Panorama

Tiger Woods: „Charlie macht alle Schläge, ich hole nur die Putts aus dem Loch“

16. Dez. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Hype um Charlie Woods. (Foto: Instagram.com/golf_com)

Hype um Charlie Woods. (Foto: Instagram.com/golf_com)

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Was für ein Theater: Da meldet ein aufgeregter Reporter, dass Charlie Woods bei der PNC Championship 2022 von denselben Tees abschlagen soll wie John Daly, Vijay Singh oder Nelly Korda – und die (Golf-)Welt dreht durch. Woods Junior im quasi direkten Vergleich mit dem in die Jahre gekommenen Longhitter „Big John“, mit dem Trainingsmonster von den Fidschi-Inseln, zudem mit dem „Tiger Woods der LPGA-Tour“? Ein 13-Jähriger auf dem Abschlag für Senioren um die 50 und Top-Proetten? Wow!

Und es stimmt nicht mal.

In derselben Teebox wie Bernhard Langer

Lasst ihn Kind sein“, hatte Papa Woods vor wenigen Tagen noch öffentlichkeitswirksam plädiert, um seinen Filius vor eben jener Öffentlichkeit zu bewahren, die Charlie schon als künftigen PGA-Tour-Gewinner handelt und übers Jahr seines ersten Masters-Siegs spekuliert. Das Turnierkomitee hat den besorgten Vater quasi erhört und schickt den hoffnungsvollen Nachwuchs wieder auf den roten Abschlag, wie schon in den beiden Jahren zuvor – in die Teebox, aus der beispielsweise Bernhard Langer, Justin Thomas’ Vater Mike oder etwa Annika Sörenstam abschlagen und von wo sich der Platz heuer eh rund 270 Meter länger spielt als bisher. „13 Jahre sind 13 Jahre: Wir wollen Talente wie Charlie nicht dafür bestrafen, dass sie für ihr Alter schon überdurchschnittlich gut sind“, sagt Joe Terry, Chef-Referee der PGA Tour. Und „Golf Channel“-Mann Todd Lewis musste sich flugs korrigieren:

5.899 statt 6.175 Meter also, was laut gängiger Faustformel einer Schlaglänge von fast 170 Metern mit dem Fünfer-Eisen entspricht – immer noch ein Brett für einen 13-Jährigen. Selbst wenn der es auf ein Schwungtempo von 188,2 Stundenkilometer bringt und damit seinen Vater gelegentlich bereits kurz lässt, wie Tiger während der Hero World Challenge bekannte: „Ich habe dem Ball zu viel Spin mitgegeben, während er richtig einen rausgehauen hat. Damit hatte er mich.“ Über 18 Loch hat Woods Senior zwar weiterhin die Nase vorn, „aber es wird unweigerlich kommen, dass Charlie mich besiegt“.

 

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Das diesjährige Familienturnier über den Lakes Course des Ritz-Carlton Golf Club in Orlando, zum 25. Mal ausgetragen, zeigt einmal mehr, welcher Hype um „Little Cat“ kreist. Klar, jeder will sehen, wie sich der 15-fache Majorsieger schlägt, der in diesem Jahr gerade mal neun Turnierrunden und ein paar Gimmick-Löcher gespielt hat, immer noch heftig humpelt und dankbar ist, dass die PNC Championship bei den PGA Tour Champions gelistet ist, womit die Nutzung eines Cart keine Extrawurst, sondern per Reglement generell erlaubt ist.

„Womit füttern sie dieses Kind?“

Aber Charlie Woods ist der wahre Hingucker, seine Entwicklung fasziniert, die Erwartungshaltung steigt. „Womit füttern sie dieses Kind?“, fragte ein Twitter-User, als während der Hero World Challenge Fotos des Teenagers auftauchten, der mit seinem gastgebenden Vater im Cart saß und ganz offenkundig seit vergangenem Dezember deutlich zugelegt hat. Padraig Harrington bringt es auf den Punkt, wenn er der PNC attestiert: „Dies ist das erste Turnier, an dem ich je teilgenommen habe, bei dem nicht Tiger der Star der Show ist.“

Mehr als verständlich, dass Woods den Sprössling vor dem Rampenlicht abschirmen, ihn weitgehend aus dem Fokus nehmen will. Doch dann wiederum richtet er selbst den Scheinwerfer der Schlagzeilenlust auf sein „Tiger-Junges“, beispielsweise mit eigentlich coolen Sprüchen wie: „Charlie macht alle Schläge und ich hole bloß die Putts aus dem Loch.“

 

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Oder wenn er seinem Sohn empfiehlt, nicht mehr den Schwung des Vaters zum Maßstab zu nehmen, sondern sich was bei Rory McIlroy abzugucken: „Hast Du jemals gesehen, dass Rory bei einem Schlag die Balance verliert? Nein, niemals! Du kannst so schnell und so hart schwingen, wie Du willst, aber Du darfst nie das Gleichgewicht verlieren.“

McIlroy „extrem geschmeichelt“

Postwendend fühlte sich der nordirische Weltranglisten-Erste „extrem geschmeichelt, dass der beste Spieler aller Zeiten seinem Sohn rät, so zu schwingen wie ich“. So was ist gefundenes Fressen für jedwede Golfmedien, und keiner will die Stories nicht haben.

 

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Da ist sie wieder, die Woods’sche Ambivalenz. Er selbst schwankt zwischen Aufhören und der Jagd auf den 16. Majortitel und mäandert beim Junior zwischen väterlicher Fürsorge und sportlichem Anspruch. Er will Charlie schützen, weil der „bei allem was er tut einfach nur Spaß haben“ soll; andererseits drillt er ihn mit mentalen Spielchen wie es Earl Woods mit dem jungen Tiger getan hat.

 

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„Ich unterstütze ihn [Charlie]bei allem, was er machen möchte, und versuche natürlich, dafür alles möglich zu machen. Als Eltern ist es unsere Aufgabe und Verantwortung, ihm jedwede Möglichkeiten zu eröffnen und dabei Unterstützung zu leisten. Es ist natürlich erst recht toll, dass er eine Leidenschaft für etwas entwickelt hat, das mir Spaß macht.“

Tiger Woods


Bei dem sollte ebenfalls niemand „in den Kopf kommen“ – es machte aus Woods einen einsamen, misstrauischen, verschlossenen, entrückten und polarisierenden Menschen, der eine Katharsis aus Verletzungen, Skandalen, Operationen, Unfällen und mehrfach drohendem Karriereende durchlaufen musste, um der tolle Typ zu werden, den man heute auf und neben den Fairways erlebt.

Nun werden wohlmeinende Gemüter sagen, dass Tiger nicht Earl und Ex-Armee-Schleifer ist; dass er kein Sportvater ist, der sich selbst und seine womöglich verpasste Chancen beim Nachwuchs verwirklichen will; dass er Charlie gegen die öffentlichen Übergriffigkeiten sogar wappnen muss, denen ein sportlich hochbegabter Sohn – Golfer zumal – mit dem Nachnamen Woods zwangsläufig ausgesetzt ist und sein wird. Ja, akzeptiert, auch da ist zweifelsfrei was dran.

Daddy-Caddie in die Pfanne gehauen

Und Charlie ist eh ein Pfiffikus, der mit alldem gut klar zu kommen scheint. Der Bursche hat Chuzpe, man freut sich schon auf die Fortsetzung der Frotzeleien mit dem „großen Bruder“ Justin Thomas, wenn Team Woods morgen mit Team Thomas unterwegs ist. In einem Interview hat er übrigens neulich sogar seinen Dad in die Pfanne gehauen. Auf die Frage nach den Caddie-Qualitäten von Woods Senior ließ Charlie raus: „Er hat ein paar Mal vergessen, mir meinen Putter zu reichen. Das sagt schon alles.“

 

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Schön eingeschenkt. Sei’s drum, eins steht jedenfalls fest: Jay und Bill Haas oder die beiden Stadlers hin, die aufstrebenden Ableger von Henrik Stenson, Lee Westwood und Ian Poulter her – kein Vater-Sohn-Duo die Golfwelt so bewegt und förmlich in Ekstase versetzt wie Tiger und Charlie Woods, seit Tom Morris Jr. sich angeschickt hat, die sportlichen Fußstapfen seines „Übervaters“ Old Tom gar noch zu erweitern. „Charlie ist ein großartiger Bursche und ein großartiger junger Golfer“, sagt Rory McIlroy. „Wir sind alle gespannt darauf, seine Entwicklung zu verfolgen und zu sehen, wie weit er kommen kann.“

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