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Ryder Cup-Rezept: Reifeprüfungen für den Nachwuchs und Wildcard-„Full House“

30. Sep. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Braucht das Team Europa eine Verjüngungskur nach dem desaströsen Ryder Cup in Whistling Straits (Foto: Getty)

Braucht das Team Europa eine Verjüngungskur nach dem desaströsen Ryder Cup in Whistling Straits (Foto: Getty)

Roma Eterna: Nur gut, dass die Ewige Stadt bloß rund 20 Kilometer entfernt ist, wenn Europa in zwei Jahren im Marco Simone Golf & Country Club den 44. Ryder Cup austrägt. Die Blau-Goldenen bedürfen wahrhaft jedweder, selbst spiritueller Hilfe, um bis auf Weiteres im Kontinentalwettbewerb wenigstens einigermaßen mithalten zu können. Dieses 9:19 von Whistling Straits war beileibe kein übler Unfall, vielmehr der Beginn einer neuen amerikanischen Ära, nachdem die Golfer aus der Neuen Welt 1995 und 2018 neun von elf Duellen verloren haben.

Routine ist kein Vorteil

Rory McIlroy hat recht, wenn er sagt: „Mit solchen Typen im Team werden sie ein beeindruckender Gegner sein, solange ich noch Ryder Cup spiele – was hoffentlich die nächsten 20 Jahre der Fall sein wird.“ Damit ist das Zeitfenster gesetzt, und niemand sollte sich was vormachen: Whistling Straits war ein Vorgeschmack auf das, was kommt; gelegentliche Erfolge werden die Ausnahme von der Regel sein. Dustin Johnson, Collin Morikawa und Co. spielten ihre Kontrahenten in Grund und bestätigten ganz nebenbei einmal mehr, dass Ryder-Cup-Routine kein Vorteil ist.

Mit zusammengenommen gerade Mal zwölf Kontinentalwettbewerben in den persönlichen Lebensläufen war Steve Strickers Dutzend das unerfahrenste US-Team seit Valhalla 1997. Überhaupt obsiegten in den vergangenen sechs Begegnungen stets die Aufgebote mit der geringsten Erfahrung. Europas Kapitän Padraig Harrington setzte auf die Veteranen – und verlor. Sein Ensemble war das routinierteste seit 1995 – was zu beweisen war.

Generationswechsel bringt bittere Pillen mit sich

Auf der anderen Seite fuhren die sechs US-Rookies eine Bilanz von 14 Match-Erfolgen, vier abgegebenen Partien und drei Unentschieden ein. Drei von ihnen – Collin Morikawa, Patrick Cantlay und Scottie Scheffler – blieben überdies unbesiegt. Wie sagte Stricker-Assistent Davis Love III so treffend: „Je jünger sie sind, desto besser spielen sie.“

Niederlage sind keine Schande, schlimm ist nur, wenn daraus keine Lehren gezogen werden. Es liegt auf der Hand: Europa braucht eine spielerische Verjüngungskur! Keine Frage. Doch jedem muss gleichermaßen klar sein, dass damit weitere bittere Pillen verbunden sind. Wer davon träumt, dass bloße Jugend allein schon in zwei Jahren das Blatt wieder wendet, dem droht beim „Italien Job“ ein böses Erwachen.

Verjüngung allein wird nicht reichen

Guido Migliozzi, die Højgaard-Brüder, Bob MacIntyre, Sam Horsfield, Matthias Schmid und wie sie alle heißen werden Kanonenfutter für ein US-Kontingent sein, die in Italien erwartbar ähnlich stark auf- und abschlägt. Zur Erinnerung: Zwei Drittel der Sieger rangieren in den Top-Zwölf der Weltrangliste. Und hinter dem „Schlechtesten“, Scottie Scheffler als Nummer 21, warten weitere „Young Guns“ auf ihre Chance: Sam Burns (25. der Welt), Will Zalatoris (32.), Matthew Wolff (47.), Cameron Champ (72.), Maverick McNealy (76.). Und Max Homa (31.) beispielsweise ist auch erst 30 Jahre alt. Was für eine „Ersatzbank“!

Europas junge Garde hingegen wird angeführt vom 25-jährige MacIntyre, Nummer 54 der Welt. Migliozzi ist 67., Rasmus Hojgaard 84., Horsfield 108., Schmid 299. Bei allem Respekt: Verjüngung allein reicht nicht, um das blau-goldene A-Aufgebot gegen die US-Dominanz zu rüsten. Schon gar nicht bis und für 2023.

Harter Schnitt und bewusstes Tal der Tränen

Ja, der Generationswechsel muss her. Und womöglich ein harter Schnitt: Lasst die Veteranen sich auf ihrem hart erkämpften Lorbeer ausruhen, gebt der Jugend eine Chance. Vielleicht als kompletter Neubeginn rund um die verbliebenen verlässlichen Leistungsträger wie Jon Rahm und den künftigen Team-Senior Rory McIlroy, so der Nordire irgendwann denn mal wieder mehr ist als ein Schatten seiner selbst.

Aber dann muss der im kommenden Januar zu kürende Kapitän – Lee Westwood vermutlich, wenngleich der das gerade etwas heruntergespielt hat – auch den Mut haben, auf dem Papier bei Null anzufangen. Selbst, wenn sich das erst 2027 beim Heimspiel in Adare Manor auszahlen sollte. Besser bewusst durch ein Tal der Tränen zu wandern als vom Gegner in Abgründe versenkt zu werden.

Aktuelle Spielstärke stärker berücksichtigen

Die Skipper der Zukunft brauchen mindestens ein „Full House“ an Wildcards, eher mehr. Sie sollten aktuelle Spielstärke berücksichtigen können, ohne das Team schon zur Hälfte mit Akteuren gefüllt zu haben, deren punktewirksame Frühform sich im Spätsommer längst verflüchtigt hat.

Was nicht minder entscheidend ist: Die European Tour muss unbedingt für Reifeprüfungen sorgen, wie sie aus anderen Sportarten hinlänglich bekannt sind, für Vorbereitungsturniere. Der blau-goldene Nachwuchs darf nicht darauf angewiesen sein, sich erst beim Ryder Cup für den Ryder Cup zu festigen. Nur die wenigsten sind durchs Stahlbad von NCAA Championships oder großen Amateurmeisterschaften gegangen wie ihre amerikanischen Pendants. Der erfrischende Auftritt des Norwegers Viktor Hovland belegt in bestechender Weise, wie wertvoll so eine Schule ist.

„Übungsformate“ müssen reanimiert werden

Diesjährige US-Debütanten wie Morikawa, Schauffele oder Scheffler kamen quasi als fertige Spieler und als „Mental-Monster“ auf die PGA Tour und fassten nicht zuletzt deswegen so schnell und erfolgreich Fuß. Überdies haben sie den Presidents Cup zur Beziehungsbildung – siehe das Duo Scheffler/Patrick Cantlay, das bereits im Dezember 2019 in Australien gegen den Rest der Welt reüssierte.

Die Formate sind vorhanden, freilich im Lauf der Jahre eingeschlafen und:wäre zu reanimieren: Die Seve Trophy und die Royal Trophy, der EurAsia Cup. Hier könnte sich der Nachwuchs bewähren, ohne im gleißend-glühenden Rampenlicht eines Ryder Cup zu stehen; die Delegationsleiter könnten Matchplay- und Team-Tauglichkeit testen, sondieren, sortieren. Paul McGinley, der siegreiche Kapitän von Gleneagles 2014, hat mehr als einmal ausgeführt, wie wichtig derlei Erkenntnisse für seine Vorbereitung gewesen sind.

Tiger Woods: „Macht sie platt!“

Den Verantwortlichen in Wentworth sollte der System- und Strukturwandel jeden Cent wert sein. Auf dass nicht zum Schrecken ohne Ende wird, was Tiger Woods den Seinen vor den Einzeln von Whistling Straits per Textnachricht mitgegeben hat: „Macht sie platt!“

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