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Ein Zocker gibt sich geläutert – Der neue Mickelson ist immer noch der alte

15. Jun. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Zustimmung: Phil Mickelson umarmt heute die Leute, die er im Februar noch beschimpft hat. (Foto: Getty)

Zustimmung: Phil Mickelson umarmt heute die Leute, die er im Februar noch beschimpft hat. Im Bild links u. a. Saudi-Golfverbandschef Majed Al Sorour (l.) und neben ihm im Vordergrund PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan. (Foto: Getty)


Ja, beim Golf ging es immer schon um Geld – seit die Wettleidenschaft der altvorderen Gentlemen aus Schlägermachern und Greenkeepern bezahlte Partner, vulgo Berufsspieler, gemacht hat. Was auf den schottischen Links mit Börsen von 50 oder 100 Pfund begann – seinerzeit ein kleines Vermögen –, hat spätestens mit dem Einstieg der Saudis ins Profigolf aberwitzige Auswüchse erreicht. 125 Millionen „Handgeld“ für Dustin Johnson und vier Jahre LIV-Operettenliga, über 100 Millionen für Bryson DeChambeau: Das hat beinahe Fußball-Dimensionen auf der scheinbar nach oben offenen Zaster-Skala; Kylian Mbappé lässt grüßen. Wie gesagt: fast.

Und dann ist da noch der 200-Millionen-Mann Phil Mickelson. Beim LIV-Auftakt vergangene Woche tauchte der sechsfache Majorsieger aus der viermonatigen Versenkung auf, mit Fünf-Tage-Bart sowie sprießendem Schnäuzer – und genau so borstig. Er sagte schöne Sätze aus dem LIV-Souffleurskasten („LIV Golf begeistert mich und ist der Grund für meine Rückkehr“), schwieg weitgehend zur PGA Tour und mochte sich auch zu den Missständen in der Monarchie nicht weiter äußern, wo all die Moneten herkommen. Bloß soviel: „Ich dulde keine Menschenrechtsverletzungen.“ Das LIV-Drehbuch halt.

Diese Woche bei der US Open in Brookline/Massachusetts erlebte die Öffentlichkeit dann den anderen, den larmoyanten „Lefty“. Einen, der seine Pressekonferenz mit einem Plädoyer in Sachen „Ich“ einleitete, alles mögliche bedauerte, indes vor allem die Deutungshoheit über seinen Auftritt zum Ziel hatte und mit der Bemerkung schloss: „Noch Fragen?“ Einen, der 15 Mal den Begriff „Respekt“ verwendete, freilich letztlich nichts von dem zurücknahm oder erklärte, mit dem er sich zu Beginn des Jahres um Kopf und Kragen geredet hatte. Aber ebenso einen, der im Lauf dieses skurrilen, 25 Minuten währenden Schauspiels die meisten Fragen beiseite wischte und sich in offenkundig einstudierten vagen Formulierungen zur Selbstoptimierung übte.


„Ich hatte spezielle Ansichten im Hinblick auf die meisten Führungsgremien unseres Sports, und ich habe das schlecht vermittelt. Es war ein Fehler, diese Kleinigkeiten öffentlich zu machen.“

Phil Mickelson


Er sei gegrillt worden, hieß es hernach in manchem Kommentar. Mickelsons Medien-Auftritt war nichts weniger als das. Er gab sich düster und defensiv, quasi in Moll; wie ausgeknipst waren das gewohnte Getöse, das gauklerische Glitzern in den Augen, das Dauerlächeln. Es wirkte wie eine wohlkalkulierte Notwendigkeit im Spagat zwischen der alten und der neuen Golfwelt, zwischen dem Disruptor LIV und dem in diesem Fall vom amerikanischen Golfverband USGA repräsentierten Establishment.

„Phil macht nie den Mund ohne eine bestimmte Absicht auf“

Oder wie der Journalist Alan Shipnuck in einem Interview sagte: „Phil macht nie den Mund auf, ohne eine bestimmte Absicht zu verfolgen. Er ist außergewöhnlich berechnend.“ Es ist jener Shipnuck, renommierter Journalist und Mitglied des Autoren-Kollektivs „The Fire Pit Collective“, der mit den Vorab-Infos aus seiner jüngst erschienenen Mickelson-Biographie all die Steine erst ins Rollen gebracht hat, auf denen der Protagonist des Buchs jetzt zu balancieren versucht.

Und so besteht „Leftys“ Läuterung zuvorderst darin, künftig leise sein zu wollen, vieles „für mich zu behalten“. Kein Narzissmus mehr? Kein dozieren, antagonisieren, provozieren, polarisieren? Auch das kaum zu glauben.

Alan Shipnucks Ausschluss und Greg Normans Lüge

Als plakative Petitesse am Rande muss erwähnt werden, dass besagter Alan Shipnuck zur LIV-Golf-Premiere nach London gereist war, „um darüber zu berichten, wenn sich im Golf derart gravierende Dinge ereignen – das ist nun mal mein Job.“ Nachdem er erst auf mehrfaches Insistieren eine Akkreditierung erhalten hatte, wollte er an Mickelsons Pressekonferenz teilnehmen, wurde allerdings von „stiernackigen Sicherheitsleuten“ (Shipnuck) am Eingang sanft, aber entschieden daran gehindert – angeblich auf Order von deren Chef als „unerwünschte Person, mit der Mickelson nicht reden will“.

Als sich Shipnuck darob per Twitter bei LIV-Impresario Greg Norman beschwerte, antwortete „The Great White Shark“: „Davon habe ich nichts mitbekommen.“ Und dann tauchten Ansicht der Szene aus einem neuen Blickwinkel – und nein, es ist keine Fotomontage:

Mag ein jeder davon halten, was er will . Doch das muss man nicht mehr kommentieren. Es passt zur Posse, die Norman mit dem Geld des saudi-arabischen Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) aufzieht. Und wie niemand sonst im Spielerfeld steht seine Galionsfigur Mickelson für die aktuell auftretende Ambivalenz im Profigeschäft: Hier die Moneten, dort die Meriten. Er und seine Gesinnungsgenossen wollen das Beste aus beiden Welten; trachten danach, sich die Rosinen herauszupicken – was schert sie da ihr Geschwätz von gestern, frei nach Adenauer.

„Der PGA Tour etwas zurück geben“

Mickelson empfindet die PGA Tour als „Diktatur“ von „widerlicher Gier“ und kollaboriert mit dem Regime aus Riad – wie war das gleich noch mit  dem Thema „Diktatur“? –, weil ihm dessen „blutiges Geld“ („Washington Post“) „einen Hebel gegen die Tour“ bietet. So jedenfalls zitierte ihn Shipnuck. Heute sagt derselbe Mickelson: „Ich bin sehr dankbar für die vielen Erinnerungen, Möglichkeiten, Erfahrungen, Freundschaften und Beziehungen, die mir die PGA Tour geboten hat. Diese werden ein Leben lang halten, und ich hoffe auf die Chance, noch mehr davon zu bekommen.“ Dafür ist die PGA Tour dann noch gut genug.


„Ich habe hart gearbeitet, um der PGA Tour und dem Golfsport in meinen mehr als 30 Jahren als Profigolfer etwas zurückzugeben; hart genug, um mir eine lebenslange Mitgliedschaft zu verdienen.“

Phil Mickelson


Im Februar bezeichnet er die Saudis laut Shipnuck als „Scary Motherfuckers“, jetzt umarmt er – wie schon bei seinen Teilnahmen am Saudi International – PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan oder den saudischen Golfverbandschef Majed Al Sorour.

Er empfindet tiefes Mitgefühl für die Opfer von 9/11, nutzt seine Stellung hingegen nicht für ein klares Statement. Und und und.


Mickelson ist und bleibt ein Zocker. Mit der pekuniären Seite „meiner rücksichtslosen und peinlichen“ Spielsucht hat er sich angeblich Schulden von 40 Millionen Dollar eingehandelt – und gemäß seiner jüngsten Aussagen bereits hunderte Therapiestunden gehabt. Der charakterliche Aspekt wirft einen unangenehmen Schatten von Selbstsucht und Selbstdarstellung, Maßlosigkeit und moralischen Defiziten auf sein fraglos grandioses sportliches Vermächtnis. Fazit: „The People’s Player“, der morgen 52 Jahre alt wird, hat die früher wohldosierte Balance zwischen charismatischem Charmeur und schelmischem Schurken verloren. Übrig bleibt, was Mickelson immer schon war – ein Ego Shooter.

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