PGA Tour

Das Dauerfeuer der Designated Events – So fährt die PGA Tour ihre Stars sauer

18. Apr. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

(Foto: Getty)

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Man nennt das wohl Arbeitsethos: Er habe nach all der Aufregung von Augusta und dem Masters-Marathon sehr wohl kurz an eine Absage gedacht, hatte Jon Rahm im Vorfeld der RBC Heritage bekannt: „Aber ich habe vor geraumer Zeit eine Zusage gegeben, und die halte ich ein. Man sollte sich die Rolle der Zuschauer und nicht zuletzt der Kids versetzen. Ich würde auch den gerade gekürten Masters-Champion sehen wollen.“

Jon Rahm: „Es ist mein Job, Leistung zu bringen“

Also packte der Baske sein nagelneues Green Jacket in den Kleidersack, absolvierte den Katzensprung nach South Carolina und gab mit seinem geteilten 15. Platz eine mehr als manierliche Visitenkarte ab. „Das ist nun mal mein Job, Leistung zu bringen“, sagte Rahm hernach. „Die Leute bezahlen sauer verdientes Geld dafür, mich zu sehen. Denen ist egal, ob ich wie ich geschlafen habe und ob ich gut oder schlecht drauf bin.“ Und sowieso: „Ich bin Wettkämpfer und ducke mich nicht weg. Wenn ich schon mal hier bin, dann gehe ich raus und versuche, möglichst niedrige Scores zu schießen.“

Kolossale Crux im Kalender

Noch besser gelang das den nicht minder müden Matt Fitzpatrick und Jordan Spieth, die sich schließlich sogar um den Sieg auf Hilton Head Island duellierten – bekanntlich mit dem besseren Ende für den Engländer und amtierenden US-Open-Sieger. Es spricht für den ganzen abgehetzten und ausgepowerten Haufen, dass sie sich bei der Heritage nicht haben hängen lassen. So weit, so gut. Die Standhaftigkeit der Stars kaschiert indes eine kolossale Crux, die sich offenbart, nachdem das erste Major gespielt ist: Die PGA Tour fährt mit dem Dauerfeuer an Designated Events offenbar ihr Top-Personal sauer.

Schon acht von 17 Hochkarätern

Insgesamt 17 Hochkaräter wurden für das Jahr 2023 angesetzt, acht sind bereits absolviert. Dabei ist gerade mal der April halb rum. Und mit der Zurich Classic kommt direkt ein weiteres Highlight. Das Team-Turnier ist zwar kein Designated Event, zieht trotzdem namhafte Akteure wie die Vorjahressieger Xander Schauffele und Patrick Cantlay oder Collin Morikawa und Max Homa in den TPC Louisiana. Es folgt eine kurze Verschnaufpause in Form der Mexico Open, wo Jon Rahm allerdings Titelverteidiger ist. Dann ist Mai, die Wells Fargo Championship und die PGA Championship stehen an.

Jordan Spieth: „Habe echt zu viel Golf gespielt“

„Ich habe in jüngster Zeit echt zu viel Golf gespielt und fühle mich total groggy“, gab Spieth auf den Harbour Town Links zu Protokoll. „Ich kam nach der intensiven Masters-Woche schon ausgepowert hier an – wie eigentlich jedes Jahr. Ich denke, ich muss meinen Zeitplan ein bisschen ändern.“ Adam Scott schlägt in dieselbe Kerbe. „Wie es aussieht, scheinen alle von uns scheinen im Moment sehr viel zu spielen.“

Die Europäer haben noch mehr Pflichtprogramm

Was sollen da beispielsweise erst Rahm und Fitzpatrick sagen, die zusätzlich zum Commitment für die Designated Events das Pflichtpensum zum Erhalt ihrer Mitgliedschaft auf der DP World Tour bewältigen müssen. „Das sind mindestens vier weitere Turniere in Europa – alles in allem ein bisschen viel verlangt“, hatte der spanische Weltranglisten-Erste bereits während der Tour Championship 2022 gemeckert, als das neue Konzept der 20-Millionen-Dollar Events konkret wurde, das den tourtreuen Top-Spielern im Tauziehen mit der LIV Golf League die Ehrenerklärung zugunsten des Establishments versüßen soll.

Xander Schauffele stichelt gegen Rory McIlroy

Pikanterweise tritt jetzt ausgerechnet Rory McIlroy das Konstrukt mit Füßen, an dessen Zustandekommen er nebst Tiger Woods so maßgeblich beteiligt war. Seine „Einmal-Aussetzen-Karte“ hatte der Nordire bereits beim Debüt der Designated Events gezogen, dem Tournament of Champions auf Hawaii. Trotzdem hat „Rors“ die RBC Heritage kommentarlos gecancelt – wohl um die Nachwehen seines Masters-Desasters auszukurieren. Freunde hat sich der erste Paladin der PGA Tour damit nicht gemacht. „Es ist eine Art Treppenwitz, dass vieles passiert, was Rory wollte – und dann ist ausgerechnet er hier nicht dabei“, sprach Xander Schauffele vermutlich für viele aus dem Kollegenkreis.

Stress-Stakkato für die Beletage des Tour-Betriebs

Beim Dilemma mit den Designated Events gar nicht mal um die reine Arbeitsbelastung im Turnieralltag. Sondern um das Stress-Stakkato, dem die Beletage des Tour-Betriebs ausgesetzt ist. Früher, vor LIV, bestanden die Saison-Höhepunkte vor allem aus Major-Meriten, dem Ryder Cup und den Play-off-Events samt Tour-Finale. Heuer kommt der „Geld-Adel“ der Designated Events hinzu. Das Profigolf der Herren erlebt sozusagen eine Inflation der i-Tüpfelchen. Wenn derart viel Kohle auf dem Spiel steht, schiebt keiner gern eine ruhige Kugel und leistet Dienst nach Vorschrift im Sinne von „Dabei sein ist alles“: Gesicht gezeigt, Sponsoren, Fans und Medien befriedigt, Pflichtprogramm erfüllt. Irgendwann freilich macht selbst die Aussicht auf noch so viele Millionen müde Männer nicht mehr munter.

Matt Fitzpatrick: „Es ist chaotisch“

Sogar einer wie Matt Wallace verspürt den Druck. Dabei konnte es früher für ihn gar nicht genug Turniere geben. „Ich habe nie verstanden, warum die Leute nicht mehr spielen“, erzählte der Engländer und räumte ein: „Damals habe ich allerdings auch noch keine Majors bestritten.“ Fitzpatrick hat noch ein Problem ausgemacht: „Du musst ursprünglich gar nicht für die Designated Events qualifiziert sein. Falls du aber drumherum gut spielst – was gewiss jeder will –, bist du bei den nächsten zwei Designated Events dabei – und bist plötzlich fünf Wochen in Folge am Start. Es ist schwierig und chaotisch.“

„Die Jungs fühlen sich etwas überrumpelt“

Mal sehen, wann der Nächste McIlroys Beispiel folgt und zugunsten einer Auszeit für Physis und vor allem für die ramponierte Psyche auf ein paar PIP-Millionen pfeift. Wobei der Weltranglisten-Dritte möglicherweise nicht gänzlich im „rechtsfreien Raum“ agiert. Seit „Full Swing“ – der Netflix-Doku sei Dank – weiß die Golfwelt nämlich, dass McIlroy sich in einem Gespräch mit PGA-Tour-Manager Andy Pazder darüber beklagt hat, dass die vier jährlich rotierenden Designated Events – heuer Phoenix Open, RBC Heritage, Wells Fargo Championship und Travelers Championship – ebenfalls als Must-Play-Meetings deklariert sind: „Wir wussten nichts von einer Teilnahmeverpflichtung auch bei diesen zusätzlichen Veranstaltungen. Das stößt auf erheblichen Widerstand, weil die Jungs sich etwas überrumpelt fühlen.“

Nicht nur deshalb war Jon Rahm schon im vergangenen August überzeugt, „dass sie [die PGA Tour] für einige Spieler Ausnahmen machen werden. Es würde mich jedenfalls nicht überraschen“. Commissioner Jay Monahan hielt sich in der Causa McIlroy auf Hilton Head Island gleichwohl bedeckt. Er versteckte sich – wie schon bei der Frage nach der PIP-Zulassung von Tiger Woods, der definitiv keine 20 Turniere spielen wird – hinter seinem diesbezüglichen Mantra: „Wir werden jeden Einzelfall genau anschauen und prüfen und dann zu einer Entscheidung kommen.“

Korrekturen für den Webfehler im Tour-Kleid

Wie auch immer: In Summe zeugt all das von einem veritablen Webfehler im neuen Kleid der Tour. Was Wunder, die künftige Struktur wurde ja letztlich mit der heißen Nadel gestrickt. Für 2024 hat „Commish“ Monahan bereits Korrekturen angekündigt, nachdem er ebenso wie System-Stimme McIlroy stets von „laufenden Prozessen“ gesprochen hatte, die immer wieder nachjustiert werden müssten. Also soll es im kommenden Jahr neben den Majors acht Top-Turniere geben, die auf 70 bis 80 Starter begrenzt sind und ohne Cut über die Bühne gehen sollen.

Gesetzt sind Tournament of Champions, Genesis Invitational, Arnold Palmer Invitational und das Memorial Tournament, zudem erhält das Pebble Beach Pro-Am wohl den temporären Ritterschlag als Designated Event. Dazu natürlich die drei Play-off-Turniere und die Players Championship. Macht zusammen 16.

Ruhephasen für Spitzenspieler

Die Teilnahmeverpflichtung wird entschärft, der Kalender überdies smarter aufgestellt, schwierig und mühsam genug. Und es sind Ruhephasen für die Spitzenspieler geplant, in denen die „Allerweltsturniere“ stattfinden. Designated Events in der Woche nach einem Major soll es ohnehin nicht mehr geben. Dafür noch eine Schippe an Schotter, sprich Preisgeld, obendrauf, damit sich trotzdem niemand über Gebühr auf die faule Haut legt. Bis das greift, gilt die Aussage von Adam Scott: „Wir müssen halt einfach nur dieses Jahr irgendwie überstehen.“

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