Die Würfel sind gefallen, und sie fielen nahezu wie erwartet: Luke Donald beginnt im Rom-Raster und schickt Jon Rahm und Tyrrell Hatton als Erste in diese 45. Ryder Cup Matches, sein Gegenüber Keegan Bradley setzt auf den Energiebolzen Bryson DeChambeau, der mit dem nicht minder temperamentvollen Justin Thomas wohl einen ziemlich kongenialen Partner gefunden hat. Die beiden haben selbst gestern noch Alternate Shots mit den Bällen des jeweils anderen geübt – was bei DeChambeaus spezieller Murmel enorm wichtig ist, die sich seiner hohen Schwunggeschwindigkeit mit niedriger Flugbahn und wenig Spin anpasst – und sollen heute direkt im ersten Match die Fans am Rand von Bethpage Black zum Ausflippen animieren, die Stimmung im Schnellverfahren zum Kochen bringen und damit die Tonalität für das gesamte Kontinentalduell in der Höhle des amerikanischen Löwen setzen. Dafür verbannt „Captain Keegs“ sogar die nominelle Nummer eins ins Match Nummer zwei: Scottie Scheffler tritt mit Rookie Russell Henley an, auch das war abzusehen.
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Der Titelverteidiger aus Europa hält mit einem bewährten Ensemble dagegen. Jon Rahm und Tyrrell Hatton, die beiden LIV’ler, dürfen spätestens seit 2023 als nicht minder kongenial gelten, gewannen sie doch im Marco Simone Country Club beide Foursomes. Jetzt treten sie überdies gewissermaßen als Löschtrupp an, um die von Brandstifter Bryson entfachte Stimmung abzufedern und idealerweise etwas einzudämmen. Auch Rory McIlroy und Tommy Fleetwood galten als gesetzt, die vor zwei Jahren ebenfalls den Alternate-Shot-Modus dominierten und es nun im dritten Match mit Harris English und Collin Morikawa zu tun bekommen, eine zumindest auf dem Papier sehr eindeutige Konstellation zugunsten von Blau-Gold. Drumherum hat Europas Skipper ein bisschen gemischt, sogar das skandinavische Dream Team Ludvig Åberg/Viktor Hovland temporär getrennt und den Schweden mit Matt Fitzpatrick (gegen Henley/Scheffler) beziehungsweise den Norweger Bob MacIntyre (gegen Patrick Cantlay/Xander Schauffele) kombiniert. Das ist der Konfiguration des schwarzen Kurses geschuldet, für den es Länge und große Schlag-Fertigkeit aka Shot Making gleichermaßen braucht.
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Damit wäre das geklärt. Bleibt nur noch die Frage, ob Bryson DeChambeau wirklich vom neuen, etwas nach vorn versetzten ersten Tee das Grün des Dogleg-rechts angreift? Die Freigabe von Bradley hat er jedenfalls. Spätestens dann würde die Stimmung explodieren. Aber vielleicht spart er sich das auch für den Vierball auf, wo der Partner einen Misshit wenigstens rausreißen kann.
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Rory McIlroy, ein wahrer Leader of the Gang
Vorbild, Führungsspieler, Vaterfigur: Er schleppt Travelbags, richtet Haare, bindet Krawatten, sprüht vor guter Laune und beherrscht gleichzeitig den Spagat des ernsthaften Auftritts – Rory McIlroy ist im „People’s Country Club“ von Bethpage Black ein wahrer Leader of the Gang. Diese Impressionen belegen das:
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Ab heute soll der fünffache Majorsieger, Karriere-Grand-Slammer und Weltranglistenerste auch auf dem Platz vorangehen, um die wohl erfolgreichste Saison seiner Karriere perfekt zu machen.
Bryson DeChambeau, der MAGA-Mann
Der Ryder Cup bietet ein einzigartiges Szenario: Bryson DeChambeaus Persönlichkeit – diese Mischung aus Possenreißerei, Theatralik, Showtalent und einfach Attitüde – ist wie geschaffen für diese Woche von Bethpage Black. Der unbestritten grandioseste Wettbewerb des Golfsports bietet dem 32-jährigen LIV-Star und Teilzeit-Youtuber die Möglichkeit, sich ganz ungeniert als erstklassiger Golfer, hochkarätiger Schauspieler und publikumswirksamer Rockstar zu präsentieren.
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Das könnte zur Erfolgsformel für die US-Equipe werden, und selbst mit dem Blick durch die blau-goldene europäische Brille müsste man dem Rollenverständnis von BDC Respekt zollen – wenn da nicht diese offen ausgelebte Sympathie für den erratisch-autokratischen First Golfer im Weißen Haus wäre. Schon bei der Inthronisierung von Donald Trump als 47. US-Präsident hofierte DeChambeau den Republikaner auf offener Bühne – mit einer MAGA-Kappe in Schwarz, dem Insignium des ultrarechten Flügels. Zuvor hatte er ihn bereits auf Youtube promotet. Und dieser Tage beschwor er beredt – wie unangenehm! – die inspirierende Wirkung von Trumps für heute geplantem Besuch, der vor allem eins bringen wird: Chaos. Und Trump’sche Selbstinszenierung. Das wird ein unangenehmer Wermutstropfen im sportlichen Freudenbecher, den diese 45. Ryder Cup Matches versprechen.
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Knappe Kiste: Europa beim Ryder Cup vorn
Zahlenspiele vor dem Ryder Cup: Europas Golfstars und die Asse der USA haben sich seit 1979 in 588 Matches gegenübergestanden. Und Europa führt mit 295,5 zu 292,5. Eine wahrlich knappe Kiste, die nun auf dem Black Course des Bethpage State Park vor New York erneut zur Disposition steht. Zum offiziell 45. Mal seit 1927 geht es um den kleinen goldenen Henkelmann. Die USA gewannen das Debüt in Worcester/Massachusetts und in den folgenden Jahrzehnten weitere 17 von 20 Durchgängen gegen das anfänglich rein britische und ab 1973 durch irische Professionals verstärkte europäische Team. Erst als 1979, nicht zuletzt durch die Fürsprache von Jack Nicklaus, auch Festlandeuropa Spieler entsenden durfte, änderte sich allmählich das Bild. Unter Kapitän Tony Jacklin gewann die europäische Equipe 1985 im englischen The Belfry, es war die erste US-Niederlage seit 1957. Bis 2023 kamen elf weitere Siege und ein dank Unentschieden behaltener Pokal dazu, die USA brachten es „nur noch“ auf neun Erfolge.
Beim Blick auf die beiden Bataillone für Bethpage Black ergibt sich indes ein hauchdünner Nachteil für den Titelverteidiger: Die zwölf europäischen Akteure haben in der Vergangenheit 53,5 Prozent ihrer möglichen Punkte eingefahren, bei Keegan Bradleys Bande sind es 53,6 Prozent. In konkreten Zahlen bedeutet das für die Spieler des US-Teams insgesamt 26 Siege, 22 Niederlagen und 8 Unentschieden. Bei Luke Donalds Dutzend lautet die bisherige Ryder-Cup-Bilanz in Summe 59:50:19. Die Saisonbilanz der Spieler beider Teams fällt hingegen deutlicher zugunsten der Amerikaner aus:
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Earl Woods und die verlorene Männlichkeit auf Bethpage Black
Achtung, Anekdote: Nachdem schon von Tiger Woods als „Kapitän in der Kulisse“ die Rede war, soll auch dessen 2006 verstorbener Vater Earl Woods im Zusammenhang mit Bethpage Black zu Wort kommen, postum sozusagen. „Der Platz nahm mir meine Männlichkeit, meinen Stolz, alles!“, hat der einstige Green Beret mal über seine erste Runde auf dem heutigen Ryder-Cup-Platz erzählt. Das war 1971, weit vor der Renovierung anlässlich der US Open 2002; Woods Senior war damals als 41-jähriger Oberstleutnant der Special Forces in Fort Hamilton in Brooklyn stationiert. „Ich bin rausgegangen, weil ich übermütig war und sehen wollte, was ich auf einem großen Platz leisten kann. Aber die Bahnen von Bethpage Black haben mich regelrecht gekillt. Irgendwann habe ich einfach aufgehört zu spielen, mich unter einen Baum gelegt, die Atmosphäre genossen und mir gesagt: Ich bin zwar völlig fertig, aber es ist ein wunderschöner Ort. Anschließend habe ich mich zum Klubhaus und in die Bar geschleppt und erstmal ein großes Bier bestellt.“
Team Europe: „Schutzräume“ für Partnerinnen und Familien?
Ernsthafte Warnung: Dass die New Yorker Fans für ausuferndes Verhalten berüchtigt sind, muss an dieser Stelle nicht erneut dekliniert werden. Im europäischen Lage ist man jedenfalls übervorsichtig. Die Eltern von Matt Fitzpatrick beispielsweise bleiben gleich ganz weg, und einige Kenner der Szene haben die Partnerinnen der Spieler explizit davor gewarnt, sich auf dem Platz sehen zu lassen und sich den Schmähungen der US-Fans auszusetzen. Ex-Ryder-Cupper Andrew Coltart beispielsweise erinnert sich noch gut an Brookline 1999, als „einige Ehefrauen und Freundinnen regelrecht beschimpft wurden. Es waren abfällige Bemerkungen, wie man sie leider von einer Gruppe von Männern erwarten kann, die wahrscheinlich zu viel getrunken hatten“. Der Schotte plädiert daher, das Geschehen im „The People’s Country Club“ besser von einem geschützten Raum aus zu verfolgen: „Ich weiß, dass sie das nicht wollen, sondern lieben draußen sind, um die Jungs live zu unterstützen, aber es könnte sehr unangenehm werden. Als Spieler kann man mit solchen Dingen umgehen, aber niemand möchte, dass seine Frau oder Partnerin beschimpft wird.“
US-Kapitän Keegan Bradley hatte am Dienstag noch mal an die Fairness der Fans appelliert. „Ich habe vollstes Vertrauen in die Fans aus New York, dass sie ihre Mannschaft stolz und lautstark anfeuern werden“, sagte der 39-Jährige. „Ich möchte aber nicht, dass sie dabei zu weit gehen und etwas tun, was den Spielverlauf beeinflussen könnte.“ Bradley bekräftigte, dass auf dem Gelände von Bethpage Black vermehrt Sicherheitskräfte unterwegs sein werden, um gegebenenfalls für Ordnung zu sorgen: „Für uns als Gastgeber haben faire Bedingungen für beide Teams Priorität. Es wird auch so schwierig genug.“ Coltart bezweifelt allerdings, dass die verstärkten Kontrollen wirken: „Weder Ordner noch Sicherheitskräfte werden Ausfälligkeiten verhindern können.“
So werden Ryder-Cup-Helden gemacht
Zum Schluss: The Making of … So werden Ryder-Cup-Helden gemacht – jedenfalls, wenn man sich einen modellieren dürfte. Na klar, dass für Europa Rory McIlroy dabei herauskommt:
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Den Ryder Cup auswärts zu gewinnen, gehöre zu den größten Erfolgen in der Karriere eines Golfprofis, hat der Nordire 2023 im Rausch von Rom zum x-ten Mal postuliert. Damals fügte er an: „Und genau das werden wir in Bethpage Black erledigen.“ Na dann, auf geht’s. Go Europe!
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