Panorama

„College-Golf ist alternativlos!“: Bundestrainer Morales und Tilch über den Werdegang angehender Profis

19. Jul. 2022 von Peter Marx in Zell a. H., Deutschland

Um Golf an einem College spielen zu können, muss man auch die akademischen Anforderungen erfüllen. (Foto: unsplash.com/ Jake Patrick)

Um Golf an einem College spielen zu können, muss man auch die akademischen Anforderungen erfüllen. (Foto: unsplash.com/ Jake Patrick)

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Ist der Sprung über den Atlantik die beste Chance für deutsche Golftalente oder gibt es Alternativen in unserem Land? Rund 150 junge Frauen und Männern, darunter viele aus den deutschen Golf-Nationalteams, sind derzeit an amerikanischen Universitäten eingeschrieben! Und die Zahl der Vermittlungen steigt. Viele Talente träumen von einer Profi-Karriere. Doch ist das auch realistisch? Die Brüder Marcel und David Rauch sowie Polly Mack, alle vom Berliner Golfclub Stolper Heide, haben ihre persönliche Bilanz im ersten Teil dieser College-
Reihe in der Golfpost gezogen.

Im zweiten Teil beurteilen Damen-Bundestrainer Stephan Morales und Co-Bundestrainer Gregor Tilch, zuständig für die deutschen Herren in den USA, den Wert eines Wechsels an Golf-Colleges und den Weg dahin.

Gregor Tilch: "Aus meiner Sicht sind College-Golfer Berufssportler"

Golf Post: Warum wollen immer mehr deutsche Golf-Talente auf ein College?
Gregor Tilch: Für viele ist es eine Möglichkeit ein Studium zu finanzieren, das durch ein Sport-Stipendium preiswerter sein kann als in Deutschland. Und das alles in einem fremden Land mit fremder Kultur. Das hat seinen Wert, auch wenn die Spieler oder Spielerinnen dann doch nicht Profis werden.

Golf Post: Was sind die Voraussetzungen, um auf ein College zu kommen?
Gregor Tilch: Mindestens das Fachabitur. Dazu kommen noch Eignungstests. Was viele Bewerber unterschätzen, die Colleges wollen im akademischen Bereich Schüler mit guten Noten. Die Coaches wollen niemand ins Team holen, der die akademischen Mindestanforderungen nicht erfüllt. Schwächere Schüler müssen zwangsläufig mehr lernen und haben dadurch weniger Zeit für das Golf-Training.

Golf Post: Und wie sehen die sportlichen Vorgaben aus?
Gregor Tilch: Ein Handicap im niedrigen einstelligen Bereich ist eine gute Voraussetzung. Zweitens: Der oder die muss sich zeitlich gut organisieren können. Das ist eine der Hauptursachen, an denen Studentinnen und Studenten oft scheitern. Einer der Gründe dafür sind die hohen Abwesenheiten durch die Turniere. Es gibt Leute, denen gelingt es fantastisch ihre Schulaufgaben vorher zu machen. Andere müssen den Lernstoff nachts nach den Golf-Runden nachholen. Da kann man dann im Turnier nicht viel erwarten.

Golf Post: Bleiben wir bei den sportlichen Bedingungen.
Gregor Tilch: Die meisten Spieler sind in ihren Clubs oder in der Nationalmannschaft gesetzt. Die können machen was sie wollen, sie werden gefeiert und immer aufgestellt. Das ist sogar in der Nationalmannschaft so, aufgrund der mangelnden Leistungsdichte. Und in den USA sind sie plötzlich der Freshman. Da hat keiner auf sie gewartet. Nun müssen die Neuen beweisen, dass sie ihr Geld wert sind. Und da nützt es dir nicht, dass Du ein guter Jugendlicher warst. College-Golf ist Herrengolf und das auf einem sehr hohen Niveau.

Golf Post: Wer tritt als Vermittler auf?
Gregor Tilch: Das können die Heimtrainer sein, so wie ich, oder es gibt Recruiting-Agenturen, die die Golfspieler an die Universitäten vermitteln. Ich vermittle nur Spieler oder Spielerinnen, die ich kenne. Dann weiß ich, was das für Typen sind und ob sie in dieses oder jenes Team passen. Aber selbst, wenn ich alle Informationen habe, heißt das nicht, dass es auch funktioniert.

Golf Post: Gibt es noch die Talentsucher der Colleges?
Gregor Tilch: Gibt es, meistens auf internationalen Jugendturnieren in Europa. Aber sie dürfen nicht mit Spielern und Eltern reden. Erst zwei Jahre vor einem Wechsel können sie telefonisch mit dem Spieler bzw. mit der Spielerin Kontakt aufnehmen. Die Regeln sind sehr streng und ändern sich regelmäßig.

Golf Post: Woher kommt der Erfolg der Golf-Colleges?
Gregor Tilch: Durch den ständigen Wettkampf und dem hohen spielerischen Niveau. Die Spieler werden in den USA nicht mehr ausgebildet. Die erwarten, dass Du das kannst. Technisches Training wie in Deutschland gibt es da nicht. Die amerikanischen Golf-Lehrer trainieren situativ. Da wird wenig ins Training eingegriffen. Es gibt Coaches, die haben eine Kern-Kompetenz wie beispielsweise Putten oder Platz-Strategie. Aber nicht alle. Sie bringen den Spielern bei, sich so zu organisieren wie ein Tour-Profi. Was auch viel Wert ist. Die Aufgabenstellung ist in den USA eine andere. Wir in Deutschland legen viel Wert auf die technische Ausbildung. Da sind wir eindeutig besser.

Golf Post: Wo liegt dann der Reiz an ein College zu gehen?
Gregor Tilch: Es ist die Leistungsdichte und das Leistungsumfeld. So was können wir in Deutschland unseren Spielern nicht bieten. Collin Morikawa oder Viktor Hovland sind nur zwei Namen von Dutzenden Profi-Spielern, die alle in College-Mannschaften gespielt haben. Spieler mit diesen Qualitäten sind im Zweifelsfall deine Mitspieler oder Gegner. Deshalb müssen die Coaches keinen Druck simulieren. Die Spieler in den Teams haben Druck, sie müssen sich immer wieder neu qualifizieren.

Golf Post: Gibt es auch Nachteile?
Stephan Morales: Ja und Nein. Wir sind weniger nah an den Spieler und Spielerinnen. In Europa kann ich die Nationalspielerinnen schneller treffen. Andererseits bin ich froh. Die Frauen können das gesamte Jahr unter sehr guten Bedingungen trainieren. College-Golf ist alternativlos.

Golf Post: Wie viele Nationalspielerinnen sind derzeit auf einem College?
Stephan Morales: Ich betreue mit meinem Team Amateur- und Tour-Spielerinnen. Aktuell haben wir fünf Amateure fest in den USA. Dazu kommen nach dem Sommer Paula Schulz-Hansen und Emilie Krause. Das bedeutet für uns, wir haben dann 100 Prozent unser Top-Spielerinnen in den USA.

Golf Post: Ist das nicht ein Wert-Verlust für die Bundesliga? Die Damen stehen den Vereinen nicht für die gesamte Saison zur Verfügung.
Stephan Morales: Das ist nicht besonders glücklich für die Vereine. Aber wenn man als Club Interesse daran hat, zu sagen, diese Spielerin ist bei uns großgeworden, dann muss man diese Kröte schlucken.

Golf Post: Wie groß ist der Unterschied zwischen College-Golf und Golf-Bundesliga?
Gregor Tilch: Das ist nicht vergleichbar. Aus meiner Sicht sind College-Golfer Berufssportler. Wenn ich mir die Top-Mannschaften im College-Golf anschaue und die Topmannschaften in der ersten Bundesliga, das geht nicht. In den USA haben die Spieler und Spielerinnen eine andere Trainingsdichte. Außerdem sind dort viele Golfplätze, die wesentlich schwerer sind als deutsche Plätze.

Golf Post: Selbst die deutschen Top-Plätze?
Gregor Tilch: Insgesamt gesehen haben wir in Deutschland zu wenige gute Golfplätze und keine guten Grüns. Das ist das Problem. Wir haben zu wenige harte Grüns, die wirklich schnell sind. Was verständlich ist, wer baut schon solche Plätze für ein paar Turniere im Jahr. Denn die Kosten sind deutlich höher. Der Pflegeaufwand für solche Spitzengrüns ist erheblich. Aber um gute Spieler zu entwickeln, braucht man anspruchsvolle Golfplätze.
Stephan Morales: Sehr viele Golfplätze in Deutschland sind gut für Clubspieler, aber nicht für Tour-Spieler. Die brauchen, wie schon gesagt, schnelle Grüns und kurzgeschnittene Fairways. Allerdings, diese Plätze werden Amateurspielern wenig Spaß bereiten. Für meine Teams haben wir ein hochklassiges Leistungszentrum in St. Leon-Rot. Aber an den klimatischen Bedingungen können wir auch nichts ändern.

Golf Post: Können Sie ein Beispiel nennen, wie auf den US-Plätzen gespielt werden muss?
Gregor Tilch: Ich brauche in den USA als Spieler andere Fähigkeiten, die auf deutschen Golfplätzen nicht nötig sind. Ich muss beispielsweise auf amerikanischen Golfplätzen den Ball weiter schlagen, ich muss Höhe auf diesen Ball bekommen. Auf den deutschen Plätzen mit den weichen Grüns ist das nicht notwendig. Da kann ich mit dem Eisen 3 auf das Grün schlagen. Die Bälle bleiben trotzdem liegen. Auf amerikanischen Plätzen ist das unmöglich. Das sind oftmals Plätze auf denen Profi-Turniere stattfinden. Und das sind die Plätze, die genau das von Spielern erwarten, die Profis werden wollen.

Golf Post: Wie viele College-Ligen gibt es in den USA?
Gregor Tilch: Die erste Division, die beste, hat zirka 250 bis 300 Collegemannschaften. Es gibt noch zwei weitere Divisionen, ebenfalls mit ähnlichen Zahlen. Dazu noch die Liga der Junior-Colleges. Da kommt eine Menge zusammen.

Golf Post: Was bedeuten die vielen College-Golfer für das Trainerteam:
Stephan Morales: Wir denken derzeit darüber nach, es wie die Schweden zu machen: eine Basis in den USA aufbauen. Dann können die Spieler vorbeikommen und wir trainieren gemeinsam auf dem Golfplatz. Das hat den Vorteil, dass alle nur noch einen kurzen Weg haben. Wobei es nicht darum geht, die College-Spieler wöchentlich zu sehen. Ich denke da an einem vier- bis achtwöchigen Rhythmus.

Golf Post: Welchen Stellenwert hat Golf in den USA?
Gregor Tilch: In Deutschland wirst du als Leistungssportler nur anerkannt, wenn du Fußballer bist. Das ist in den USA völlig anders. Da steht die Stadt still, wenn das College-Golf-Team zu den nationalen Meisterschaften fährt. Da sind wir in Deutschland Lichtjahre entfernt.

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