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Nötig oder willkürlich? So funktionieren die Exemption Categories der European Tour

19. Mrz. 2021 von Benjamin Reeve in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Eine Startplatzgarantie haben die wenigsten Spieler auf der European Tour. (Foto: Getty)

Eine Startplatzgarantie haben die wenigsten Spieler auf der European Tour. (Foto: Getty)

In unserer Serie "Die European Tour mit Florian Fritsch" stellen wir mit Hilfe des ehemaligen Challenge- und European-Tour-Profis Florian Fritsch die Funktions- und Arbeitsweisen der European Tour dar. Das Gespräch mit dem Insider offenbart spannende Details und interessante Anekdoten.

Die Exemption Categories

Es auf die European Tour zu schaffen, ist für die meisten Profi-Golfer ein Lebenstraum. Doch die meisten, die es auf die Tour schaffen, schaffen es doch nicht so ganz. Denn die allermeisten Golfer erhalten ein mehr oder weniger eingeschränktes, durch die so genannten „Exemption Categories“ geordnetes Spielrecht.

Diese Kategorien wurden entwickelt, damit die Felder der Turniere der großen Touren (durchschnittlich 120 bis 150 Teilnehmer) nach „Priorität“ bestückt werden können. Spieler, die wichtigere Turniere gewinnen konnten oder mehr Geld gewonnen haben, genießen Priorität. Wer in einer besseren Kategorie gelistet ist, wird vor jemandem in einer schlechteren Kategorie für ein Turnier zugelassen. So konkurrieren qualifizierte aber niedrig kategorisierte Golfer bei finanziell attraktiven Events mit den großen Stars um Startplätze und treten daher eher selten an. Die Vergabe der Startplätze bei PGA-Tour-Wettbewerben läuft nach demselben Muster ab. In den USA wird die Einteilung lediglich „Priority Ranking“ genannt.

Lee Westwood wird als Gewinner der European Tour Order of Merit 2020 in Kategorie 1 auf Rang 1 gelistet. (Foto: Getty)

Lee Westwood wird als Gewinner der European Tour Order of Merit 2020 derzeit in Kategorie 1 auf Rang 1 gelistet. (Foto: Getty)

Die Kategorie bzw. Priorität eines einzelnen Golfers wird auf Grundlage bestimmter Leistungen vergeben. Innerhalb einer einzelnen Kategorie sind die Spieler wiederum nach Rang gelistet, der durch Einnahmen oder durch Aktualität definiert wird. So wird Lee Westwood, als Gewinner der European Tour Order of Merit 2020 in Kategorie 1 auf Rang 1 gelistet und Jon Rahm als Sieger 2019 auf Rang 2. Martin Kaymer wird durch seinen Sieg im Race to Dubai 2010 zwar „auf Lebenszeit“ in Kategorie 1 geführt, jedoch ist er derzeit durch seinen Sieg bei der US Open 2015 auf Rang 14 (Stand Januar 2021).

Ein Vorteil ist die Durchlässigkeit

„Das Besondere an der Golf-Tour mit ihren Kategorien ist ihre ausgeprägte Durchlässigkeit. Ich könnte in einem Jahr auf der Pro Golf Tour starten und bereits im Herbst ein volles Mitglied auf der European Tour sein“, erklärt Florian Fritsch. Das System reagiere schnell auf Leistungen und Leistungsänderungen.

„Ich selbst konnte 2009 davon profitieren. Damals hatte ich eine sehr kleine, eingeschränkte Kategorie auf der Challenge Tour und plante eigentlich nur mit einer vollen Saison auf der Pro Golf Tour, damals noch EPD Tour. Dann bin ich ins Feld eines Challenge-Tour-Turniers gerutscht und wurde Zweiter. Dadurch konnte ich am daraffolgenden Challgenge-Tour-Turnier wieder teilnehmen und wurde Elfter. Ich hatte wohl auf mich aufmerksam gemacht, jedenfalls erhielt ich eine Einladung zu einem weiteren Event auf der Challenge Tour in Österrreich. Ich wurde wieder Zweiter und war plötzlich unter den besten sechs Spielern der Challenge-Tour-Rangliste. Dadurch griff letztlich die damalige Katergorie 95. Diese bot den besten drei Spielern aus den Top-40, die kein ausreichendes Spielrecht besaßen, eine volle Berechtigung für das restliche Jahr“, so Fritsch.

Damit war er auf der Challenge Tour angekommen. Dort belegte er einen Platz unter den Top-45 und war damit für das kommende Jahr auch auf der European Tour spielberechtigt.

Fast hätte auch Nicolai von Dellingshausen von der Durchlässigkeit des Sydems profitieren können. Durch drei frühe Siege, wäre es ihm fast gelungen, innerhalb eines Jahres von der Pro Golf Tour auf die European Tour aufzusteigen. Er verpasste eine notwendige Top-20-Platzierung nur knapp.

Das System ist allerdings auch noch unten sehr durchlässig. Nur die Kategorien 1 bis 3 werden für mehrere Jahre vergeben. Die Voraussetzungen der anderen Kategorien müssen jedes Jahr erneut erfüllt werden, um weiter Chancen auf Turnierteilnahmen zu haben.

Kategorie 1
Gewinner der European Tour (ET) Rangliste/Race to Dubai Ranking (R2D). Gefolgt von den Gewinnern der Majors (Rang 1. PGA Championship; 2. The Open; 3. US Open; 4. Masters).

Kategorie 2
Gewinner der Rolex Series und von WGCs.

Kategorie 3
Gewinner von Turnieren der letzten zwei und des laufenden Jahres, die 1,75 Mio. US-Dollar Preisgeld und über 2.000 Punkte (Gegenwert von 1,75 Mio.) beim R2D vor drei Jahren sammeln konnten.

Kategorie 4
Gewinner von Turnieren der letzten zwei und des laufenden Jahres, die unter 1,75 Mio. US-Dollar Preisgeld. Gefolgt von Spielern, die im laufenden Jahr weniger als eine Mio. Euro beim R2D erspielen konnten aber Challenge Tour (CT) Mitglieder waren. Gefolgt von Spielern, die im laufenden Jahr ein Dual-Ranking-Event (ET/CT) gewinnen.

Kategorie 5
Die Legenden-Kategorie führt Spieler, die in den vorherigen zwei Jahren in den Top-40 der Geldrangliste geführt wurden und auf die mindestens vier weitere Qualifizierungen für diese Kategorie zutreffen (1. Mehrfacher Ryder-Cup-Teilnehmer; 2. Major Gewinner; 3. 8-facher Gewinner der ET-Rangliste/R2D; 4. 15-facher Gewinner der ET-Rangliste/R2D; 5. Gewinner des R2D in einer beliebigen offiziellen Saison; 6. In 15 Saisons unter den Top 110 der ET-Rangliste /R2D; 7. Spieler, die in einer oder mehrerer Saisons den Status als Weltranglistenerster der OWR geführt haben).

Kategorie 6
Von der Turnierleitung eingeladene Profis und Amateure.

Kategorie 7
Spieler, die sich als Top-5 oder Top-10 der letzten Saison qualifizieren.

Kategorie 8
Platzvergabe über nationale oder regionale Ranglisten.

Kategorie 9
Mitglieder des letzten Ryder Cup Teams.

Kategorie 10
Top 115 des R2D-Rankings letzten Jahren.

Kategorie 11
Top-40 der Geldrangliste der vorherigen zwei Jahre, auf die zusätzlich weniger als vier weitere Qualifizierungen für diese Kategorie zutreffen (1. Mehrfacher Ryder-Cup-Teilnehmer; 2. Major Gewinner; 3. 8-facher Gewinner der ET-Rangliste /R2D; 4. 15-facher Gewinner der ET-Rangliste /R2D; 5. Gewinner des R2D in einer beliebigen offiziellen Saison; 6. In 15 Saisons unter den Top 110 der ET-Rangliste; 7. Spieler, die in einer oder mehrerer Saisons den Status als Weltranglistenerster der OWR geführt haben).

Kategorie 12
Frühere Gewinner des betreffenden Turniers, die unter 50 Jahre alt und Ranglistenmitglieder der ET und/oder der CT sind.

Kategorie 13
Gewinner von Turnieren in den vorherigen zwei Jahren, deren Preisgeld unter einer Mio. Euro lag, gefolgt von Gewinnern von Dual-Ranking-Events (ET/CT) der vorherigen zwei Jahre, gefolgt von Gewinners von CT Turnieren vorherigen zwei Jahre.

Kategorie 14
Top-1-15 der Vorjahreswertung der Challenge Tour.

Kategorie 15
Gewinner von 3 CT-Turnieren in der laufenden Saison.

Kategorie 16
Top-10 der Vorjahreswertung der Asia Tour, PGA Tour of Australasia, KPGA, CGA, sofern sie nicht bereits in einer anderen Kategorie erscheinen.

Kategorie 17
Top-28 der Q-School des Vorjahres.

Kategorie 18
Plätze 116-132 des R2D des Vorjahrs. Gefolgt von Platze 16-30 der CT-Rangliste des Vorjahrs. Gefolgt von Platz 11-16 des Asian Tour Rankings im Vorjahr.

Kategorie 19
Plätze 133-155 des R2D im Vorjahr.

Kategorie 20
Spieler, die im laufenden Jahr oder in den zwei vorherigen ein Turnier der CT gewinnen konnten.

Kategorie 21
Plätze 31-45 des CT-Rangliste des Vorjahres.

Kategorie 22
Spieler, die den Cut in der Q-School Endrunde geschafft aber unter Platz 28 abgeschlossen haben.

Kategorie 23
Plätze 17-27 des Asian Tour Rankings im Vorjahr.

Kategorie PC
„Past Champtions“ des Ryder Cups, Double Diamonds, Hennessy Cognac Cups sowie World Cup Spieler, die offiziell bei über 150 Turnieren Geld verdient haben.

Eine Startberechtigung lässt sich trotz und auch wegen der Kategorisierung fast nie garantiert absehen. Während es manche Spieler der Q-School-Top-28 (Kategorie 17) noch auf manche hochdotierte Turniere schaffen, kommen die darunter liegenden Kategorien nur bei Turnieren zum Zug, die deutlich weniger Preisgeld ausloben. Doch die Wahrscheinlichkeitsrechnung ins Starterfeld zu kommen wird vor allem durch zwei Blackboxen der Startplatzvergabe unmöglich: sowohl die Anzahl der Plätze, die auf Einladung der Turnierleitung (Kategorie 6) vergeben werden, als auch der Plätze, die über nationale und regionale Ranglisten (Kategorie 8) erfolgen, sind unbestimmt.

Wer unter Kategorie 17 spielt, muss spontan sein

„Spieler, die unterhalb Q-School-Kategorie 17 gelistet sind, dürfen sich erst dann für European Tour Turniere melden, wenn es ihnen gestattet wird“, erklärt Fritsch. Man dürfe sich nicht einfach anmelden. „Man muss darauf warten, dass die Tour sich bei einem meldet und man im Meldesystem freigeschaltet wird“, so Fritsch weiter. „Diese Spieler und ihre Caddies müssen daher stets abrufbereit sein und sehr spontane Entscheidungen über die Teilnahme an weltweiten Turnierorten treffen. Die Starterlisten stehen oft erst kurz vor Anfang des Turniers fest. Das ist nichts für jedermann. Vor allem, wenn Familie hinzukommt.“

Im starken Kontrast zu der enormen Wichtigkeit der Kategorien für den einzelnen Profi steht die Intransparenz des Verfahrens und die scheinbare Willkür mit denen die Tour die Voraussetzungen für eine Listung immer wieder verändert. Von Seiten der European Tour heißt es lediglich, dass sie die Änderungen in Absprache mit dem Tournament Commitee zusammenstellt und das Komitee diese dann genehmigt.

„Das Board of Directors entwickelt verschiedene Kategorienkonzepte, über die dann das Tournament Committee entscheidet“, weiß Fritsch. Das Komitee besteht aus aktiven Tour-Spielern. „Die Spieler können dem Vorschlag folgen, Nachbesserungen fordern oder ihn ablehnen. Die Entscheidung treffen also Vertreter der Tour-Profis.“

Das System muss vielen unterschiedlichen Interessen gerecht werden. Am augenfälligsten den Interessen der Top-125-Spieler, d.h. der „vollen“ Tour-Mitglieder. Aber auch die Spieler von Touren, die mit der European Tour kooperieren (Asian, Sunshine, Australian Tour) müssen untergebracht werden. „Zudem hängen die Interessen von Sponsoren nicht allein an den derzeitigen Top-Spielern. Die ,Helden‘ der Golfgeschichte sind starke Werbeträger, die immer noch eine starke öffentliche Wirkung für die Tour entfalten.“ Dies gehöre zu strategischen Überlegungen, die darauf abzielen, Top-Spieler aus den USA nach Europa zu bekommen und gleichzeitig eigene Top-Spieler zu binden.

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