Profisport Herren

LIV-Auftakt: Schlaraffenland war gestern, Saudi-Liga nähert sich der Realität

28. Feb. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Der LIV Golf League Auftakt 2023. (Foto: Getty)

Der LIV Golf League Auftakt 2023. (Foto: Getty)

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Willkommen im Jahr 2023: Die zweite Spielzeit der LIV Golf League lässt sich nicht besonders gut an. Die Quoten des Übertragung-Debüts vom neuen TV-Partner „CW Network“ waren erbärmlich, die zwölf Teams gaukeln in bunten Bildern heile Welt, befinden sich aber auf einem mühsamen und kniffligen Selbstfindungstrip, hinter den Kulissen sind die Saudi-Finanziers stinksauer auf ihren Impresario Greg Norman, weil sie vor Gericht ihre Geschäftspraktiken offen legen müssen, und zu guter Letzt ist da der (kindische) Krieg der Worte, bei dem immer wieder irgendwer neues Öl ins Feuer gießt.

„World’s Funniest Animals“ überflügeln Golf

Aber der Reihe nach. Der Knüller im Wochenend-Programm von „CW“ waren nicht Mayakoba in Mexiko, Auftaktsieger Charles Howell III und seine sportlich durchaus wertvolle Vorstellung auf dem anspruchsvollen, Tour erprobten Kurs des El Camaleón Golf Club oder die Kavalkade der zur LIV-Liga übergelaufenen Golfstars. Sondern „World’s Funniest Animals“, eine Sendung mit Video-Clips von glücklichen Pferden, hässlichen Schweinen, neugierigen Katzen und einem Hund, der dem Postboten ans Bein pinkelt. „So was will man sich an einem Samstag Abend doch nicht entgehen lassen“, spottete „Golf Digest“. Stimmt, was ist dagegen schon LIV mit „Golf. But louder“.

Dabei hatten sich die Teams für das echte Jahr eins nach der Beta-Version 2022 so hübsch in Schale geworfen. Passé sind individuelle Spieler-Outfits, man präsentiert sich in „Uniform“, die Majesticks mit ihrem Kapitäns-Terzett Henrik Stenson, Lee Westwood und Ian Poulter sowie Sam Horsfield beispielsweise ließen sich in Himmelblau-Weiß für Hochglanz-Fotos ablichten. Mit den Set-Cards und flotten Sprüchen über die neue Dimension im Profigolf geht’s dann auf Werbetour.

Existierende individuelle Sponsoren haben zwar Bestandsschutz, ebenso darf jeder Spieler weiterhin sein gewonnenes Einzelpreisgeld behalten, aber ansonsten wird fürderhin alles dem Korpsgeist untergeordnet. Und dem Profit. Es gilt, sich zu kommerzialisieren, Geld einzutreiben, sportlich wie wirtschaftlich Einnahmen für die Teamkasse zu generieren, aus der nunmehr sämtliche Kosten bestritten werden müssen.

Der protzige Party-Jet hat ausgedient

Denn LIV und die Saudis, denen 93 Prozent des Unternehmens gehören, haben die Alimentierung ihrer Protagonisten eingestellt, zahlen „nur“ noch die – auf 405 Millionen Dollar erhöhten – Preisgelder, bereiten die sportlichen Bühnen und sorgen für die Organisation der Events sowie für Fernsehzeit. Flugtickets, Hotelfluchten, Luxusrestaurants und sonstige Opulenzen hingegen wurden gestrichen.

Als erstes die protzige Party-Boeing-747, mit der die Beletage des spielenden Personals durch die Gegend geflogen wurde. Yasir Al-Rumayyan, der Direktor des geldgebenden saudi-arabischen Staatsfonds PIF und eigentliche LIV-Chef, dort nur „The Investor“ genannt, war ohnehin not amused über die öffentlich zur Schau getragene Dekadenz.

LIV-Teams müssen auf eigenen Beinen stehen

Solche Einschnitte wirken selbstredend immer noch wie Jammern auf extrem hohem Niveau, doch: Schlaraffenland war gestern. Dieses Jahr nähert man sich einer gewissen Realität. Die Teams können nicht mehr auf den „Big Spender“ aus Riad bauen. Obwohl LIV nach wie vor Subventionen zahlt, müssen die Franchises allmählich auf eigenen Beinen stehen, sich ein Budget geben und damit haushalten. Es gibt Grundgehälter und Spesenkonten, je nach Ertragslage. Und schon kriegt die „heile neue Golfwelt“ erste Risse: Manche Caddies schlafen wieder in Motel-Mehrbettzimmern, fliegen Holzklasse und schauen mit scheelem Blick auf die Looper der Upper-Class-Spieler.

Top-Teams wie Dustin Johnsons „4Aces“ oder die gerade erfolgreichen „Crushers“ von Bryson DeChambeau haben es diesbezüglich dank einer fett gefüllten Teamkasse einfacher. Wohl dem, der genug Kohle einspielt bzw. eingespielt hat: „D. J.“, Patrick Reed, Pat Perez und Peter Uihlein düsten samt ihrer Entourage jeweils im „eigenen“ Privatjet nach Mexiko. „Ein Flieger allein würde gar nicht reichen“, gab Teammanager Collin Yost zu Protokoll: „Man bräuchte ein Verkehrsflugzeug für 40 Personen. Und habt ihr eine Ahnung, mit wieviel Gepäck diese Leute reisen?“

Manager und Prinzipale

Tatsächlich, die „4Aces“ haben einen Teammanager. Fürs operative Geschäft. Zudem einen Prinzipal nach Formel-1-Vorbild für die strategischen Aufgaben: „Ich habe dieselben Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten wie ein Team-Präsident in der National Football League“, erklärt David Cornwell, der hauptberuflich Rechtsanwalt ist. Kapitän Johnson selbst muss ja spielen und ansonsten – mit Hilfe seines persönlichen Managers David Winkle – die Anteile an den „4Aces“ versilbern.

 

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Das ist das mittelfristige Ziel: Eigner und/oder Investoren zu finden, die ihr Geld in die zwölf Franchises stecken, an denen die jeweiligen Kapitäne mit 25 Prozent sowie die LIV Golf League und mithin die Saudis mit 75 Prozent beteiligt sind. Zudem Marketing und Merchandising anzukurbeln. Beim langjährigen Bekleidungspartner Adidas hat sich Johnson freilich schon mal die Zähne ausgebissen: „Die Drei Streifen“ sollten das gesamte Team sponsern, winkten indes wohl ab.

Zu verdanken haben wir diese aktuellen Einblicke übrigens zu einem großen Teil dem Investigativ-Journalisten und LIV-Lieblingsfeind Alan Shipnuck, der seine Mayakoba-Momentaufnahmen für die Redaktionsgemeinschaft „Fire Pit Collective“ niedergeschrieben hat.

Auf und Abstieg am Ende der Spielzeit

Zur neuen Realität des von Greg Norman so verheißungsvoll angepriesenen selbständigen Unternehmertums auf dem freien Markt gehört auch der sportliche wie existenzielle Abstieg. Am Ende dieser Spielzeit 2023 werden die vier Letzten der Einzelwertung – so sie nicht Mehrjahresverträge haben – auf die ebenfalls von den Saudis finanzierte International Series der Asian Tour geschickt, im Gegenzug steigt der Gesamtsieger in die LIV Golf League auf. Drei Neuzugänge ergeben sich überdies aus einem Qualifikationsturnier namens „LIV Golf Promotions Event“, das für bis zu 130 Teilnehmer aus verschiedenen Kategorien des Golfsports ausgeschrieben wird. Damit will man das OWGR-Direktorium überzeugen und die Kriterien für die Vergabe von Weltranglistenpunkten erfüllen. 2024 kommt dann das Transferfenster hinzu.

Maulkorb für Greg Norman

Apropos Norman: Dem „Great White Shark“ wurde in Mayakoba ein Maulkorb verpasst, der Kapellmeister des Konkurrenz-Circuits trat nicht vor die Presse. Durchaus nachvollziehbar und Wasser auf die Mühlen derer, die darauf warten, dass Ex-TaylorMade-Mann Mark King als Normans Nachfolger aus dem Schatten tritt, der bei weitem nicht so fest im Sattel sitzt wie glauben gemacht wird.

Mit seinen impulsiven, prahlerischen, verächtlichen und ignoranten Aussagen richtet der Australier mittlerweile mehr PR-Schaden an, als dass er der LIV-Sache genutzt hat. Oder wie es ein Liga-Verantwortlicher gegenüber Shipnuck formulierte: „Jeder Journalist will, dass Greg die Dinge eskalieren lässt, und er nimmt den Köder immer an und erwidert das Feuer. Das ist für uns nicht von Vorteil, also versuchen wir, ihn aus der Schusslinie zu nehmen und damit die Temperatur zu senken.“


„Das Heimtückische am Sportswashing ist, dass es funktioniert, weil Müdigkeit einsetzt. Während einer ganzen Woche Pressekonferenzen in Mayakoba hörte ich nicht eine einzige Frage zu [Saudi-Arabiens Kronprinz] Mohammed bin-Salman oder Saudi-Arabiens Menschenrechtsbilanz oder irgendetwas, das mit Geopolitik zu tun hatte.“

Alan Shipnuck in seinem Bericht für das „Fire Pit Collective“


PGA-Tour-Anwälte fürchten die Reise nach Riad

Saudi-Strippenzieher Yasir Al-Rumayyan ist – wie eingangs erwähnt – eh nicht gut auf den Australier zu sprechen. Die von LIV finanzierte und mitgetragene Kartellrechtsklage gegen die PGA Tour läuft nämlich allmählich aus dem Ruder. Zumal die PGA Tour ihre Gegenklage flugs auf den Public Investment Fund (PIF) und seinen Chef erweitert hat, nachdem ein Gericht in Kalifornien die Offenlegung aller relevanten LIV- und PIF-Dokumente verfügt hatte. Das schmeckt den Saudis ganz und gar nicht, die sich selbstredend nur sehr ungern in die Karten gucken lassen wollen und sogar vor weitreichenden politischen Implikationen warnten.

Immerhin haben sie erwirkt, dass die Akten nur in Riad eingesehen werden dürfen, was wiederum den Tour-Anwälten gar nicht behagt, weil sie fürchten, in der Metropole der Monarchie als Regime-Gegner behandelt zu werden: „Offen ausgesprochene Kritik an der Regierung kann dort mit jahrelanger Haft bestraft werden – zumal, wenn eine solche Offenlegung laut PIF und Herrn Al-Rumayyan gegen saudi-arabisches Recht verstößt.“ Was für ein Possenspiel.

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