Er war „der Treibstoff, der das Team Europe befeuert“, hat das britische Blatt The Telegraph mal über Ian Poulter geschrieben. In sieben Ryder-Cup-Teilnahmen zwischen 2004 und 2021 verdiente sich der mittlerweile 49-jährige Engländer den Spitznamen „The Postman“, weil er meist zuverlässig lieferte. Fünf Mal gewann beziehungsweise verteidigte der Ferrari-Fan mit der blau-goldenen Equipe den kleinen goldenen Henkelmann. Zehn Titel auf der European Tour stehen in Poulters Bilanz, dazu die beiden WGC-Erfolge von 2010 und 2012. 2018 holte er sich noch die Houston Open auf der PGA Tour und verlernte anschließend das Siegen. Immerhin steuerte Poulter beim Kontinentalduell in Paris noch zwei Punkte zum Triumph von Thomas Bjørns Bande bei.
Garantiegage von 30 Millionen Dollar für vier Jahre
Da kam LIV gerade recht. Poulter lief 2022 zum Konkurrenzcircuit über, vereinte sich mit Lee Westwood und Henrik Stenson zum Team Majesticks GC und versüßte sich das nur noch bedingt wettbewerbsfähige Profidaseins mit einer kolportierten Garantiegage von 30 Millionen Dollar. Er gehörte damit zu denen, die im Mittelpunkt der Kritik am leistungslosen Lohn für abgehalfterte Berufsspieler standen, die im rauen Turnieralltag der Touren nicht mehr bestehen können und sich in eine Operettenliga mit Herrenrunden-Charakter flüchten.
Selbst für Kapitäne wird’s im Hintertreffen ungemütlich
Doch bei LIV weht seit dem Stabwechsel vom revanchistischen Impresario Greg Norman zum effizient-kalkuliert agierenden Manager Scott O’Neill ein anderer Wind. Die saudi-arabischen Finanziers haben den Geldhahn deutlich zugedreht, und der neue CEO hat einen zweiten Anlauf unternommen, um beim Official World Golf Ranking (OWGR) anzudocken und sich für die Vergabe von Weltranglistenpunkten zu qualifizieren. Plötzlich herrscht auch bei der LIV-Liga das Leistungsprinzip, und selbst für Team-Kapitäne wie Ian Poulter wird’s auf den vormals so bequemen Plätzen im Hintertreffen des Geschehens ziemlich ungemütlich.
Vertrag mit LIV läuft zum Saisonende aus
Grund ist das neue, für die OWGR-Bewerbung modifizierte Relegationssystem, das auch die Kapitäne nicht mehr von einem möglichen Abstieg ausnimmt. Und so spielt „Postman Poults“ als Tabellen-52. plötzlich beim letzten Individual-Event der Saison ums sportliche Überleben – ab heute muss er in Indianapolis wirklich noch mal liefern. Ansonsten ist’s fürs Erste Essig mit den Annehmlichkeiten des LIV-Lebens. Zumal wohl auch der gemeinhin auf vier Jahre datierte Vertrag ausläuft. Und die Saudis haben ohnehin angekündigt, dass selbst die Top-Leute der Liga bei Vertragsverlängerungen finanziell längst nicht mehr so gepampert werden wie 2022, als man die Stars der PGA Tour mit dem üppigen Duft der Dollar-und-Aber-Dollar-Millionen ins LIV-Lager lockte.
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Ende der aktiven Karriere als Alternative?
Es drohen die sportliche Unwägbarkeit mit vergleichsweise unerquicklichen Starts ab Oktober bei den noch verbleibenden sechs Turnieren der International Series auf der Asian Tour, um sich wieder für LIV zu qualifizieren. Oder er gewinnt die LIV Golf Promotions im Dezember. Freilich, auch ein Ende der aktiven Karriere ist nicht ausgeschlossen. Sollte Poulter es tatsächlich nicht packen, bleibt er dennoch Miteigentümer der Majesticks, und es wäre auch eine leitende Rolle als Non-Playing-Captain oder hinter den Kulissen des Teams denkbar. Eine Rückkehr auf die DP World Tour wiederum scheint ausgeschlossen für den Mann, dessen Karriere mit einem Job als Assistenz-Pro und Golfshop-Manager begonnen hat, da wären erst mal Sperren abzusitzen und Strafen in Millionenhöhe zu bezahlen. Das hat Poulter bislang indes kategorisch abgelehnt.
Oder schießt Poulter einen der Majesticks-Mitstreiter ab?
Das sind düstere Aussichten, die noch von pikanten Begleitumständen flankiert sind. Sollte sich Poulter in Indianapolis auf den 48. Platz retten und ein Jahr LIV-Aufschub ergattern, wird er damit zum „Kapitäns-Killer“ und das Schicksal eines seiner Majesticks-Mitstreiter besiegeln. Denn Stenson und Westwood stehen ebenfalls auf der Kippe: Einer von beiden rutscht dann auf den frei gewordenen Abstiegsplatz in der sogenannten Drop Zone. Eine Platzierung unter den besten 20 würde Poulter fürs Überleben im LIV-Luxus reichen. Selbst die Statistiker von LIV Golf beziffern die Erfolgsaussichten mit einer Quote von lediglich 6,4 Prozent. Ein Selbstläufer ist das also wahrlich nicht. Erst recht, wenn man die Saisonergebnisse anschaut, bei denen allenfalls der 13. Platz in Korea daran erinnert, dass dieser Ian James Poulter aus Hitchin in Herfordshire einmal einer der besten europäischen Golfer war.