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Die LIV-Liga in der neuen Golf-Welt: Zum skurrilen Nebendarsteller verdammt?

16. Mrz. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Greg Norman beim Event der LIV Golf League in Mexiko. (Foto: Getty)

Greg Norman beim Event der LIV Golf League in Mexiko. (Foto: Getty)

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McKinsey wird recht behalten: Zwölf der weltbesten Golfer brauche es, dazu Tiger Woods und eine widerstandslose PGA Tour, sonst werde „Project Wedge“ ein Rohrkrepierer. So haben es die Analysten der US-Beratungsfirma den Saudis und ihrem Public Investment Funds (PIF) 2021 bei ihrer Prognose für einen alternativen Golf-Circuit prophezeit. Eine Dreisatz-Rechnung, die nicht aufgegangen ist. Und auch nicht mehr aufgehen wird.

Zalatoris hat 130 Millionen abgelehnt

Greg Norman, der Kapellmeister des Konkurrenz-Konstrukts von Kronprinz Mohammed bin Salmans und PIF-Direktor Yasir Al-Rumayyans Gnaden, hat bis zum zweiten Event der Saison diese Woche in Tucson/Arizona nicht mal Teil eins zuwege gebracht. Außer Cameron Smith und Dustin Johnson vermochte er lediglich, angehende Loser zu LIV zu lotsen: marode Ex-Majorsieger, einen Haufen in die Jahre gekommener Haudegen, ein paar Unsympathen, die eh keiner vermisst. Und den eitlen Egomanen Phil Mickelson. Der Rest ist Füllmaterial, trotz des einen oder anderen bekannten Namens.

Abgesehen von Joaquín Niemann ist auch niemand der Young Guns aus der Generation Z dem Lockruf des Geldes erlegen, mit denen sich im Gefecht um Glanz und Gloria richtig Staat machen ließe. Kein Scottie Scheffler, kein Viktor Hovland, kein Collin Morikawa, kein Will Zalatoris. Dabei hatte man Letzterem 130 Millionen Dollar für einen Spurwechsel geboten, will man den jüngsten Äußerungen von Fred Couples Glauben schenken. Was für eine Schlappe für Norman.

Das Gewicht von Woods und McIlroy

Mehr noch: Der vom Regime in Riad munitionierte Schuss gegen das Establishment geht eher nach hinten los. Die PGA Tour türmt Millionen und Abermillionen gegen den Wind aus der Wüste auf, obwohl ihr Commissioner Jay Monahan stets gesagt hat, dieser Krieg sei nicht zu gewinnen, wenn er nur mit Geld geführt werde. Tiger Woods und Rory McIlroy haben ihn eines Besseren belehrt, als sie ihr Gewicht in die Waagschale warfen.

Sie haben die Elitespieler geeint und hinter sich vereint. Sie haben mit den Designated Events die Eliteliga bekommen, der vor allem McIlroy seit langem mit seinem Wunsch nach einer World League das Wort redet: Die Crème de la Crème spielt nahezu permanent gegeneinander, noch ein paar Europa-Turniere dazu, dann ist die Sache für ihn rund. Und sie haben sich dank ihrer stargespickten Tomorrow Golf League (TGL) noch enger mit dem tourtreuen Top-Personal und der Segen spendenden PGA Tour verbandelt. Rickie Fowler ist übrigens der jüngste TGL-Neuzugang.

 

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Will heißen: Das Establishment erscheint besser aufgestellt denn je, TV-Anstalten und wesentliche Werbepartner stehen applaudierend Spalier. Ein paar motzende Spieler und Turnierveranstalter, die sich plötzlich in der unteren Etage dieser Zweiklassengesellschaft wiederfinden, sind allenfalls Kollateralschäden. Sie werden sich schon wieder einfangen und besänftigen lassen: Bei den Designated Events ist schließlich fast jeder mal dran. Für James Hahn und Co. wiederum hat McIlroy eine Basta-Botschaft parat: „Schießt gute Scores, dann seid ihr oben mit dabei.“ Vielleicht gibt’s auch ein paar vergoldete Maulkörbe, durch die Reduktion des Player Impact Programm auf wieder „nur“ 50 Millionen sind ja ein paar Bucks frei geworden.


„Warum hätte eine PGA Tour über Innovationen nachdenken sollen, wenn sie doch seit 60 Jahren konkurrenzlos und unangefochten die größte Golfliga der Welt auf dem größten Markt der Welt ist? Ich werde nicht lügen: Das Auftauchen von LIV Golf […] ist jedem zugute gekommen, der Elite-Profigolf spielt. Jetzt wird ein ziemlich antiquiertes System überarbeitet, und jeder Profigolfer wird künftig davon profitieren.“

Rory McIlroy


LIV Golf vs. pga Tour: Wer hat wen kopiert?

Alles Gerede drumherum ist lediglich Kulissendonner. Wer wen kopiert hat, beispielsweise: LIV hat sein Konzept bei der Premier Golf League geklaut und baut jetzt beim Australien-Gastspiel im kommenden Monat das Party-Par-3 der Waste Management Phoenix Open aus dem TPC Scottsdale nach. So what. Die PGA Tour andererseits hat das LIV-Format in gewisser Weise adaptiert, mit den Designated Events sowie vor allem mit der Reform für 2024 ein paar „offenkundige Schwachstellen“ (McIlroy) in ihrem Konzept geschlossen und garantiert Fans, Fernsehen und Förderern nun bis zum Sonntagabend komplette Stardichte. Bestens.

Ebenso müßig ist die Frage, ob Ponte Vedra Beach sich ohne LIV Golf in Sachen eigentlich überfälliger Moves ebenso beweglich gezeigt hätte? Nie und nimmer. „Rors“, Jon Rahm oder etwa Jordan Spieth haben das längst und mehrfach bestätigt. Um „Rahmbo“ zu zitieren: „Wir sollten dankbar sein, dass die PGA Tour sich angesichts dieser Bedrohung zu Änderungen genötigt sah. Schade, dass sie dafür erst von fremder Seite unter Beschuss genommen werden musste. Aber offenbar brauchten wir das.“

Mickelsons Verdienst an den Veränderungen

McIlroy hat vor geraumer Zeit sogar Ober-Kollaborateur Mickelson „in gewisser Weise“ ein Verdienst an den Veränderungen zugestanden: „Er ist die Sache bloß nicht auf dem richtigen Weg angegangen.“

Gleichfalls ins Bild passt „Leftys“ kürzliche Behauptung, er sei Anfang vergangenen Jahres mit einem milliardenschweren Sponsor – vermutlich den PIF – sowie der Idee von acht Elevated Events und allem sonstigen Zipp-und-Zapp an Monahan herangetreten, doch der „Commish“ habe das nicht für bare Münze genommen und kein Interesse gezeigt.

Warum auch, um mit dem Selbstverständnis der Tour zu sprechen. Ohne Druck gab’s für den Monopolisten keine Veranlassung, von der absolutistischen und selbstgerechten Haltung abzugehen. Erst als die Saudi-Schimäre zur Realität wurde, kam Monahan in Wallung, wusste sich indes nur mit ohnmächtiger Hartleibigkeit zu helfen und lief der Entwicklung hechelnd hinterher. Woods und McIlroy haben ihm mit ihrer Mobilmachung (vorerst) den Allerwertesten gerettet.

„Beste Herrengolf-Liga der Welt“

„Die Tour hat ihren Ruf als die beste Herrengolf-Liga der Welt gefestigt“, schrieb „Sports Illustrated" vor der Players Championship: „Der Titelverteidiger Cam Smith wird fehlen, aber er wird das Turnier mehr vermissen als die Players ihn.“ War wohl so. Mit seiner Gala-Vorstellung hat Scottie Scheffler den fusselhaarigen Australier völlig vergessen gemacht. Und nun?

Nach Stand der Dinge hat LIV Golf das Armdrücken mit der PGA Tour verloren. Die Saudi-Sause hat eine unerwartete und allenfalls von McKinsey als „worst case“ in Betracht gezogene allergische Reaktion des Establishments ausgelöst und dessen Immunsystem in ungeahnte Höhen geboostert. Sie war das Beste, was dem Profitstreben der PGA-Profis passieren konnte. Warum sollte jetzt überhaupt noch jemand aus der Beletage das wohl- und neu aufgepolsterte Nest verlassen?


Man möchte Friedrich Schiller bemühen, „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“, dritter Akt: „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen“. Normans Operettenliga steht als skurriler Nebendarsteller da. „Golf. But louder“. Zuvorderst Klamauk. Mit seltsamen Belustigungen wie der „Reaction Wall“. Aber immer noch ein Muster ohne sportlichen Wert und ohne Weltranglistenpunkte, allen Qualifikations- und Relegationsankündigungen zum Trotz.

Mickelson räsonierte deswegen schon laut über eine Erweiterung auf 72 Loch. Dann wäre wenigstens die Firmierung LIV obsolet, die römischen Ziffern für 54. Denn Norman schafft es nicht mal, den Titel als Warenzeichen eintragen zu lassen. Ein Nachtclub in Miami gleichen Namens hat Widerspruch eingelegt. Vielleicht sollten die Kontrahenten einfach kooperieren, es gibt eine Menge Gemeinsamkeiten.

Für Greg Norman wiederholt sich die Geschichte

Für den „Großen Weißen Hai“ wiederholt sich gerade Geschichte. In den 1990 Jahren hat der Australier schon mal gegen die PGA Tour den Kürzeren gezogen, ist mit seiner Idee einer World League beim Establishment vor die Wand gelaufen. Diesmal hat er es sogar geschafft, seine Geldgeber zu verärgern. Die Kartellrechtsklage gegen die PGA Tour läuft aus dem Ruder, es wurde eine Offenlegung der Akten angeordnet, Al-Rumayyan schäumt. Weil er sich vom Gericht und – viel schlimmer – von den Anwälten der PGA Tour – in die Karten schauen lassen muss. Und weil das LIV-Konstrukt viel Geld verschlingt, aber nicht wirklich was bringt.

Major-Triumph als Existenzverlängerung?

Einstweilen dürfen die Protagonisten noch ein bisschen Franchise-Unternehmer spielen – auch das ein Experiment mit offenem Ausgang. Norman und LIV können nur hoffen, dass irgendeiner der Ihren in den nächsten Monaten ein Major gewinnt. Dieser schwarze Tag für PGA Tour und DP World Tour wäre wahrscheinlich ein existenzverlängernder Triumph. Denn, um das nicht zu vergessen: Am Ende des Jahres machen die Saudis Kassensturz. Und ansonsten womöglich Tabula rasa.

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