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Happy End eines miesen Sommers für DeChambeau: „Leute beginnen ihn zu mögen“

07. Okt. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Bryson DeChambeau bei der Tour Championship (Foto: Getty)

Bryson DeChambeau bei der Tour Championship (Foto: Getty)

Paige Spiranac ist ein Phänomen. Nein, nicht was der optisch orientierte Leser jetzt vielleicht denkt. Es geht keineswegs nur um die Augenfälligkeiten der Golf-Blondine, deren Selbstinszenierung so gut ist, dass sie sogar ein Hole-in-one zum perfekt Publicity trächtigen Zeitpunkt spielt. Spiranac verfügt über einen ziemlich guten Riecher dafür, aus welcher Richtung im Golf gerade der Wind weht – schließlich basiert ihr Geschäftsmodell darauf, flugs das Mäntelchen in eben diesen zu hängen.

Und das Barometer der Influenzerin, die mehr Instagram-Follower hat als Tiger Woods, schlägt gerade zugunsten von Bryson DeChambeau aus. „Ich hatte das Gefühl, wir haben [beim Ryder Cup] den wahren Bryson gesehen“, sagte Spiranac dieser Tage in ihrem Podcast: „Diese Woche war eine kleine Erlösung für ihn. Er schien förmlich aufzublühen, weil die Fans ihn angefeuert haben – das erlebt er nicht allzuoft. Also hat er auch den Schutzwall um sich herum etwas geöffnet und das offenkundig genossen.“

Brooksie-Geblöke: Die Geister, die ich rief

In der Tat, der 28-Jährige aus Dallas verspürt gerade jede Menge Rückenwind. Eine Wohltat nach einem Sommer, der voller Unerquicklichkeiten verlief: Ausrüster-Schelte, Caddie-Abgang, Medien-Boykott, Impf-Statements, Olympia-Aus … Und über allem der zu „The Feud“ stilisierte und vermutlich eh inszenierte Zoff mit Brooks Koepka, dessen Ausmaß sich in wahrer Goethe-Manier spätestens da verselbständigte, als Kontrahent Koepka seine Fans per Freibier zum Bryson-Bashing ermunterte: „Die Geister, die ich rief …“

Das Brooksie-Geblöke habe er irgendwann nicht mehr ignorieren können, hat DeChambeau mal bekannt: „Es fing an, weh zu tun und mich zu verunsichern.“ Entsprechend dünnhäutig fielen irgendwann die Reaktionen aus. Während sein dickfelliger Rivale zum unversöhnlichen Antagonisten avancierte, konnte einem der „Mad Scientist“ trotz aller seiner vorherigen Abgehobenheiten und Großspurigkeiten – siehe Masters – fast leid tun. Der Ryder Cup kam da gerade recht.

Großer Sport, großartiges Entertainment

„Das hier war womöglich besser als jedes andere Turnier, das ich in meinem ganzen Leben gewonnen haben. Die Dynamik im Team, das kollektive Golfspiel: Der Ryder Cup ist so viel größer als ein einzelnes Turnier. Es geht darum, dass Menschen zusammenkommen und etwas Besonderes für den Golfsport tun“, sprudelte „BDC“ nach seinem Einzelsieg über Sergio Garcia.

Er vor allem hatte zuvor neben großem Sport auch großartiges Entertainment geboten. Das Eagle auf der Par-5-Fünf am Freitag Morgen. Das gedrivte erste Grün am Sonntag. Oder später die Szene auf der Sechs, als DeChambeau „nur“ zum Holz-3 griff und die enttäuscht aufstöhnenden Fans beruhigte: „Keine Sorge, ich greife das Grün trotzdem an.“Sprach’s, ließ Taten folgen und sich dafür feiern.

US-Team mit „Stiefbrüder“-T-Shirts

Der ohnehin extrovertierte Exzentriker war in seinem Element, hatte Unmut, Anspannung und das Korsett seiner Fixiertheiten abgestreift. Er interagierte aufgekratzt mit der Kulisse, ging komplett aus sich heraus, wirkte wie befreit, zeigte überdies mit exzellentem Kurzspiel und brillanten Putts, dass er weitaus mehr kann als lediglich lang schlagen. Dass auch die Kritik an seiner eher auf die Long Drive Championship ausgerichteten Vorbereitung völlig unbegründet war.

Zuguterletzt inszenierte Justin Thomas noch medienwirksam die Aussöhnung zwischen DeChambeau und Koepka per Umarmung, die vor allem ersterer begeistert annahm. Später dann feierte das US-Team seinen Kantersieg über die Europäer in T-Shirts mit den Konterfeis der Kombattanten, sogar DeChambeau selbst trug eins.

Ende gut, alles gut? Mag sein. Vielleicht hat das „The Feud“-Theater nun wirklich ein Ende. Und wie nach jedem gelungenen Possenspiel auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten gehen die Hauptdarsteller anschließend mit dem Hut herum und sammeln einen Obolus für ihre Darbietungen ein. In diesen Fall beinahe buchstäblich.

Denn „The Match V“ im November, allenthalben als finaler Showdown verkauft, wirkt fast wie der Kassensturz nach einer Schmierenkomödie. Dass die Zwölf-Loch-Runde in Las Vegas stattfindet, wo das Meiste nur Glitter, Fassade und schöner Schein ist und sich sowieso alles um klingende Münze dreht, ist quasi folgerichtig.

So ist nun mal das Profigeschäft. „Nach Golde drängt, Am Golde hängt doch alles.“ Schon wieder Goethe. Und irgendwie schließt sich da der Kreis zu Bryson DeChambeau. Der „Hulk mit dem Holz“ mag mit seinen Längen die DNA des Spiels, das Design der Plätze nämlich, aus dem Spiel nehmen – was sein gutes Recht ist und dem anderweitig begegnet werden muss. Aber Golf braucht genau solche Typen, solche Individualisten, die polarisieren, an denen es sich trefflich reiben lässt, die Aufmerksamkeit von außerhalb des Golf-Kosmos generieren. Tiger Woods lässt grüßen.

Neues Kapitel fürs Selbstverständnis?

Bryson DeChambeau ist wahrscheinlich das ideale Golf-Testimonial und Zugpferd für dieses Zeitalter der Spaß- und Freizeitkultur, in dem es Spektakel und Sensation zum Überleben und zum Wachstum braucht. Show kann er, Golf sowieso. Womöglich hat er mit dem Ryder Cup und seinem am Lake Michigan gezeigten anderen, entspannteren Ich überdies für sich und sein weiteres Selbstverständnis ein neues Kapitel aufgeschlagen. Paige Spiranac jedenfalls konstatierte: „Die Leute fang an, ihn zu mögen.“ Es wäre das Happy End eines Sommers, der für DeChambeau keiner war.

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