltliche Gegenwehr an. Andere wiederum zeigten sich einfach nur amüsiert; Sergio Garcia beispielsweise gab grinsend zu Protokoll: „Das geht mir am A…. vorbei.“

Tretmine von enormer Sprengkraft

Doch das Lachen könnte ihnen im Hals stecken bleiben. Denn wie so oft verbirgt sich auch beim Monahan-Memo die wahre Bombe im Kleingedruckten, bzw. hier im Passus, der die Suspendierung begründet. Dort haben die juristischen Berater des „Commish“ eine Tretmine von fulminanter Sprengkraft platziert: „Die nachstehend aufgeführten Spieler haben nicht die erforderlichen Freigaben für konkurrierende Veranstaltungen und Medienrechte erhalten – oder haben überhaupt keine Freigaben beantragt – und ihre Teilnahme an der Saudi Golf League/am LIV verstößt gegen unsere Turnierbestimmungen.“

„Illegale“ Überlassung abgetretener Rechte

Im Klartext: Nach Ansicht der PGA Tour dürften die Abweichler beim Rivalen nicht nur gar nicht mittun. Sie stellen dem Konkurrenz-Konstrukt überdies Bestandteile ihrer allgemeinen Persönlichkeitsrechte zur Verfügung – eine illegale Überlassung, so die Lesart –, das Recht am eigenen Bild beispielsweise oder das Recht der werblichen Nutzung und so weiter und sofort. Alles Rechte jedenfalls, die zu Beginn jeder Saison per schriftlicher Deklaration an die PGA Tour abgetreten werden und von dieser dann zum Wohle von Spielern wie Tour-Betrieb für die Wert- und Geldschöpfung genutzt werden.

Vor allem „Lefty“ steht nun mitten im Fadenkreuz

Was für eine phänomenale Volte. Monahan und Co. drehen den Spieß einfach um, den ihnen ausgerechnet Phil Mickelson vor einigen Monaten an die Brust gehalten hat, als der Maßlose ihnen bezüglich des Umgangs mit den Medienrechten „Obnoxious Greed“, widerliche Gier, vorwarf. Das kommt jetzt als Bumerang zurück. Denn „Lefty“ hat ebenfalls noch keinen Tour-Austritt vollzogen und behauptet überdies hartnäckig, er sei trotz seiner Ausfälligkeiten und seiner konzeptionellen Kollaboration mit der Saudi-Liga bislang nicht gesperrt gewesen. Damit steht er erst recht mitten im Fadenkreuz.

Auswirkungen auf das Rechtssystem im Sport insgesamt

Ob der Vorwurf des Medienrecht-„Missbrauchs“ des Weiteren auch für Ex-Mitglieder gilt, müssen die Advokaten klären. Die reiben sich vermutlich eh längst die Hände angesichts der Paragraphen, Satzungs- und Vereinsrechtsschlacht, die sich da mit Einschlägen von Kartell- und Steuerrecht anbahnt. Das ist komplex und kompliziert, eine vertrackte Sache mit enormem Winkelzug-Potenzial, die auf Jahre und mit unabsehbaren Auswirkungen auf das Rechtssystem im Sport insgesamt im Hintergrund schwelt. Es werden die Fetzen fliegen – jetzt, wo die Büchse der Pandora einmal geöffnet ist.

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