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Das Tauziehen um die Tour: Ein gordischer Golfknoten mit vielen losen Enden

21. Dez. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Wimmelbild: Die Gemengelage der Akteure und Interessen in Sachen Herren-Profigolf kurz vor Weihnachten und dem Jahresende. (Fotos: Getty/Kollage: Golf Post)

Es ist das Jahr 333 vor Christus. In der heutigen Türkei löst Alexander der Große das Problem mit dem Streitwagen des längst verblichenen Königs Gordias auf eigene brachiale Weise: Der mazedonische Eroberer zieht sein Schwert und haut das Knäuel knorriger Seile einfach in Stücke. In einer anderen Version der Legende gibt er sich gar nicht erst mit den Verflechtungen ab, sondern demontierte bloß den Splint, der die Deichsel mit dem Wagen verbindet.

Wie auch immer: Jedenfalls überlistet Alexander das Rätsel, an dem sich zuvor so viele versucht hatten und das seinem Bezwinger die Herrschaft über ganz Asien verspricht. Seither steht der gordische Knoten als Metapher für die Überwindung eines eigentlich unlösbaren Problems mit unkonventionellen Mitteln – neudeutsch: Thinking outside the box.

An jeder Strippe steht einer, der dran zieht

Ein bisschen Alexander, so oder so, täte auch im Profigolf der Herren Not. Aus dem Tauziehen der Touren, hier die ehedem so selbstgefällige PGA Tour mit ihrem Appendix DP World Tour, dort die von Saudi-Arabiens Großmannssucht finanzierte LIV Golf League, ist längst ein Tauziehen um die PGA Tour geworden. Und die Entwicklungen der vergangenen Monate haben sich zu einem gordischen Knoten veritablen Ausmaßes verdichtet. Wer ihn entwirrt, dem gebührt sinnbildlich die Herrschaft über den globalen Golfsport. Im Unterschied zum historischen Vorbild hat der Knoten allerdings eine Menge loser Enden. Mehr noch: An jeder Strippe steht einer, der dran zieht.

Showdown ausgerechnet in der stillen Zeit

Das Ergebnis ist ein heilloses Durcheinander, statt Weihnachtsfrieden herrscht Chaos, ausgerechnet in der stillen Zeit des Jahres läuft alles auf einen Showdown hinaus. Der ist sogar terminiert: Am 31. Dezember endet das Rahmenabkommen zwischen PGA Tour und saudi-arabischem Staatsfonds PIF, bis zum Jahresende wollten sich die Parteien auf gemeinsame Sache in einem neuen, gewinnorientierten Unternehmen namens PGA Tour Enterprises geeinigt haben. Die Tour packt alles an Vermögenswerten rein, was sich versilbern lässt; PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan finanziert die ganze Chose mit zwei bis vier Milliarden Dollar und legt das Konkurrenzkonstrukt LIV Golf League als Morgengabe obendrauf. Friede, Freu(n)de, Eierkuchen, das Herrengolf wird wieder eine Einheit, frohes neues Jahr.

Wimmelbild mit tragischer Note

Soweit der Plan. Bryson DeChambeau hat zudem schon angedeutet, dass eine „World Tour“ aus ausgewählten LIV-Turnieren und Signature Events der PGA Tour ein eleganter Weg sein könnte, die LIV-Leute reibungslos zu reintegrieren. In der Realität könnte man von einem solchen Happy End freilich entfernter nicht sein. Angesichts all der handelnden Personen in diesem Drama antiken Ausmaßes gleicht die Bühne derzeit eher einem Wimmelbild – mit der tragischen Note, dass nicht alle miteinander wollen, aber kaum einer ohne den anderen kann.

Die PGA Tour braucht den Deal mit dem PIF, sonst hört das Abwerben ihrer Stars nie auf. Al-Rumayyan hat gerade am Beispiel Jon Rahm gezeigt, dass er jeden kriegen kann; dass es ihm auf ein paar hundert Millionen Dollar nicht ankommt, wenn er die Muskeln spielen lassen will. Die Verpflichtung des Spaniers war eine unverhohlene Warnung an Ponte Vedra Beach.

„Ein Schuss vor den Bug“

„Yasir hat eine Weile still gehalten, während die Tour parallel mit anderen Bewerbern gesprochen hat. Doch dann hat sich den Masters-Champion geschnappt, um ihnen einen Schuss vor den Bug zu setzen – jenen Kerl, der gesagt hat, dass er sich nicht für jeden Preis kaufen lässt“, zitiert „ESPN“ eine Quelle aus dem inneren Kreis der Verhandlungen. „Die Lektion hier ist: Wenn man genug Geld hat, kann man in Amerika machen, was man will. Die Saudis haben das begriffen, und Yasir beherrscht das Spiel perfekt.“


„Der Hauptvorteil eines Deals mit dem PIF ist, dass man nicht weiteren Aktionen à la Rahm zu Tode gequält wird. Die Tour will wirklich nicht mit den Saudis unter einer Decke stecken, sondern könnte auch anderswo Milliarden bekommen – es gibt sehr tiefe Taschen, die einsteigen wollen. Aber die Saudis haben so viel Geld, so viel Macht – sie können dich immer noch zerstören.“

Der „ESPN“-Informant aus Insiderkreisen


Wer da doppeltes Spiel wittert, ist naiv. Die Tour selbst macht es kaum anders. Sie betont eilfertig, eine Umsetzung des Rahmenabkommens mit dem PIF habe Priorität, verhandelt jedoch munter mit anderen Investoren – wohl wissend um Al-Rumayyans Alleingültigkeitsanspruch. Mittlerweile hat sich die Strategic Sports Group als einziger verbliebener Bewerber herauskristallisiert.

Im Sinne des Senats

Eine Beteiligung dieses Konsortiums amerikanischer Sportbusiness-Magnaten würde nicht nur weitere drei Milliarden Dollar in die Kriegskasse der PGA Tour Enterprises spülen, sondern auch den US-Senat besänftigen, dessen demokratische Mitglieder ziemlich sauer sind, dass „ein brutales, repressives Regime [Saudi-Arabien] Einfluss auf eine geschätzte amerikanische Institution kaufen kann“, wie es Senator Richard Blumenthal als Vorsitzender des mit der Causa befassten Untersuchungsausschusses formuliert hat.

Blöd halt nur, dass PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan seit der Verkündung des klammheimlich ausgekungelten Rahmenabkommens am 6. Januar unter Aufsicht steht und sozusagen auf Bewährung im Amt verblieben ist. Während sein Gegenüber Al-Rumayyan im Schatten der Kulisse agiert, kann der zur Transparenz verpflichtete „Commish“ keinen Schritt mehr ohne Memo an die Mitglieder und Genehmigung seines Verwaltungsrats tun, in dem die Spieler dank der Platzierung von Tiger Woods mittlerweile die ihnen zustehende Mehrheit haben.

Tiefe Gräben im Policy Board

Freilich, Harmonie ist damit keineswegs gewährleistet. Es kursieren ziemlich offen Gerüchte, dass im Policy Board tiefe Gräben klaffen. Tiger Woods als erklärter Gegner der LIV-Liga und ihres Impresario Greg Norman dürfte eine rein amerikanische Lösung favorisieren und überdies am Zustandekommen des SSG-Konsortiums nicht ganz unbeteiligt sein – immerhin sind darin auch die im Indoor-Spektakel TGL engagierten Arthur Blank (PGA Super Stores) und John W. Henry (Fenway Sports Group prominent vertreten, pikanterweise übrigens ein Ex-Arbeitgeber von „Commish“ Monahan. Auf der anderen Seite verfolgen beispielsweise Ed Herlihy als Vorsitzender des Policy Board und das externe Mitglied Jimmy Dunne ganz ureigene Interessen.

Die beiden waren immerhin Monahans Parlamentäre bei den Saudis und müssen jetzt um die Früchte ihrer Bemühungen bangen. „Dealmaker“ Dunne ist Vorstandsmitglied der Investmentbank Piper Sandler; Herlihy wiederum Partner der Anwaltssozietät Wachtell, Lipton, Rosen & Katz, die alle Verhandlungen mit dem PIF betreut, saftige Rechnungen schreibt und im Erfolgsfall eine happige Provision kassiert. Noch Fragen?

Das Wohl der Elitegolfer

Ach, und dann ist da ja auch noch Patrick Cantlay, der seit Januar im Board sitzt. Wohlmeinende Menschen wie Jordan Spieth, der den von Monahan im Stich gelassenen und seither politikverdrossenen Rory McIlroy ersetzt hat, attestieren „Patty Ice“, er nehme seine Aufgabe sehr ernst und drehe im Sinne der Spieler jeden Stein um. Andere sprechen davon, dass der Weltranglistenfünfte vor allem aufs eigene Wohl bedacht sei, deswegen auslotet, wo das meiste Geld für die Elitegolfer zu holen ist, und bereits im Board auf Stimmenfang für die von ihm bevorzugte Variante geht.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die jüngste Revolte der 21 Tour-Hinterbänkler, deren prominenteste Mitglied noch Masters-Champion Danny Willett ist und die per Anwaltsschreiben Aufklärung über den Stand der (Verhandlungs-)Dinge gefordert haben.

„Krieg, der mit Geld als Waffe geführt wird“

Was für eine Gemengelage! So viele Leute, die sich um das Fell des Bären PGA Tour balgen, der schon erledigt wirkte, aufgerieben in einem „Krieg, der nur mit Geld als Waffe geführt wird“. So hat es Commissioner Monahan mal bezeichnet, der mitten in diesem Tohuwabohu steht und schon mit dem Aufkommen der ersten Gerüchte über Attacken aufs Establishment, damals noch in Form einer Premier oder Super Golf League, einigermaßen überfordert scheint, diese Zerreißprobe zu beenden.

Herbe Kritik von Viktor Hovland

Zum Schluss bekommt er überdies noch von Viktor Hovland einen eingeschenkt. Der Norweger schließt zwar aus, dass ihn der Frust ebenso in die Arme der Saudis treibt wie Rahm, der sich durchs Intrigenspiel der Tour von seinem Treueeid entbunden fühlte und konsequent durchzog, was offenbar nicht mehr sakrosankt war – das Fraternisieren mit dem Feind nämlich.


„Ich glaube nicht, dass ich ein besserer Golfer werden würde, wenn ich zu LIV ginge. Damit ist die Diskussion beendet.“

Viktor Hovland über irgendwelche Wechselspekulationen


„Eine große Portion Arroganz“

Aber Hovland, immerhin Ponte Vedras größter Vermögenswert mit Zukunftspotenzial, schreibt Monahan gleichermaßen ins Stammbuch: „Das Management der Tour hat keine gute Arbeit geleistet. Spieler werden dort als eher als Arbeitskräfte angesehen, denn als Mitglieder. Dabei sind wir schließlich die PGA Tour. Ohne uns Spieler gibt es nichts.“ Und: „Wenn man dann sieht, was hinter verschlossenen Türen passiert, wie das Management tatsächlich Entscheidungen trifft, die angeblich im Sinne der Spieler sind… Sie sind keine Profigolfer, sondern Geschäftsleute, und entscheiden für sich selbst und zu ihrem Besten. Dahinter steckt eine große Portion Arroganz.“

Das klingt nicht gut. Monahans Stuhl wackelt mehr denn je. Sein Wohl ist auf Gedeih und Verderb mit dem Gelingen von PGA Tour Enterprises verbunden – idealerweise in einem Dreiecks-Arrangement von SSG, PIF und PGA Tour.

„Die Saudis wollen ein Stück von allem“

Die Saudis sind Pragmatiker, haben die Vorteile einer solchen neuen Konstellation schnell erkannt. „Das bringt sie in Kontakt mit all diesen milliardenschweren US-Sportmagnaten“, verdeutlicht die „ESPN“-Quelle. Riads Spiel sei langfristig angelegt, es ende nicht beim Golf: „Sie wollen ein Stück von allem.“

Das große Bild zählt – Kronprinz Mohammed bin Salmans Vision vom Platz auf der Weltbühne. Wie gesagt: „Wenn man genug Geld hat, kann man in Amerika machen, was man will.“ Erst recht in einem US-System, das absehbar wieder republikanisch dominiert wird – Donald Trump, der LIV ohnehin gern seine Golfanlagen zur Verfügung stellt und dort dann Hof halten darf, ist ja schon mal nach Riads Pfeife getanzt.

„Flotter Dreier“ als Maximum an Schadensbegrenzung

Die PGA Tour hat letztlich keine Chance gegen das Milliarden-Pfund, mit dem der PIF wuchern kann. Ein „flotter Dreier“ wäre das Maximum an Schadensbegrenzung und die pragmatisch-opportune Auflösung dieses gordischen Golfknotens. Dann kann Monahan, der sich dieser Tage noch mal mit Al-Rumayyan treffen will, gesichtswahrend die nächste dem Stress geschuldete Auszeit einlegen und schließlich in Ehren abtreten.

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