British Open

Rory McIlroy vs. Viktor Hovland: Ein womöglich episches Duell unter Freunden

17. Jul. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Viktor Hovland und Rory McIlroy spielen um den Claret Jug bei der British Open 2022. (Foto: Getty)

Viktor Hovland und Rory McIlroy spielen um den Claret Jug bei der British Open 2022. (Foto: Getty)

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Angesichts dieser Ausgangssituation muss man dem R&A zwingend zu seiner Kreativität gratulieren: „Everything has led to this“ lautet der Slogan dieser 150. Open Championship, „alles läuft hierauf hinaus“. Und genau so ist es gekommen, der faszinierten Golfwelt steht heute möglicherweise ein erneut episches Duell um den Triumph beim ältesten Major des Sports bevor. Rory McIlroy gegen Viktor Hovland, vier Majors zu Null, 33 zu 24 nach Alter, acht Jahre ohne Major-Erfolg seit 2014, seit der Open von Royal Liverpool und der PGA Championship von Valhalla, gegenüber elf Major-Teilnahmen ohne vordere Platzierung seit dem geteilten 32. Platz als bester Amateur beim Masters 2019.


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Da werden Erinnerungen wach an die großen Zweikämpfe vergangener Tage, an das „Duel in the Sun“ zwischen Tom Watson und Jack Nicklaus in Turnberry 1977, an Henrik Stensons zähes Ringen mit Phil Mickelson in Royal Troon 2016, an Jordan Spieths Achterbahn-Triumph über Matt Kuchar von Royal Birkdale 2017. Doch McIlroy vs. Hovland ist mehr als das: Die beiden sind sich seit dem Ryder Cup vergangenes Jahr in Whistling Straits freundschaftlich verbunden, beflügelten sich gestern bei ihrer gemeinsamen Moving-Day-Runde gegenseitig, pflegte abseits des Schlagabtauschs auf dem Platz eine lockere Stimmung und freuten sich unisono darauf, heute das Finale auf dem Old Course erneut gemeinsam bestreiten zu können. „Wir empfinden das beide als angenehme Konstellation“, sagte McIlroy.

Der Nordire tut seit drei Tagen, was er sich für diese besondere Open vorgenommen hat: Er spielt in St. Andrews langweiliges Golf – mit wenigen Ausnahmen wie dem zum Eagle gelochten Bunkerschlag gestern auf der Zehn.


„Rors“ ist geduldig und agiert wohl überlegt, schlägt clever vom Tee und geht nur in den Attacke-Modus, wenn es sich wirklich lohnt oder das Risiko überschaubar ist. Er macht keine dicken Fehler und steckt Ausrutscher wie das späte Bogey gestern auf der 17 mit dem zweiten Schlag gegen die Mauer am Road Hole gleichmütig weg, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.


Nach seiner „glücklich“ machenden 64er-Finalrunde beim diesjährigen Masters scheint da in Sachen Majors wieder was eingerastet zu sein. Bei der PGA Championship in Southern Hills und bei der US Open in Brookline hat sich das noch nicht ausgezahlt, aber in St. Andrews trägt dieses Momentum McIlroy so dicht an den lang ersehnten fünften Majortitel wie lange nicht. „Es ist unglaublich cool, die Chance zu haben, die Open in St. Andrews zu gewinnen. Das ist es, woraus Träume gemacht sind, und ich werde versuchen, diesen Traum wahr werden zu lassen“, sagt er selbst dazu. Freilich: „Nichts ist selbstverständlich, nichts wird einem geschenkt. Ich muss da raus gehen und mir den Sieg verdienen. Also halte ich mich an meinen Spielplan, denn das ist das Einzige, was ich tun kann.“


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Hovland: Gut, dass er aus allen Lagen putten kann

Makellos: Viktor Hovland zeigte gestern endlich auch bei einem Major seine Klasse, doch die Runde des 24-jährigen Norwegers am Moving Day seiner erst zweiten Open Championship hätte im Vergleich zu Rory McIlroys Umlauf nicht unterschiedlicher sein können. Will heißen: Hovland musste für seine 66 echt kämpfen, etliche ellenlange Birdie-Putts verwandeln, ums Par scrambeln oder auf dem 13. Grün das Kunststück fabrizieren, aus fast 35 Metern mit nur zwei Putts auszukommen. Am Ende blieb er Bogey frei und hat heute die Chance auf den ganz großen Wurf, mindestens aber die Gelegenheit, seine Bilanz von elf Major-Teilnahmen ohne eine einzige Top-Ten-Platzierung gehörig aufzupolieren. Bislang haperte es dabei zuvorderst am Chippen: Gut, dass man auf dem Old Course aus fast jeder Lage rund ums Grün schon zum Putter greifen kann. Aber letztlich, so Hovland gestern Abend, „hängt alles davon ab, wie die Bedingungen während der Finalrunde sind, wie die Fahnen platziert werden und natürlich auch, wie wir im Vergleich zu den anderen Jungs spielen“.

Cameron-Duo: Sind vier Schläge Rückstand zuviel?

Daneben gelegen: Tja, gestern haben wir an dieser Stelle noch geschrieben „Wenn sie so weiter machen …“. Doch die beiden „Cams“ konnten am Moving Day ihr spielerisches Niveau der beiden Vortage nicht ganz halten, mussten das neue Führungsduo mit vier Schlägen Vorsprung davon ziehen lassen. Und so stellt sich nun die Frage: Sind Cameron Smith und Cameron Young bei -12 gegenüber -16 schon zu weit abgeschlagen, oder geht da heute noch was? Fakt ist, sie brauchen die Unterstützung von Rory McIlroy und Viktor Hovland, die vorn schon arg patzen müssten. Und es wäre sicherlich hilfreich gewesen, wenn das Cameron-Duo auf der 18 mit jeweils Par nicht letztlich einen Schlag verloren hätte, während McIlroy und Hovland Birdies erzielten. Symptomatisch war, dass der eigentlich so starke Putter Smith über die Distanz von 3,3 Metern zum Loch diesmal nicht zu zaubern vermochte.


Statistisch gesehen sind vier Schläge Rückstand übrigens das nahezu sichere Aus für alle Erfolgshoffnungen. Denn 14 der vergangenen 15 Open-Sieger waren nach 36 Löchern maximal drei Schläge von der Spitze entfernt. Und dann lauern hinter Smith und Young ja noch sechs Spieler mit maximal drei Schlägen Rückstand auf den Australier und den New Yorker, von denen vier – Scottie Scheffler, Dustin Johnson, Matt Fitzpatrick und Adam Scott – sehr genau wissen, wie man Majors gewinnt.

Die Gravur der Claret Jug: Acht Sekunden pro Buchstabe

Scharfes Auge, feine Hand: Ihr Einsatz, Garry Harvey. Irgendwann im Lauf des heutigen Abends schlägt seine besondere Stunde – dann greift sich der Graveur des R&A die Claret Jug und hat exakt zehn Minuten Zeit, den Namen des Gewinners dieser 150. Open auf dem Sockel der silbernen Weinkanne einzutragen. Alle Champion Golfer seit 1872 samt der dazu gehörigen Schauplätze sind dort verewigt, von Young Tom Morris in Prestwick bis Collin Morikawa in Royal St. George’s; vielleicht muss Harvey nach 2014 noch mal „Rory McIlroy“ einritzen. Oder es kommt ein ganz neuer Spieler hinzu. Für Harvey jedenfalls spielt die Anzahl der Buchstaben eh keine Rolle. Sein Vater, von dem er das verantwortungsvolle Amt, übernommen hat, habe es ja auch geschafft, „Severiano Ballesteros“ unterzubringen, scherzt der 67-Jährige gern bei Fragen nach langen Namen. Harvey hat im Alter von 14 Jahren mit dem Gravieren begonnen, er war überdies ein talentierter Golfer, gewann 1972 die British Boy’s Amateur Championship und nahm 1979 sogar an der Open Championship teil. Ungefähr acht Sekunden wird er heute wieder pro Buchstabe brauchen, da sind zehn Minuten genug Zeit – nur verschreiben darf er sich nicht.

Besonderes Handicap für Mullinax

Krumme Dinger: Da qualifiziert man sich auf den letzten Drücker für so ein bedeutsames Event wie die 150. Open Championship, und dann das. Trey Mullinax löste als Sieger der Barbasol Championship im wahrsten Sinne des Wortes das „Last Minute Ticket“ nach St. Andrews, musste von Kentucky erst mal heim nach Alabama, um seinen Reisepass zu holen, schwang sich anschließend via New York in den Flieger über den großen Teich, jettete über Dublin nach Edinburgh und stürzte sich endlich ins Abenteuer Old Course. Was der 30-jährige Profi während seiner ersten beiden Runden zu allem Überfluss nicht wusste: Das Personal der US-Transportsicherungsbehörde TSA, die an den amerikanischen Flughäfen für die Gepäckkontrollen zuständig ist, hatte sein Bag geöffnet und den Inhalt untersucht, dabei allerdings einige Schläger und den Putter leicht verbogen. Wer selbst schon mal einen demolierten Koffer auf dem Gepäckband vorgefunden hat, der weiß, wie rüde und achtlos gerade die TSA mit den Wertsachen anderer Leute umgeht. Mullinax wunderte sich zwar, dass seine Eisen nicht mehr im Bag waren, sondern lose im Reiseetui herum flogen, bemerkte indes erst am Freitag Abend, dass mit seinen Schlägern was nicht in Ordnung war und ließ die Schäden beheben. Prompt „schoss“ er nach zwei „Handicap“-Runden von 71 und 73 Schlägen gestern eine 66 (-6) und schob sich damit in die Top-25 dieser Open vor.

Fitzpatrick meckert über den Old Course

Keine Lust auf Höflichkeit: Der Old Course ist eine ambivalente Angelegenheit – viele lieben die „Grand Old Lady“, manche mögen sie nicht oder werden nie richtig warm mit ihr, nur die wenigsten verstehen die besondere Aura des Geläufs. Und deswegen platzte gestern auch Matt Fitzpatrick ein bisschen der Kragen: „Ich bin echt kein Fan des Old Course, erst recht nicht beim Set-up in dieser Woche“, blaffte der US-Open-Champion trotz seiner 69er-Runde. „Du machst gute Schläge und wirst mit üblen Bounces bestraft; und dann wiederum springen schlecht geschlagene Bälle doch in aussichtsreiche Positionen. Wie soll sich jemand darauf einstellen?“ Stimmt, die Wellen in den Old-Course-Fairways und die furchige Härte des Geläufs geben dem Zufall viel Raum. Andererseits gehört genau dieses Element unabdingbar dazu, erst recht auf einem Linksplatz. Golf ist nun mal kein absolut kalkulierbarer Sport, sondern ein Geländespiel unter Witterungseinflüssen – so sehr die Amerikaner das bei ihren makellos manikürten Parcours auszuschließen versuchen. Als Engländer sollte „Fitzy“ das eigentlich wissen. Und sich vielleicht mal eine Scheibe von Rory McIlroy und Viktor Hovland abschneiden, die seit Donnerstag den Unwägbarkeiten des Old Course mit klugem, geduldigem Spiel begegnen, „bad bounces“ mit Fatalismus hinnehmen – Hovland kann ein Lied davon singen – und versuchen, das Beste draus zu machen. So nämlich geht Golf.

Knöchelbruch „dank“ McIlroy-Abschlag

Autsch: Charlie Kane hatte am ersten Tag dieser Open Championship ziemliches Pech. Der Mann, der bei der PGA Tour für die sozialen Netzwerke zuständig ist, stand erstens am Rand des Old Course und zweitens einem Abschlag von Rory McIlroy im Weg. Der Ball des Nordiren landete mit voller Wucht auf Kanes linker Hand und ließ einen Knöchel bersten. „Rors“ hatte übrigens „Fore“ gerufen, doch Kane hatte die Warnung nicht gehört. Allerdings wäre er auch kein rechter Social-Media-Freak, wenn er den Unfall nicht entsprechend ausgeschlachtet hätte. Hier also die Beweisfotos:

Die Tunnelbauer von St. Andrews

Schutzschirm: Es heißt zwar immer, die Fairways des Old Course seien derzeit harter und schneller als seine Grüns – was sicher auch stimmt, weil das Gras rund um die Fahnen doch mit geringen Wassergaben am Einschlafen (und braun werden) gehindert wird –, aber dennoch sind die Puttoberflächen ein ziemlich glattes Parkett. Und sie liegen vielfach schutzlos in den Böen, die über das Küstenland wehen, so dass die Bodentruppen des R&A sich was einfallen lassen müssen, um beispielsweise die Grünsgeschwindigkeit mit dem Stimpmeter korrekt ermitteln zu können – sie „überdachen“ die Messstrecke, auf dass die Bälle im Plastiktunnel nicht vom Wind verweht werden.

Achtung, der kommt flach

Zum Schluss: Ende gut, alles (halbwegs) gut – so ließe sich der gestrige Moving Day des LIV-Golfers Dustin Johnson bilanzieren. Nachdem es lange Zeit so aussah, als würde er an der Spitze des Leaderboards ein Wörtchen mitsprechen – dank eines Birdie-Birdie-Starts und zwei weiteren Schlaggewinne in der Folge –, verlor „D. J.“ auf der Back Nine des Old Course etwas den Faden und drei Schläge zwischen Loch 13 und 16. Seine Unkonzentriert gipfelte dann in einem fürchterlich getoppten Abschlag auf der 18, der Ball kariolte in einer flachen Kurve übers Feld und schaffte es gerade so über den Swilcan Burn – ein echter „Dackeltöter“. Oder wie Johnson in seiner typisch lakonischen Art formulierte: „Oh Jesus, that was low.“ Stimmt. Dennoch gelang es dem 38-Jährigen seinen „Flachmann“ in ein Birdie umzumünzen. Wie gesagt: „ Ende gut, alles (halbwegs) gut.

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