Ist das schon Pfeifen im dunklen Wald? Sag man doch, wenn jemand Dinge schönredet und Durchhalteparolen ausgibt, obwohl der Karren tief im Dreck steckt. Jemand wie US-Teamchef Keegan Bradley beispielsweise, dem gestern ganz offenkundig die Worte fehlten. Weil man sich beim Gastgeber den Verlauf dieses ersten Tages der 45. Ryder Cup Matches ganz anders vorgestellt hatte. Die Titelverteidiger aus Europa gewann beide Sessions und gingen mit einem 5,5:2,5 zum Abendessen, während Bradley sich vor Kameras und Mikrofonen um Beschönigungen bemühte und auch das Foursome Duo Collin Morikawa/Harris English erklären musste, die 132. und letzte Variante aller rechnerisch möglichen Paarungen: „Es sind erst 28 Prozent der Punkte vergeben. Noch gibt es keinen Grund zur Panik.“ Und: „Wir halten an unserem Plan fest.“
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Gutes Stichwort. Es darf die Frage erlaubt sein, ob es nicht ein strategischer Fehler war, mit den Alternate Shots zu beginnen und dem Titelverteidiger so die Chance auf ein frühes Momentum zu geben. Bekanntlich hatte Luke Donald 2023 in Rom genau deswegen den Ablaufplan geändert, und seine Spieler haben den Amerikanern mit 4:0 ordentlich den Rost von den Schlägern gebürstet. Bradley scheint daraus nicht gelernt zu haben, oder er hofft auf eine Wende im Momentum, wenn das traditionell den Vierball favorisierende US-Team womöglich heute Nachmittag den Kick für die morgigen Einzel einfährt. Gestern hat das jedenfalls schon mal nicht geklappt.
Sei’s drum, jedenfalls hat noch nie ein europäisches Team in den USA nach der ersten Session mit drei Punkten vorn. Und wiewohl voreiliger Optimismus gewiss nicht angebracht ist, drängen sich angesichts der Situation im Bethpage State Park einige Statistiken förmlich auf:
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Selbst mit dem vermeintlichen Heimvorteil und der Höhle des amerikanischen Löwen ist das so eine Sache. In den vergangenen 40 Jahren hat Europa 44,44 Prozent der Duelle in den USA gewonnen. Aber man soll auch diese 45. Ryder Cup Matches natürlich nicht vor dem letzten Einzel loben.
Es ist zum Weinen mit Scheffler
Irgendwie erinnert auch das an Tiger Woods: Scottie Scheffler ist die unangefochtene Nummer eins der Welt und der Dominator auf der PGA Tour, aber beim Ryder Cup will’s mit der gewohnten Brillanz nicht so recht klappen. Der 29-Jährige hat keines seiner letzten sechs Matches gewonnen, bringt es mit 22 Prozent an Siegen witzigerweise auf dieselbe Quote wie im normalen Turniergeschäft:
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In Rom vor zwei Jahren trieben ihm Viktor Hovland und Ludvig Åberg die Tränen in die Augen, und auch heuer in Bethpage Black ist Schefflers Punkte-Bilanz für die US-Verantwortlichen und ihn selbst eher zum Heulen:
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Die Kreativität von Europas Fans
Perfekt Match: Die Kreativität der europäischen Fans passt zur bisherigen Vorstellung von Luke Donalds Dutzend auf dem Black Course des Bethpage State Park. Als es gestern Vormittag eher Ryder-Cup-untypisch ruhig war – was Wunder angesichts der amerikanischen Foursome-Vorstellung –, skandierten die Sympathisanten von Blau-Gold flugs: „Is this a Library“ und spielten damit auf die in Bibliothekssälen gemeinhin verordnete Ruhe an.
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Nachmittags präsentierten sie sich angesichts des Besuchs von US-Präsident Donald Trump mit sehr speziellen T-Shirts, die per Fotomontage das Porträt des europäischen Teamchefs auf dem Oberkörper des Präsidenten hinter dem Schreibtisch im Oval Office zeigten und als Text verkündeten: „Jetzt ist ein anderer Donald in der Stadt.“ Einfach klasse! Die Fanbase der Amerikaner hatte dem zumeist nur Grölerei, Fäusteballen und die üblichen „USA, USA“-Sprechchöre entgegenzusetzen.
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Der Präsi und sein Spezi
Wiedervereinigung: US-Präsident Donald Trump war gestern tatsächlich beim Ryder Cup – wer hätte auch bezweifelt, dass sich The Donald diesen Auftritt würde nehmen lassen. Und er hatte seine Enkelin Kai mitgebracht, bekanntlich eine recht ordentliche College-Golferin, die in einem weißen Pullover gleich mal ihre gerade gelaunchte Bekleidungsmarke promotete. Während draußen die Fans wegen der weitläufigen Sicherheitsabsperrungen warten mussten und den Auftakt der Vierballs verpassten, ließ sich Trump am ersten Abschlag von Bethpage Black feiern. Und natürlich gab’s einen Handschlag mit Spezi Bryson DeChambeau, den wir gestern schon als MAGA-Mann skizziert hatten.
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Zur Vollständigkeit gehört allerdings auch Bob MacIntyre zitiert, der so seine ureigene Sicht auf das Trump’sche Theater hatte: „Ich bin nicht helle genug, um diesen Politikkram nachvollziehen zu können. Für mich ist er bloß ein Zuschauer wie jeder andere hier auch.“
McIlroys Schatten
Der Mann im Hintergrund: Haben Sie sich schon mal gefragt, was es mit dem vierschrötigen, bärbeißig wirkenden Typ auf sich hat, der Rory McIlroy auf Schritt und Tritt begleitet, wie ein Schatten folgt, nicht von der Seite weicht – egal, wo der Nordire aufteet?
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Gestatten: Dawber, Andy Dawber, Beruf: Bodyguard. Oder vornehmer ausgedrückt: Personenschützer. Dawber ist Mitinhaber der Sicherheitsfirma Principal Protections und soll ehemaliger Militärangehöriger sein. Er trat bislang zwei Mal mehr oder weniger in Erscheinung: Beim Beef nach dem Ryder Cup in Rom, als Rory McIlroy am Ende des Tages auf dem Parkplatz wegen Patrick Cantlays Caddie Joe LaCava sogar im Gespräch mit Jim „Bones“ Mackay noch mal ausflippte, und Dawber sowie Shane Lowry dazwischen gehen mussten. Und bei der Scottish Open dieses Jahr, als er einem Zuschauer erste Hilfe aus seinem voluminösen Rucksack leistete, der sich offensichtlich einen Sonnenstich eingefangen hatte.
Rory was NOT HAPPY leaving the course. Bones gets in between him and whoever he was yelling at. pic.twitter.com/hO3oZ9KXy9
— GOLF.com (@GOLF_com) September 30, 2023
„His Airness“ und die düsteren Vorahnungen
Vorahnung: Basketball-Heros Michael Jordan ist Ryder-Cup-Edelfan und nimmermüder Motivator des US-Teams. Selbstredend ist der 62-Jährige auch in Bethpage Black dabei – und hatte schon früh am Freitagmorgen dunkle Vorahnungen. „Wir kriegen Probleme“, raunte „His Airness“, als Tyrrell Hatton im ersten Match ein Birdie zum 3 up mit Jon Rahm gegen Bryson DeChambeau und Justin Thomas lochte. Jordan sollte recht behalten: Luke Donalds Aufgebot überfuhr den Gastgeber in den Foursomes mit 3:1, was ein wenig an den Auftakt vor zwei Jahren in Rom erinnert.
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Von der Swamp Road zum Arnold Palmer Way
Ehre, wem Ehre gebührt: Ein Menge wird auf-, um- oder gar neugebaut für einen Ryder Cup. Im Bethpage State Park haben sie im Vorfeld des Kontinentalduells auch ein Straßenschild verändert. Die Round Swamp Road, die den Platz in zwei Teile schneidet (Loch 1, Loch 15 bis 18 und Loch 2 bis 14), heißt jetzt Arnold Palmer Way, das passt auch viel besser. „The King“ war bekanntlich 1963 Amerikas letzter Playing Captain, bestritt den Wettbewerb als Spieler (6) wie als Skipper (1) zwischen 1961 und 1975 insgesamt sieben Mal, ausnahmslos siegreich. Und als Publikumsliebling – man denke nur an „Arnies Army“ – gehört Palmer im „People’s Country Club“ auch zwingend verewigt.
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XVE/
Bradleys Vertrauen in den Präsidenten
Zum Schluss: … der Spruch des gestrigen Tages. Nach der Foursome-Klatsche vom Vormittag wurde US-Skipper Keegan Bradley zu seiner Wahrnehmung des Ryder-Cup-Auftakts befragt. Der 39-Jährige bemühte die üblichen Floskeln vom Vertrauen in seine Spieler und sagte dann etwas eher Seltsames: „Ich habe gerade Airforce One über dem Platz gesehen, der Präsident ist im Anflug. Ich habe das Gefühl, dass sich damit die Dinge zum Besseren wenden.“ Hat ja wirklich prima geklappt. Ironie wieder aus – und es war übrigens Marine One, der Helikopter.