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Die LIV Golf League im Jahr zwei: Penunsen, Protz und Parolen zum Finale

24. Okt. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Greg Norman bei der Siegerehrung der Einzelwertung der LIV Golf League. (Foto: twitter.com/@SharkGregNorman)

Greg Norman bei der Siegerehrung der Einzelwertung der LIV Golf League. (Foto: twitter.com/@SharkGregNorman)

Das war sie also, die LIV-Saison 2023. Beim selbsternannten Oberzampano Donald Trump in Doral haben die 48 Goldgräber von Saudi-Arabiens Gnaden jetzt auch die Teamwertung ausgespielt und um obszöne 50 Millionen Dollar gezockt – am Ende sind Bryson DeChambeaus Crusher um 14 Millionen Dollar in ihrer Mannschaftskasse reicher. Und wir um die Erkenntnis, dass man mit Geld doch nicht alles kaufen kann: Weltranglistenpunkte beispielsweise. Oder Zuschauer. Oder TV-Partner. Oder Sponsoren und andere Förderer.

Hämische Sprüche und Geld scheffeln

LIV war auch im Jahr zwei nach der 2022 hastig auf den Markt geworfenen Betaversion dessen, was eigentlich das Profigolf der Herren revolutionieren sollte, ein seelenloses Muster ohne sonderlichen sportlichen Wert. Da können die Protagonisten sich noch so sehr in die Brust werfen und feixend den Fun-Faktor ihrer Herrennachmittage beschwören, während sie hämisch auf die vermeintlichen „Bettelbrüder“ des Golfestablishments herabblicken und verächtliche Sprüche loslassen. Darin waren sie auch dieses Jahr groß, die Lautsprecher dieses golferischen Paralleluniversums.

Und im Geld scheffeln. 405 Millionen Dollar wurden heuer unter die 48 Spieler verteilt, Talor Gooch und Cameron Smith waren mit über 35 beziehungsweise mehr als 21 Millionen an Börsen und Boni die Top-Verdiener, ihre Garantiegagen sind darin nicht enthalten. Martin Kaymer übrigens brachte es auf lediglich 1,465 Millionen, Bernd Wiesberger immerhin noch auf 2,462 Millionen.

DeChambeaus 58 als nicht unumstrittener Höhepunkt

Wenn Bilder mehr sagen als tausend Worte, dann brachten die Impressionen vom Individualfinale in Jeddah den peinlichen Protz auf den Punkt, den die LIV-Liga nach wie vor propagiert: wie Greg Norman auf der Bühne vor dem Gesamtsieger Talor Gooch auf die Knie fällt und ihm die Insignien des Erfolgs überreicht; die Fotos des monströsen Rings nach Super-Bowl-Vorbild und der Statuskette samt RangeGoats-Plakette, die jedem Zuhälter in amerikanischen B-Movies zur Zierde gereichen würde.

Fürs sportliche Image hingegen sorgte vor allem Brooks Koepka mit seinem fünften Majorsieg bei der PGA Championship und mit dem zweiten Platz beim Masters. Und vielleicht noch Bryson DeChambeau mit seiner 58er-Runde auf dem Old-White-Kurs des Greenbrier Resort in West Virginia, wenngleich Experten das angesichts des reduzierten Schwierigkeitsgrads gar nicht unbedingt mit ähnlichen Scores auf der PGA Tour gleichsetzen wollen. Und dann war da noch der Zuschauer-Hype beim Australien-Gastspiel in Adelaide, der gezeigt hat, wie unterversorgt „Down Under“ in Sachen Golf auf großer Bühne und mit großen Namen ist – ein Vorwurf, den sich vor allem die PGA Tour gefallen lassen muss.

„Ich habe nur wegen der Kohle unterschrieben“

Brooks Koepka wiederum gebührt gleichsam der Verdienst, mit einer einzigen Aussage erneut vor Augen geführt zu haben, worum es bei LIV Golf nach wie vor geht. Um die Penunse. Andere wie Harold Varner III haben das vor ihm bereits getan, jedoch nicht in dieser unverbrämten Deutlichkeit. „Ich will ganz ehrlich sein, ich habe nur wegen der Kohle unterschrieben“, bestätigte der 33-Jährige dieser Tage, der nach der verkorksten US-Open 2022 übergelaufen war, als er sich in einer verletzungsbedingten tiefen Schaffenskrise befand, und unlängst Vater geworden ist: „Dazu stehe ich zu 100 Prozent. Ich weiß nicht, ob ich morgen einen Autounfall habe und nie wieder Golf spielen kann, für meine Familie ist dann wenigstens gesorgt.“

 

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Lassen wir das mal unkommentiert stehen – ohne darauf hinzuweisen, dass Koepka es vor dem Wechsel bereits auf über 44 Millionen Dollar an Karriere-Preisgeld gebracht hatte. Oder dass er beim Masters eingeräumt hat, die Wechsel-Entscheidung wäre deutlich schwieriger ausgefallen, wenn er gesund und in Form gewesen wäre.

Das OWGR und die beleidigten LIV-„Kinder“

Wie auch immer, mehr war 2023 jedenfalls nicht. Greg Norman, der Kapellmeister des Konkurrenzkonstrukts, hätte den Winter 2022/2023 für Strukturänderung und eine akzeptable Anpassung ans Weltranglistensystem nutzen können, statt im narzisstischen Alleingültigkeitsanspruch zu verharren und wider offenkundige Inkompatibilität auf Aufnahme zu pochen, bloß weil er den beiden etalblierten Touren eine Handvoll guter Golfer abgeworben hat, die seither um ihre Majorteilnahmen bangen. Die endgültige Absage seitens des OWGR-Direktoriums war da nur folgerichtig; die Reaktion der beleidigten LIV-„Kinder“ ebenfalls erwartbar: „Bäh, du bist eh doof und von gestern. Eigentlich will ich sowieso nicht mit dir spielen.“ Kennt man bereits zur Genüge.

Franchisekonzept ist nach wie vor nur Papier

Apropos Parolen: Während die viel beschworene, ach so innovative Franchisestrategie bei LIV immer noch kaum das Papier wert ist, auf dem sie skizziert worden war; während sich nach wie vor weder namhafte Investoren noch großkalibrige Sponsoren oder sonstige Werbepartner eingestellt haben; während weiterhin ein seichter Klamaukkanal als TV-Partner herhalten muss und maue Quoten liefert; zeigen Tiger Woods und Rory McIlroy mit ihrem Stadionspektakel TGL, dass Kontakte nur dem schaden, der keine hat. Oder der es sich seit Jahren mit allen verscherzt hat, wie der unbeliebte Norman mit seiner revanchistischen Ranküne. Das Line-up der Stars steht, die Investoren sind ohnehin da und engagieren sich vielfach zudem als Teameigner, der Sportsender ESPN überträgt live und exklusiv. So geht Liga.

Hohn und Spott für TGL

Und was passiert? Von LIV kommt Hohn und Spott. Das sei allenfalls eine Alibiveranstaltung und Kalkül der PGA Tour als TGL-Kooperationspartner, um Woods und McIlroy mit einer neuen Spielwiese und garantiertem Geld in Millionenhöhe bei der Stange zu halten, ätzte ein nicht genannter LIV’ler im britischen „The Telegraph“. Ian Poulter posaunte im selben Bericht: „Plötzlich will jeder was mit Teamsport machen.“ Das sei total durchsichtig und bestätige lediglich das LIV-Konzept. Na klar doch.

Für eine Operettenliga, die eine zweite Saison ohne nennenswerte Fortschreibung der geschäftlichen Zielsetzung hingelegt hat und damit gewiss auch unter den eigenen Erwartungen geblieben sein dürfte, die irgendwelche Displays auf Golfbags als letzten Schrei in Sachen Marketing verkauft und nicht auf eigenen Füßen stehen kann, sondern weiterhin am Tropf des saudi-arabischen Staatsfonds PIF hängt, nehmen einige dort den Mund ganz schön voll. „Si tacuisses, philosophus mansisses“, wusste schon der altrömische Gelehrte, Philosoph und Politiker Boethius (um 480 bis 525): Hättest du geschwiegen, wärest du ein Philosoph (ein Weiser) geblieben.

Mehr als ein Dutzend Investment-Interessenten

Wenigstens hat LIV Golf jetzt mit Lawrence Burian einen neuen Chief Operating Office. Als Nachfolger des im Dezember 2022 ausgeschiedenen Atul Khosla soll der ehemalige Manager des Madison Square Garden in New York die Kommerzialisierung der zwölf LIV-Teams und das generelle Geschäftsmodell vorantreiben. Glaubt man Bubba Watson, dann stehen allein zehn bis 20 Interessenten bereit, die seine RangeGoats kaufen wollen. Dustin Johnson sprach ebenfalls von etlichen potenziellen Team-Eignern für diverse LIV-Formationen. Als Interims-COO fungierte übrigens bislang Gary Davidson von Performance 54, was einmal mehr zeigt, wie eng die PR-Agentur mit LIV und letztlich den Saudis verbunden ist.

Ach, und Greg Norman ist auch wieder da, hat sich mit einer markigen Kampfansage zurückgemeldet, nachdem seit der Verkündung des Pakts zwischen PIF und PGA Tour am 6. Juni vom Australier kaum bis gar nichts zu hören war. „Alles deutet darauf hin, dass die Position von LIV noch nie so stark war wie jetzt, dass der Erfolg unserer Spieler und unserer Marke noch nie so groß war“, tönte „The Great White Shark“ vergangene Woche in Doral und verkündete: „Mit Blick auf das Jahr 2024 haben wir einen vollen Terminkalender.“

Mickelson spricht von weiteren Überläufern

Und womöglich ein paar namhafte Neuzugänge. Jedenfalls, wenn man den Ausführungen von Phil Mickelson folgt. „Ich glaube nicht nur, dass weitere Profis von der PGA Tour zu uns wechseln werden – ich weiß es sogar, dass es passieren wird“, erklärte „Lefty“ vor kurzem: „Jeder hier ist glücklich und hat Spaß an dem, was er tut, genießt den Teamaspekt, die Kameradschaft und die Möglichkeit, den Golfsport in die ganze Welt zu tragen. Es gibt also eine Menge Spieler von außerhalb, die das sehen und dabei sein wollen. Die Frage ist nur, wie viele Plätze sind noch frei? Es gibt viel mehr Spieler, die kommen wollen, als wir freie Plätze haben.“

Was man halt so sagt am Saisonende. Weil man eben was zur Zukunft sagen muss, im Fall LIV mit gewohnter Großspurigkeit. Oder mit neu entfachtem Selbstbewusstsein bezüglich der Perspektiven für den Bestand von LIV, da die Verhandlungen zwischen PIF und PGA Tour zur Ausgestaltung des Rahmenabkommens eher stocken laufen und gewiss nicht – wie eigentlich terminiert – am 31. Dezember unter Dach und Fach sein werden. Oder anders: Der Deal wackelt, und plötzlich kommen alle wieder aus den Löchern und werfen sich in die Brust.

LIV-Liga ist Al-Rumayyans Pfund

Wie auch immer: Solange PIF-Direktor Yasir Al-Rumayyan seine Allmachtsträume nicht verwirklicht hat, bleibt die LIV-Liga das Pfund, mit dem der Saudi wuchern, das er als Verhandlungsmasse in die Waagschale werfen kann. Sie ist Al-Rumayyans Spielzeug und auf Gedeih und Verderb von seinem Wohlwollen abhängig. Norman, Mickelson und Co. sind lediglich gut bezahlte Figuren auf dem Schachbrett seiner Ambitionen. Das Ringen um die Deutungshoheit im Profigolf der Herren geht weiter. Vorerst noch hinter den Kulissen. Aber der am 6. Juni verkündete Waffenstillstand im Tauziehen der Touren ist längst ein sehr brüchiger Friede.

Disclaimer (mit Augenzwinkern): Sorry, der Autor ist nun mal nicht als Sympathisant der Saudi-Sause bekannt. Glücklicherweise aber muss ein Kommentar ad definitionem nicht objektiv sein.

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