Profisport Herren

Vorerst keine Punkte: Weltranglisten-Sturzflug der LIV-Spieler geht weiter

07. Okt. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Bei den LIV Golf Events gibt es vorerst weiterhin keine Weltranglistenpunkte. (Foto: Getty)

Bei den LIV Golf Events gibt es vorerst weiterhin keine Weltranglistenpunkte. (Foto: Getty)

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Es bleibt dabei: Für LIV-Golfer gibt es keine Weltranglistenpunkte. Vorerst jedenfalls. Das Direktorium des Official World Golf Ranking (OWGR) hat gestern in einem Kommuniqué bekannt gegeben, die Information der MENA Tour bezüglich der Aufnahme von LIV-Veranstaltungen in ihren Kalender zur Kenntnis genommen zu haben und diese „wesentliche Änderung in der Mitgliederstruktur“ der Minitour nun prüfen zu wollen. Damit hat sich die Vorstellung der LIV Golf Invitational Golf Series zerschlagen, schon mit den beiden letzten Individual-Events des Jahres jetzt in Bangkok und in der Woche drauf im saudi-arabischen Jeddah in die „Zuteilungs-Berechtigung“ zu rutschen.


Wie berichtet, hat Greg Normans LIV-Liga eine strategische Allianz mit der im Nahen Osten und in Nordafrika aktiven MENA Tour geschlossen, die 2011 pikanterweise von der Stiftung des 2006 verstorbenen Dubai-Herrschers Scheich Maktum Al Maktum gegründet wurde, dem älteren Bruder des heutigen Emirs Muhammad Al Maktum. Demnach sind die LIV-Spieler fürderhin gleichsam MENA-Mitglieder. Und ihre von Saudi Arabien finanzierte Serie zählt fortan zum Kalender des neuen Partners, käme somit in den Genuss der dort verteilten Weltranglisten-Punkte.

Durch die Hintertür sozusagen, nachdem die OWGR-Verantwortlichen die Bearbeitung des von LIV Golf selbst gestellten Antrags zur Aufnahme ins Weltranglistenpunkte-System auf die lange Bank geschoben haben.

„Ankündigung ist unzureichend“

Die MENA Tour erhält seit 2016 Punkte für 54-Loch- (3) wie für 72-Loch-Turniere (5). Mit Ausnahme des Saisonfinales laufen alle inklusive 36-Loch-Cut, wie im OWGR-Statement ausdrücklich konstatiert wird. Der Circuit hatte die LIV-Gastspiele in Thailands Hauptstadt und in der saudischen Hafenstadt als Auftakt zur Saison 2022/2023 deklariert und auf eine Erweiterung seiner OWGR-Zulassung für „Limited Field Tournaments“ mit weniger als 80 Startern plädiert.

Indes, die Weltranglisten-Hüter machten einen Strich durch die Rechnung: „Die Ankündigung dieser Änderungen durch die MENA Tour ist unzureichend, um es der OWGR zu ermöglichen, die übliche notwendige Überprüfung [noch vor den besagten Events] durchzuführen.“

Für MENA Tour von vitalem Interesse

MENA-Tour-Commissioner David Spencer kann sich darob nur wundern: „Wir hatten bezüglich unserer Saisonplanung eine intensive Kommunikation mit dem OWGR. Warum das LIV Golf Invitational Bangkok auf einmal anders behandelt werden sollte als andere Veranstaltungen der MENA Tour, war und ist nicht ersichtlich.“


„Sie zögern das Unvermeidliche nur hinaus und wollen erreichen, dass wir in der Weltranglisten immer weiter abrutschen, damit unsere Punkte irgendwann keine Rolle mehr spielen. Ich hoffe, dass die Leute das durchschauen und den Lügen nicht glauben, die ihnen erzählt werden. Aus meiner Sicht haben wir Punkte verdient, denn wir haben die besten Spieler der Welt in unseren Reihen.“

Bryson DeChambeau zum OWGR-Statement


Für die MENA Tour ist der Ausgang der OWGR-Angelegenheit von vitalem Interesse. Dank der Allianz mit LIV Golf und vor allem durch die dort aktiven Stars erfährt sie eine ungeahnte Aufwertung, nachdem der Spielbetrieb 2018 wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten und 2021 wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt werden musste, aber generell ohnehin nur mit einer Handvoll Turniere läuft.

„Ein sehr aufregender Tag für unsere Tour, unsere Spieler und ihre sportliche Zukunft“, jubelte Commish Spencer folglich am vergangenen Mittwoch, als die Zusammenarbeit offiziell bekannt gegeben wurde. Phil Mickelson sprach von einem „Gewinn für beide Seiten“: „Gut, jetzt so eine ,Feeder Tour’ zu haben, das hilft uns sehr weiter.“

Viele LIV-Gegner im OWGR-Direktorium

Beobachter mit hämischem Naturell könnten derweil sagen: Zu früh gefreut! Manche werten die strategische Allianz definitiv als „Akt der Verzweiflung“, um vor dem Winter noch irgendwie Weltranlistenpunkte zu ergattern (The Fried Egg“). Auch waren bereits Sätze à la „Nicht so eilig, LIV Golf“ („Golfweek“) zu lesen. Denn eigentlich war klar, dass das Golf-Establishment erst einmal mauern würde, immerhin sitzen im OWGR-Direktorium eine Menge erklärter LIV-Gegner wie PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan und DP-World-Tour-Chef Keith Pelley oder PGA-of-America-CEO Seth Waugh.

Dazu USGA-Geschäftsführer Mike Whan, der R&A und Augusta National, die Normans Konkurrenz-Konstrukt ebenfalls wenig wohlgesonnen sein dürften. Selbst die Vereinigung der kleineren PGA-Touren als siebtes Mitglied des Entscheider-Gremiums wird durch den „strammen Europäer“ Keith Waters vertreten.

Pat Perez: 3,7 Millionen in vier Events

Es ist nicht zu erwarten, dass in Sachen MENA Tour eine raschere Entscheidung getroffen wird als beim LIV-eigenen Antrag: Die „Cutlosigkeit“ der Serie ist und bleibt Grund genug, den Zugang zum System der Weltranglistenpunkte auf Dauer zu verweigern. Bemerkenswert, dass Norman trotzdem an diesem Modus festhält, der leistungslosen Lohn garantiert.

Siehe Pat Perez. Der 46-jährige kam in seinen vier Events nicht über die Plätze T29, T31, T15, T31 hinaus und hat dennoch bereits 3,7 Millionen Dollar an Dotierung verdient, weil ihn das führende „4 Aces“-Team von Preisgeld-Gesamtspitzenreiter Dustin Johnson (12,75 Millionen Dollar) mitschleppt und „durchfüttert“.

Außer Smith kein LIV’ler in den Top-20

Also setzt sich der Sturzflug der LIV’ler in der Weltrangliste auf unbestimmte Zeit fort. Das findet nicht mal Rory McIlroy gut, der Erste unter den Tour-Getreuen. „Für mich ist es unvorstellbar, dass die besten Spieler der Welt nicht mehr als solche gelistet sind“, räumte der Nordire unlängst ein. Sein Open-Bezwinger Cameron Smith ist im OWGR derzeit zwar bloß vom zweiten auf den dritten Platz abgerutscht, ansonsten allerdings ist kein Überläufer mehr in den Top-20 vertreten.

Joaquin Niemann rangiert auf 22, Tendenz fallend. „D. J.“ ist mittlerweile 23. Brooks Koepka verschlechterte sich seit Ende 2021 um 100 Prozent, fiel von Position 16 auf aktuell 32. Bryson war im Juni 28., ist jetzt 48. Und so weiter und so fort. „Wenn einer wie Dustin Johnson irgendwann um Platz 100 kreist, dann verfälscht das, wo er im Golfsport nach wie vor steht“, moniert McIlroy.

Noch gelten für Majorsieger die „Exemptions“

Während es für alle Nicht-Majorsieger im LIV-Feld hinsichtlich künftiger Teilnahmen an Grand-Slam-Turnieren sehr eng wird – selbst für Niemann –, können sich Champions wie Johnson, DeChambeau und Co. – insgesamt Zwölf an der Zahl – wenigstens noch eine Weile auf ihre „Exemptions“ verlassen. Sofern die Major-Veranstalter ihre Zulassungskriterien für und ab 2023 nicht doch ändern.

Hinter vorgehaltenen Händen wird nämlich geflüstert, dass USGA, R&A und PGA of America sehr wohl an Möglichkeiten tüfteln, sich auf die Seite von PGA Tour und DP World Tour zu schlagen und die Abtrünnigen fürderhin auszuschließen – vermutlich, nachdem man sich vom Schock erholt hat, dass LIV Golf keineswegs ein flüchtiges Phänomen darstellt. Für Augusta National wiederum wäre derartige Solidarität ohnehin allenfalls Formsache: Das Masters ist trotz geübter, am OWGR orientierter Praxis nach wie vor offiziell ein Einladungsturnier.

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