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Die 122. US Open in Brookline: Das Major auf dem Platz der USGA-Gründer

16. Jun. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Die US Open 2022 im The Country Club in Brookline nähe Boston (USA), (Foto: Getty)

Die US Open 2022 im The Country Club in Brookline nähe Boston (USA), (Foto: Getty)


Es gibt wenige Golfplätze, die eine derart plakative Geschichte haben: Wer erinnert sich nicht an den Ryder Cup 1999? An das unsportliche Verhalten der Amerikaner, die José Maria Olazábal auf dem 17. Grün den Puttversuch zum Loch-Ausgleich zertrampelten und die „Battle of Brookline“ am Ende mit einem Zähler Vorsprung gewannen. Oder ans Outfit des US-Teams, an die wohl hässlichsten Hemden in der Historie des Kontinentalwettbewerbs.

„Das größte Spiel seines Lebens“

Und jeder Golfer, der was auf sich hält, sollte sowieso „Das größte Spiel seines Lebens“ gesehen haben, jenes Epos um den 20-jährigen Amateur und Local Hero Francis Ouimet, der vor 109 Jahren mit seinem Caddie Eddie Lowery den aus England angereisten Golf-Großkopfeten Harry Vardon und Ted Ray die Stirn bot und in sensationeller Manier vom „Ladenhüter“ in einem Sportartikelgeschäft zum US-Open-Champion avancierte.

Exklusives Ensemble mit 1.300 Mitgliedern

Bei alldem ist „The Country Club“ eher Terra incognita im Vergleich zu Major-Schauplätzen wie Pebble Beach oder Oakmont – zuvorderst, weil das trotz seiner 1.300 Mitglieder enorm exklusive Ensemble – einer der größten Clubs im US-Osten – in der Golf-Moderne zuletzt 1988 Schauplatz einer US Open war; damals gewann Curtis Strange. Und das, obwohl der Club eins von fünf Gründungsmitgliedern des amerikanischen Golfverbands USGA ist, der damit an einen seiner Wurzelstränge zuvorkommt. Man fragt sich, warum erst jetzt wieder?

Matt Fitzpatrick und die „US Amateur“

An Qualität und Schwierigkeit des Parcours im Speckgürtel von Boston liegt es jedenfalls nicht. Für große Meisterschaften – Matt Fitzpatrick gewann hier 2013 die „US Amateur“ – wird eine gut 6.600 Meter lange Par-70-Komposition aus dem Main Course mit seinen beiden Schleifen Clyde und Squirrel und dem Neun-Loch-Platz Primrose gespielt, dessen Bahnen 1 und 2 sowie 8 und 9 drei Clyde-Löcher ersetzen und eins verlängern.

Ursprünglich freilich ging es im „Country Club“ – nomen est omen – gar nicht um Golf. Die Anlage wurde 1882 von einer Handvoll Bostoner Geschäftsleute als Hideaway für die Ostküsten-Upperclass konzipiert: Man ritt durchs Gelände, schoss auf Zielscheiben, spielte Tennis, genoss die Annehmlichkeiten eines splendiden Rückzugsorts. Elf Jahre später legte engagierte Clubmitglieder die ersten sechs Spielbahnen in die schroffe, felsige Endmoränen-Landschaft, und umgehend gab’s Knatsch zwischen Reitern und Golfern, weil jede Seite der anderen die Fläche neidete.

Unter dem ersten Pro, eine Schotten namens Willie Campbell, erfolgte bis 1899 der Ausbau auf acht Loch. Diverse Architekten legten im Lauf der Jahrzehnte Hand ans Geläuf, prominentester war Rees Jones vor der US Open 1988.

Die Story von Francis Quimet

Die fand übrigens anlässlich des 75. Jubiläums von Quimets Sieg im Country Club statt, ebenso wie die von 1963, als Julius Boros das Play-off gegen Arnold Palmer und Jacky Cupit gewann. Und als sich der Triumph des Jungen aus der Nachbarschaft zum hundertsten Mal jährte, da war’s ganz passend die US Amateur Championship. Denn Francis Quimet, der erster als Nicht-Brite Kapitän des Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews wurde, gilt als „Vater des amerikanischen Amateur-Golfsports“; sein Coup von 1913 machte Golf in den USA auf breiter Ebene populär und löste einen gesellschaftlichen Boom aus.


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Ebenso wie sein Looper Lowery, der ein erfolgreicher Unternehmer wurde, hat er sich überdies zeitlebens für die Ausbildung und den Werdegang von Caddies eingesetzt, zu denen er selbst mal gehörte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bahnen auf das Terrain gesetzt

Zurück zum Platz, wo auch im Vorfeld dieser „Offenen Amerikanischen“ ein namhafter Designer involviert war. Freilich auf spezielle Weise. Bei der Präparation des Composite Course für das Major erhielt Head-Greenkeeper Dave Johnson Unterstützung, der 36 Mitarbeiter und ein Heer von freiwilligen Helfer-Kollegen aus dem ganz Land, von Star-Architekt Gil Hanse, der seit 2007 als Berater des Clubs fungiert und über das Layout sagt: „Im Gegensatz zu vielen anderen Kursen, wo das Layout in die Topographie eingepasst wurden, wirkt es hier, als seien die Bahnen einfach auf das Terrain obendrauf gesetzt worden.“

Das Ergebnis von Johnsons und Hanses Bemühungen beschreibt Rory McIlroy als ein zweites „Bethpage Black mit den Grüns von Pebble Beach“. Will heißen: Die Fairways in Brookline sind so schmal wie die des brutal schwierigen Geläufs auf Long Island vor New York; Pebble Beach wiederum hat die kleinsten Grüns aller US-Open-Plätze. The Country Club kommt direkt danach.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Löcher 9 und 17. Ersteres, „geliehen“ vom Primrose-Kurs, ist ein 390 Meter langes Par 4, das sich am ehesten mit „Golf durchs Nadelöhr“ beschreiben lässt, zudem vor Schwierigkeiten strotzt; als probates Mittel gilt hier das lange Eisen vom Abschlag.

Die besondere Dramatik der Bahn 17

Die 17 wiederum ist das Matchplay-Loch im Zählspiel-Turnier; 341 Meter in Dogleg-Links-Form, die über Sieg oder Niederlage entscheiden können. Francis Quimet, der in der Clyde Street aufgewachsen war, die hinter dem von fünf Bunkern verteidigten Grün entlang läuft, legte hier im Stechen von 1913 den Grundstein seines Erfolgs über die englischen Golf-Größen; 1988 musste Curtis Strange auch wegen eines Drei-Putts auf der 17 ins Play-off. „Der Kurs ist ein ewig gültiger amerikanischer Klassiker und wie geschaffen für dramatische Finishs“, sagt Mark Frost, der die Story von Francis Quimet in seinem preisgekrönten Buch „The Greatest Game Ever Played“ aufgeschrieben hat.


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„Guter altmodischer US-Open-Test“

Über das allgegenwärtige Rough und die tückischen Putt-Flächen muss man bei einer US Open gar nicht reden. Sowieso wird erwartet, dass sich spätestens zum Wochenende die ersten Teilnehmer beschweren, wenn die Bedingungen noch mal anziehen. Zumal viele blinde und halbblinde Schläge abzufeuern sind. Die Tatsache, dass keiner aus dem Feld den Composite Course zuvor je gespielt hat, tut ihr Übriges. Oder wie es der zuständige USGA-Direktor John Bodenhamer formuliert: „Das wird ein guter altmodischer Test in bester US-Open-Manier.“

Das sind die Teilnehmer der US...

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