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Der englische Patient: Schluckt die PGA Tour bald Europas Golf-Circuit?

29. Mai. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Keith Pelley, Chef der European Tour, bei einem Turnier. (Foto: Getty)

Keith Pelley, Chef der European Tour, bei einem Turnier. (Foto: Getty)

Let‘s talk about 6: Die European Tour hat ihren Kalender unter dem Damoklesschwert der Corona-Pandemie auf sechs Turniere zusammen gestrichen, aus einem Zirkus mit bunten Gastspielen in aller Herren Länder wird ein nationales Improvisationstheater. Auf dem Spielplan stehen Ware statt Winsen (Luhe), nachdem gestern auch die Porsche European Open abgesagt wurde; oder Birmingham und Sutton Coldfield statt Prag und Madrid. Der Tour-Tross bleibt erst mal in England und Wales, kreist nach dem geplanten Neustart im Juli beim UK Swing quasi um sich selbst. Aus Western kennt man das, wenn die Planwagen sich gegen den Feind von außen zum Trutz-Ring formieren.

Ohne Hilfe aus Ponte Vedra Beach wird es nicht gehen

Auch für die European Tour dreht es sich um Gefahrenabwehr: Der Circuit schwächelt, Impresario Keith Pelley hat TV- und Sponsorenverpflichtungen im Nacken; er muss agieren, um zu retten, was von dieser Saison noch zu retten ist. Gleichzeitig geht Virginia Water das Geld aus. Die Liquidität ist – salopp formuliert – lausig. Laut der Londoner „Times“ betrug das Betriebskapital Ende 2018 lediglich 424.000 Pfund (485.000 Euro); 2015 waren es noch 15 Millionen Pfund (17,14 Millionen Euro).

Und so ist aus dem Raunen hinter vorgehaltener Hand ein deutlich vernehmbares Rumoren in der Kulisse geworden: Ohne Hilfe von „Big Sister“ in Ponte Vedra Beach wird es definitiv nicht gehen. Die Frage ist längt nicht mehr, ob die PGA Tour bei der European Tour einsteigt. Bloß, wann und wie. Keith Pelley ist ohnehin permanent mit seinem US-Pendant Jay Monahan im Gespräch, offiziell in Sachen Corona-Krisen-Koordination, der Kanadier und der Commissioner schätzen sich und sind auf einer Wellenlänge, die mit Monahans Vorgänger Tim Finchem nicht möglich war.

Gemeinsame Front gegen Rivalen und Usurpatoren

Glaubt man Brancheninsidern, wäre eine engere Zusammenarbeit ohnehin im Lauf der kommenden zwei Jahre besiegelt worden. Allein schon, um gemeinsam stärker zu sein und im Schulterschluss Front gegen Rivalen wie die Premier Golf League (PGL) oder finanzstarke Usurpatoren zu machen. „Das lag schon in der Luft, als die Pläne der PGL bekannt wurden. Mit dem Auftreten des Virus ist es nochmals nahe liegender“, sagte beispielsweise der einblicksreiche britische Spielerberater Chubby Chandler, ein Urgestein des Golfgeschäfts, dem Online-Magazin „Global Golf Post“.

Ins gleiche Horn stößt Pascal Grizot, Vize-Präsident des französischen Golfverbands, Chef des Ryder-Cup-Organisationskomitees für Paris 2018 und einer, der im grünen Kosmos das Gras wachsen hört: „Nach meiner Wahrnehmung wäre ein Zusammenschluss oder eine Partnerschaft perfekt, um allen Herausforderungen zu begegnen. Eine starke Allianz von European und PGA Tour böte hervorragende Möglichkeiten zur Entwicklung des professionellen Golf und für die weltweite Golfentwicklung insgesamt.“

Bedrohung durch ungeklärten Ryder-Cup-Termin

In der Tat hat das Corona-Virus alles nur beschleunigt. Es trifft die European Tour überdies ausgerechnet in dem Moment, als Pelleys vielfältige Visionen und kostspielige Investitionen in eine Tour-Zukunft mit neuen Turnierformaten für mehr Entertainment und hippen Social-Media-Aktivitäten für den herrschenden Zeitgeist sich allmählich amortisieren sollten.

Ein nicht unwesentlicher Aspekt in der Gleichung ist die ungeklärte Frage des anstehenden Ryder Cup. Die European Tour finanziert sich bekanntlich nahezu ausschließlich durch die Millionen, die alle vier Jahre beim Heimspiel des Kontinentalwettstreits abgeschöpft werden, dazwischen macht das Hauptquartier in der Grafschaft Surrey operativ gehörig Miese: fast acht Millionen Euro zum Beispiel 2015, rund 10,5 Millionen Euro 2017.

Leichte Beute nach fünf dürren Jahren

Sollte das Duell in Whistling Straits tatsächlich verschoben werden, könnte Pelley die „Cash Cow“ erst 2023 auf die Wiese des Marco Simone Golf & Country Club bei Rom führen und erneut melken – das zusätzliche „Dürrejahr“ würde die eh angeschlagenen Tour vermutlich nicht überstehen. Mindestens wäre sie leichte Beute.

So weit kann es die PGA Tour angesichts der diversen Begehrlichkeiten nicht kommen lassen, an einem Gehacke unter Geiern ist sie nicht interessiert. Sehr wohl aber an einem weitgehend vitalen blau-goldenen Golfreigen. Noch mal Chubby Chandler: „Wenn Europa unter den Fittichen der PGA Tour eine gesicherte Existenz führen kann, dann wäre das eine feine Sache und allen geholfen.“

Es geht um starke gemeinsame Präsenz auf den asiatischen Bühnen mit ihren lukrativen Märkten; ein Terrain, auf dem die European Tour deutlich vielfältiger vertreten ist. Noch.

„Amüsierbetrieb“ Profigolf wird sich verändern

Und es geht auch für Monahans Organisation um den Ryder Cup. In den USA „darf“ man zwar die Spieler stark machen, muss das einträgliche Geschäft indes der PGA of America überlassen. Als Sozius der European Tour bekäme Ponte Vedra Beach – wenn auch über einen Umweg – endlich doch Zugriff auf den Ryder-Cup-Reibach. Welch verlockende Aussicht.

Winston Churchill hat mal gesagt: „Verschwende nie  eine Krise!“ Monahan und die Seinen sind smart und clever genug, sich diese Chance nicht entgegen zu lassen. Sie dürften „zuschlagen“ und den Rettungsschirm aufspannen, bevor der englische Patient endgültig für jedermann zum überreifen Übernahmekandidaten wird. Ob‘s eine Kapitalspritze, Partnerschaft, Fusion oder stille Beteiligung wie die der LPGA Tour bei der European Ladies Tour wird, ist Wortspielerei und bleibt sich gleich: Wenn das Virus durch einen Impfstoff kontrollbar ist, wird der „Amüsierbetrieb“ Profigolf sich ebenfalls verändert haben.

Und ewig winkt die Superliga

Womöglich gibt‘s dann sogar die Superliga. Was die Raine Group mit Saudi-Dollars verspricht, können PGA und European Tour in vereinter Effizienz mühelos halten: Eine World Tour mit den Majors, der Players Championship, den WGC-Events sowie dem handverlesenen Besten aus beiden Golfwelten.

Übrigens: Rory McIlroy sah das alles bereits vor drei Jahren kommen: „Es wäre das beste, wenn die PGA Tour die European Tour einfach kauft“, gab der aktuelle Weltranglistenerste im Oktober 2017 zu Protokoll: „Als Tochterfirma führt die dann die europäischen Turniere durch, dazu gibt es neben den Majors noch vielleicht zwölf andere große Turniere auf der ganzen Welt – wie im Tennis.“

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