Panorama

College-Golf: Die Talentschmiede für künftige Major-Sieger

07. Jul. 2022 von Peter Marx in Zell a. H., Deutschland

Ein Coach feiert mit seiner Damen-Mannschaft. (Foto: Twitter/@NCAAGolf_)

Ein Coach feiert mit seiner Damen-Mannschaft. (Foto: Twitter/@NCAAGolf_)

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„Bessere Golfplätze, hochklassige Wettkämpfe und der Konkurrenz-Kampf ist deutlich härter.“ Das unterscheidet das amerikanische College-Golf vom deutschen Bundesliga-Golfalltag. Diese Meinung vertritt Gregor Tilch, Co-Bundestrainer des deutschen Golfverbandes. Etwa 150 Golferinnen und Golfer aus Deutschland studieren derzeit an amerikanischen Colleges. Drei von ihnen, Polly Mack, David und Marcel Rauch vom Berliner Golfclub Stolper Heide, ziehen in der Golf Post ihre persönliche Bilanz zum Ende ihrer College-Zeit.

Mittlerweile Proette: Die College-Bilanz von Polly Mack

Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama hat rund 100.000 Einwohner und seit 1831 eine Universität. Die Hochschule von Alabama war seit drei Jahren die Heimat von Polly Mack. (Polly verbrachte die ersten beiden Studienjahre auf der Universität von Nevada in Las Vegas und wechselte dann nach Querelen mit dem Coach nach Alabama.)

Die erfolgreiche Amateur-Golferin, die seit 2017 zum Golf-Team Germany gehört, zählte zu den Top-Spielerinnen ihres College-Teams, das sie jetzt – nach Abschluss ihres Studiums – verlassen hat. Die 23-Jährige startete in diesem Sommer ihre Profi-Karriere. Bei ihrem ersten Start als Proette (Hcp – 7,4) in Michigan wird Polly gleich geteilte 16. und kassiert den ersten Scheck in Richtung LPGA!

Ihre College-Bilanz: „Es hat sich gelohnt, für meine persönliche Entwicklung und vor allem für mein Golf.“  Ihr Trainer Gregor Tilch bestätigt, dass Polly derzeit das beste Golf spielt seit er sie betreut. Zuletzt gewann die Golfspielerin mit ihrer Mannschaft mehrere College-Turniere und qualifizierte sich für die nationalen College-Meisterschaften der USA. „Die Unterstützung durch das College ist riesig“, erklärt die Berlinerin, die den Bachelor-Studiengang Hospitality Management, Schwerpunkt Marketing, erfolgreich belegt hatte. Stolz fügt sie hinzu: „Ich hatte ein einhundertprozentiges Stipendium.“ Was übersetzt bedeutet: „Mit Büchern, Unterkunft, Golfen, Reisen, Equipment und Studiengebühren bezahlte die Universität für mich jährlich zirka 40.000 Dollar.“

Die Unterstützung des College erfordert maximalen Einsatz der Golferinnen und Golfer

Allerdings, das College erwartet dafür Erfolge und eine hohe Leistungsbereitschaft. Denn die „scholarship“, die finanzielle Unterstützung, kann zum Ende der Saison immer wieder neu verhandelt werden. Bei wenig Erfolg entscheidet der Coach über finanzielle Abschläge beim Stipendium. Trotzdem spricht keiner von „Druck“. Oder wie es Polly Mack selbstbewusst ausdrückt: „Wer im Team vorne dabei ist, hat keine Probleme.“

Um den Erfolg sicherzustellen, gilt für alle College-Golferinnen und -Golfer ein streng reguliertes Tagesprogramm. Für Polly Mack bedeutete dies beispielsweise: Dreimal in der Woche um 7:00 Uhr morgens Workout, danach von 9:00 bis 12.45 Uhr Vorlesungen, dann Golftraining bis 17 Uhr. Es folgten Rückfahrt ins College, Abendessen und noch zwei Stunden Hausarbeit und danach „ab ins Bett“. Ähnliches berichten die Rauch-Brüder. Von einem lustigen und partyreichen Studium sind alle weit entfernt. „Generell hat man keine Zeit“, fasst es Polly Mack zusammen. Alle drei haben gelernt auf Freizeit zu verzichten. „Keine Geburtstagsfeiern, keine Partys, keine Zeit für Freunde, weil wir immer trainieren mussten oder Turniere spielten“, so beschreibt Polly Mack ihr Leben als erfolgreiche Nachwuchs-Golferin.

Während der Golfsaison sind auch die Wochenenden verplant. Freitags Anreise mit dem Flugzeug zum Turnier, Einspielrunde und danach das Turnier. Montagabend geht es wieder zurück. Die Saison ist geteilt: Vier bis fünf Turniere im Frühjahr, vier bis sechs Turniere im Herbst. Je nach Platzierung kommen regionale und nationale Golfturniere dazu.

College-Golf: Nicht jeder wird Profi

Sieben Stunden Flug entfernt schlägt Marcel Rauch für die Trojans ab, die College-Golf-Mannschaft der Universität von Arkansas in Little Rock. Er hat die Universität abgeschlossen. Marcel durfte, wie Polly Mack und sein Bruder David wegen den Auswirkungen von Corona ein Jahr länger studieren als ursprünglich vorgesehen. „Normal sind vier Jahre“, sagt Marcel der zum Schluss Senior seines Teams war, was in etwa einem Mannschaftskapitän in Deutschland entspricht. Für ihn war College-Golf die „perfekte Lösung“. Er habe als guter Golfer in Deutschland, so der 25-Jährige, nur zwei Möglichkeiten gesehen: „entweder gleich Profi werden oder Golf aufzugeben.“

Marcel, der zusammen mit seinem Bruder David derzeit in der Zwei-Liga-Mannschaft vom Berliner Golfclub Stolper Heide um den Aufstieg in die erste Bundesliga kämpft, hat sich früh von seinen Profi-Träumen verabschiedet. Rauch umschreibt es „mit den vielen Tiefen“ während der College-Golf-Zeit. „Ehrlich, es gab Zeiten, wo ich nicht mehr zurückkommen wollte, weil mir Golf keinen Spaß mehr machte.“ Das hat sich erledigt. Heute schlägt er wieder „mit Lust ab“, auch weil er sich selbst geprüft hat, „ob ich das Tour-Leben wirklich will.“

Eine Rückkehr nach Deutschland schließt Rauch aus. Sein berufliches Ziel lautet nun Golf-Coach an einer amerikanischen Universität. Inzwischen hat er eine Stelle als Golf-Assistent an der Universität von Illinois erhalten. Wobei er differenziert zwischen Coach und Golftrainer. „Das sind hier die Assistenten.“ Während der Fokus eines Head-Coach, meint Rauch weiter, auf dem Management des Teams, Rekrutierung von Spielern, Etat-Verwaltung, Vorbereitung von Turnieren liegt.

Konkurrenz wie Collin Morikawa und Viktor Hovland

Mitten im Spielerparadies Las Vegas landete der dritte Berliner, David Rauch. Er startete für die College-Golf-Mannschaft der Universität Nevada in den roten Trikots der Rebels.  Als er anfing waren drei deutsche Nachwuchsgolfer in seinem Team, heute ist er der letzte Überlebende. Sein Team verfügt derzeit über acht Spieler. Allerdings werden nur fünf von ihnen zu den Turnieren entsandt. David Rauch: „Vor jedem Turnier spielten wir eine teaminterne Qualifikation.“ Die zwei Erstplazierten spielten immer, die übrigen werden vom Coach ausgewählt. „Wer nicht gut spielt, bleibt draußen.“ Im ersten Jahr kam es für den damaligen Freshmann des Teams gleich knüppeldick. So spielte David gegen Teams, in denen damals noch die College-Studenten Collin Morikawa (heute zweifacher Major-Sieger) oder Viktor Hovland (PGA-Profi) spielten. „Das spielerische Niveau ist unglaublich und ein Vergleich mit der DGL-Bundesliga unfair.“ Denn wer hier spiele, müsse gegen die besten Amateure der Welt spielen und sich durchsetzen, ergänzt Rauch, der für sein letztes College-Jahr von Las Vegas an die Universität von San Diego wechselte, um dort sein Sport-Studium abzuschließen.

Der Coach der Universität Nevada gewährte David für die ersten vier Jahre ein Stipendium von 75 Prozent bei einer Jahresgebühr der Universität von 42.000 Dollar. Trainiert wurde ebenfalls die gesamte Woche, bis zu fünf Stunden täglich; vor Turnieren noch etwas mehr. Geholfen hat dem Berliner der Kontakt zu seinem Heimat-Trainer, der ihn seit elf Jahren betreut. David schickte ebenfalls Gregor Tilch regelmäßig Trainings-Videos zu. Bei den turnusmäßigen Trainingscamps des Deutschen Golfverbandes in den USA betreut Tilch auch Marcel Rauch und Polly Mack. „Was verständlich ist, Gregor trainiert uns seit über zehn Jahren.“

Die Universität von Nevada hat zwar ein Trainingsgelände aber keinen eigenen Golfplatz. „Was wir auch nicht brauchen,“ sagt David und lacht. Rund um das Spielerparadies Las Vegas gibt es rund 50 hochklassige Golfplätze wie der Las Vegas Country Club wenige Minuten vom Strip entfernt oder der Stallion Mountain Golfclub. „Wir Uni-Spieler zahlen nichts und können jederzeit spielen.“ Was er nicht sagt, für viele Clubs in den USA ist es eine Ehre, wenn die Elite-Spieler ihrer Universitäten auf den Plätzen trainieren.

Organisation ist neben Begeisterung das A und O

Mack und die Rauchs schwärmen von der Begeisterung, die dem Golfsport in den USA entgegengebracht wird. „Als unser Team sich zum ersten Mal für die nationalen Meisterschaften qualifiziert hat, standen die Einwohner von Tuscaloosa am Straßenrand und applaudierten.“ Dabei, so Marcel Rauch weiter, seien sie nur auf dem Weg zum Flughafen gewesen und hätten noch gar nicht gespielt.

Die junge Golf-Athletin und die Rauch-Brüder haben während ihrer College-Zeit ihre akademischen Studien mit einem Bachelor abgeschlossen. Was sie beeindruckte, war die Organisation ihrer Studiengänge. „Alles geht online“, so Polly Mack. Nach wenigen Tagen erhielt sie einen Semesterplan, in dem alle Termine drinstanden, wann welche Tests sind und wann die Abschlussarbeiten abgegeben werden müssen.“

Und was passiert, wenn ein Student zwar gut Golf spielt aber in den akademischen Fächern zu scheitern droht? „Dann wird er gesperrt,“ betont Marcel Rauch. Die Entscheidung trifft jedoch nicht der Coach oder die Universität, sondern der zuständige Sportverband. Wobei Rauch süffisant hinzufügt: „Der Verband orientiert sich am Notendurchschnitt der Schüler und der Grenzwert ist sehr niedrig.“

Alle drei Mitglieder des Golfclubs Stolper Heide, im Norden von Berlin, spielen mit ihren Teams in der ersten College Division, in der über dreihundert Golf-Mannschaften vertreten sind. Die Division ist aufgeteilt in verschiedene regionale Konferenzen. Die besten Teams qualifizieren sich abschließend zu den nationalen College-Meisterschaften der USA. „Das sind am Ende so 30 Teams,“, fast Marcel Rauch zusammen.

Es ist ein langer Weg auf ein Golf-College

Den Kontakt zu den Colleges knüpfte für die Berliner ihr Trainer Gregor Tilch, der seit Jahren ein enges Netz zu den Coaches der Universitäten hält und oftmals erster Gesprächspartner für amerikanische Talentsucher ist, die regelmäßig auf den Nachwuchsturnieren in Europa auftauchen.

Eine weitere Möglichkeit ist eine professionelle Agentur, die Sport-Stipendien vermitteln. Dutzende von Firmen werben dazu im Internet. Aber es gibt unter ihnen auch schwarze Schafe, die ihre Vermittlungsgebühren kassieren und die Studenten an Unis vermitteln, ganz gleich ob Team, Coach und der Freshmann aus Deutschland zusammenpassen. Ein Besuch der künftigen Hochschule einschließlich einem Gespräch mit dem Coach ist deshalb empfehlenswert. Nach Ansicht von Tilch sind mindestens 12 Monate Vorbereitung notwendig, wenn der Sprung an die Uni gelingen sollte.  „Allerdings, nur gut Golf spielen reicht nicht, es muss schon mehr sein.“

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