Back Nine

Makelloser Morikawa: Champion Golfer unterlief nur ein winziger Schnitzer

19. Jul. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Collin Morikawas fabelhafte Vorstellung bei dieser 149. Open Championship. (Foto: Getty)

Collin Morikawas fabelhafte Vorstellung bei dieser 149. Open Championship. (Foto: Getty)

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Superber Sonntag: Wo soll man beginnen, um Collin Morikawas fabelhafte Vorstellung bei dieser 149. Open Championship noch mal zu würdigen. Bei der fehlerfreien Finalrunde des 24-jährigen Debütanten, der 2020 schon die PGA Championship als Rookie gewonnen hat? Bei seiner beeindruckenden und berührenden Siegerrede, die er mit empathischen Worten an „Low Amateur“ Matthias Schmid begann und so souverän fortsetzte, als habe er schon zig-mal in einer solch aufregenden Situation vor dem Mikro gestanden?

Jedenfalls: Sein Golfspiel gestern hatte was von einer „Clinic“, es war eine Demonstration der hohen Kunst des „Ball Striking“, und Morikawa brachte es damit an der Küste von Kent auf Bogey-freie 31 Löcher in Folge – die drittlängste Serie, die bis zum 72. Loch je von einem Majorsieger gespielt wurde. Während die ärgsten Widersacher Louis Oosthuizen und Jordan Spieth anfangs nicht recht in Fahrt kamen und sogar strauchelten, erst spät die Jagd auf den längst führenden Kalifornier eröffneten, ließ ihnen Morikawa bei seiner 66er-Runde dennoch nicht den Hauch einer Chance. Sein Rezept war relativ schlicht: „Konzentrier dich nicht aufs Ergebnis, sondern auf jeden einzelnen Schlag.“ Und: „Spiel das Spiel, das dir vom Platz und von den Umständen vorgegeben wird.“ Hört sich so einfach an …

Die Statistik der PGA Tour weist den einstigen Amateur-Weltranglisten-Ersten mit japanisch-chinesischen Wurzeln, der 2019 nach Abschluss seines Betriebswirtschaft-Studiums ins Profilager gewechselt war, als weltbesten Spieler vom Tee zum Grün aus. Und das wurde aus berufenem Mund bestätigt. „Er trat hier die ganze Woche über genau so auf“, bestätigte Sir Nick Faldo, der als dreimaliger Champion Golfer of the Year genau weiß, wie’s bei einer Open geht: „Du musst deinen Ballflug kontrollieren, sehr smart deine Optionen für die Landezonen sowie auf den Fairways abwägen und genau wissen, welche Fahnenpositionen du attackieren kannst und wo du besser auf Sicherheit spielst.“

So bleibt zum Schluss nur die Anmerkung, dass dem makellosen Morikawa dennoch ein winziger Schnitzer unterlaufen ist. In seiner Siegerrede sprach er in typisch amerikanischem Sprachgebrauch von der „British Open“, was die Granden des R&A und etliche Fans ein bisschen die Augenbrauen hochziehen ließ. Aber da hatte Morikawa die Claret Jug längst in der Hand, und das kam für ihn sicher nicht ganz so überraschend wie es „Golf.com“ in Anspielung auf den Fauxpas mit dem Deckel der Wanamaker Trophy bei der PGA-Championship-Siegerehrung in dieser Fotomontage darstellt:

Jordan Spieth: Wieder gut genug für neuerlichen Majorsieg

Knapp daneben: Es wäre die Krönung des Comebacks nach einer langen, durch Schwungprobleme bedingten Durstrecke gewesen, so wie Tiger Woods 2018/2019 seine Rückkehr vom kaputten Rücken zuerst mit dem Gewinn der Tour Championship und dann mit dem Masters-Triumph besiegelt hat. Doch Jordan Spieth („Ich liebe Linksgolf“) lief am Sonntag auf Royal St. George’s zu spät zur Hochform auf, nachdem er mit dem Eagle auf Loch 7 erst mal seine beiden anfänglichen Bogeys ausgleichen musste.

Angesichts der zwei Schläge Rückstand auf Collin Morikawa dürften dem 27-jährigen Texaner überdies seine beiden Schlagverluste auf den Schlusslöchern der dritten Runde bitter aufgestoßen sein, zuvorderst der nachlässig verschobene 60-Zentimeter-Putt auf dem 18. Grün. Entsprechend enttäuscht war Spieth gestern Abend, denn „ich habe definitiv gut genug gespielt, um mein viertes Major zu gewinnen – und das Gefühl hatte ich lange nicht mehr. Allerdings habe ich mir auch ein paar dämliche Fehler geleistet.“ Wenig Trost spendete da der Rekord, mit 267 Schlägen zu den besten Zweitplatzierten einer Open zu gehören – eine Marke, die Phil Mickelson seit seiner 2016er-Niederlage gegen Henrik Stenson bislang allein gehalten hat.

Oosthuizen konnte schnell wieder scherzen

Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Die Negativserie hält, Louis Oosthuizen hatte schon wieder die Hand ganz dicht am zweiten Majorsieg nach St. Andrews 2010 und konnte dennoch nicht zupacken. Bereits nach der PGA Championship 2017 hatte er sich selbstironisch den „Karriere-Grand-Slam an zweiten Plätzen“ zugesprochen:

Auch gestern war der 38-jährige Südafrikaner, der als Führender in den Open-Sonntag gegangen war, ein paar Stunden nach seinem dritten Platz bei allem Frust doch wieder zu Späßen aufgelegt, als er Collin Morikawa via Twitter gratulierte und versuchte, die Einzigartigkeit („second to none“) der Open-Fans noch zu steigern („or third“), wenngleich diese Variante nicht existiert:

Und übrigens: Tatsächlich hat sich die gestern erwähnte Statistik bewahrheitet, dass es in einem Golfjahr noch nie vier Majorsieger von vier unterschiedlichen Kontinenten gegeben hat …

Royal St. George’s: Moderner denn je

Der Platz als Star: Es waren vergleichsweise friedliche Bedingungen bei dieser 149. Open Championship – nichts von dem war im Spiel, was Linksgolf derart gefürchtet machen kann. So glänzten gerade am Sonntag Collin Morikawa auf dem Weg zum Champion Golfer of the Year und Royal St. George’s um die Wette; und man wundert sich angesichts von leuchtend farbig blühendem Festuca-Gras im Hard-Rough unter sonnigem Himmel und einer lauen Brise, wie Altmeister Bernhard Langer darauf kommt, den Kurs an der Küste von Kent vor etlichen Tagen in einem Talk für Sponsor Mercedes als unfairsten Parcours der Rota zu bezeichnen. Die Falten und Runzeln der extrem ondulierten Fairways, die tiefen Pottbunker mit den hohen Kanten in Spielrichtung und die Achterbahn-Slopes auf den Grüns können es nicht gewesen sein: Das ist nun mal Linksgolf in Reinform – so soll es ja auch sein beim weltältesten Major –, serviert überdies in exzellenter Parcours-Präparation.

Auch dass allenthalben von „quirky“ (schrullig) die Rede war, wenn amerikanische Medien über den Schauplatz schrieben, ist kaum nachvollziehbar: Eleganter und hinreißender als Royal St. George’s geht Linksgolf kaum. Schrullig ist allenfalls Head-Greenkeeper Paul Larson, aber eher eine Type und ganz offenkundig ein Meister seines Fachs.

Komplett unverständlich allerdings ist, wenn eine deutsche Tageszeitung im Vorfeld schreibt, der Platz wirke wie aus der Zeit gefallen. Gegenfrage: Welche Zeiten haben wir denn aktuell? Ganz sicher keine mehr, in denen überdüngte, von Wassermassen förmlich geflutete und artifizielle, nicht in die Landschaft passende Spielstätten das Bild und das Image von Golfkursen bestimmen, die das Grundwasser mit Rückständen von Dünger und Unkrautvernichtern versauen und als Rückzugsräume der Artenvielfalt nicht taugen.

Kurse wie Royal St. George’s sind vielmehr das Maß der Dinge und als Teil der genuinen Landschaft mit genügsamen Gräsern und naturbelassenen Bereichen moderner denn je. Sie erst verleihen dem flächenintensiven Golfsport eine Legitimation zu Zeiten, in denen tagtäglich die unabdingbare Notwendigkeit von Klimaschutz, Umwelterhalt und Nachhaltigkeit – teils auf schreckliche Art und Weise – offenkundig wird! Das musste jetzt mal gesagt werden.

DeChambeau: „Besser auf eine Open vorbereiten“

Späte Einsicht: Vor dieser 149. Open Championship hat sich „Holz-Hulk“ Bryson DeChambeau gefragt, wie sich seine neue Schlaglänge und Linksgolf wohl „vertragen“ würden. Drei Tage brauchte er, um sich auf die ungewohnten Bedingungen einzuschießen; gestern gelang dem 27-Jährigen dann nach Runden von 71, 70 und 72 mit einer 65 (-5) endlich einen Top-Score, der ihm zumindest den geteilten 33. Platz bescherte. Ziemlich folgerichtig kam „BDC“ anschließend zu der naheliegenden Erkenntnis, dass „ich kommendes Jahr auf jeden Fall die Scottish Open spiele, um mich besser auf die 150. Open in St. Andrews vorzubereiten“. Wie vorteilhaft eine solche Präparation sein kann, zeigte zuvorderst Collin Morikawa, der im Renaissance Club an der schottischen Ostküste die ersten vier Linksgolf-Runden seines Lebens absolvierte – mit bekanntem Ausgang. „Ich habe halt mein ganzes Leben lang amerikanisches Golf gespielt und bin mit Linksgolf nicht vertraut“, gab DeChambeau zu Protokoll. „Jetzt verstehe ich etwas besser, wie man eine Open Championship spielen muss.“

Kisner gab Gas: Finalrunde in 150 Minuten

Tempomacher: Kevin Kisner gilt generell als einer der schnellsten Spieler auf der PGA Tour und ist allein schon deswegen ein beliebter Flightpartner. Am Finaltag der Open Championship lieferte der 37-jährige Profi aus South Carolina eine erneute Kostprobe seiner „Tempohärte“. Kisner eröffnete den Sonntag wegen des ungeraden Teilnehmerfelds als One-Man-Show, spielte aufgrund des Corona-Sicherheitskonzepts ohne Marker und umrundete Royal St. George’s in exakt 150 Minuten. Er brachte dabei sogar mit einer 68 sogar seine beste Runde der Woche ins Clubhaus, wo der erste Zweierflight des Tages, bestehend aus Richard Mansell und Poom Saksansin, erst eine Stunde später eintraf.

Zeigt her Eure … Frisuren

Haarige Angelegenheit: Kopfputz ist normalerweise stets ein Thema beim Galopprennen im englischen Ascot, wenn’s um ausgefallene bis gewagte Hüte geht. Aber auch in Royal St. George’s gab’s obenrum einiges zu sehen – dank Marcel Siems Herren-Dutt, Head-Greenkeeper Paul Larsens Rockstar-Frise, Tommy Fleetwoods dichter Matte oder Cameron Smiths Vokuhila-Flusen.

Trump lamentiert über Pause für Turnberry

Wortmeldung: Ex-US-Präsident Donald Trump hat sich während der Open Championship in Royal St. George’s in einem offenen Brief darüber beklagt, dass der R&A bei der Vergabe von Open Championships derzeit Trumps schottisches Turnberry-Resort außen vor lässt. „Es ist eine Schande, dass die phänomenalen Turnberry Golf Links, die besten der Welt, leer stehen, während weitaus weniger gute Plätze berücksichtig werden“, schrieb „The Donald“. „Dieser großartige Platz wird nur deswegen nicht ausgewählt, weil sie einen wunderbaren Menschen und vielfachen Club-Champion namens Donald J. Trump für zu umstritten halten.“ Stimmt: Turnberry ist ein grandioser Platz, bloß sein Besitzer ist beim R&A zurecht Persona non grata. Und deswegen sind für das weltälteste Major nach dem 150. Jubiläum auf dem Old Course von St. Andrews im kommenden Jahr erstmal Royal Liverpool (2023) und Royal Troon (2024) auf der Liste, da kann Trump noch so sehr über Fake News bezüglich seines Leumunds lamentieren.

Eine kleine Flagge der Hoffnung

Zum Schluss: Am kommenden Mittwoch, 21. Juli, würde Robin Williams seinen 70. Geburtstag feiern. Der große Hollywood-Mime, dessen Komik oft Fassade für Melancholie und Tragik war, hat Golf mal auf unnachahmliche, witzig-skurrile und vor allem treffende Art beschrieben. Williams – von Depressionen geplagt – beging am 11. August 2014 Suizid: Mit diesem Bravourstückchen hat er auch uns Golfern ein Vermächtnis hinterlassen:

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