British Open

Rory McIlroy und der Heilige Open-Gral: „Langweiliges Golf“ als Erfolgsrezept

14. Jul. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Rory McIlroy bei der British Open 2022 in St. Andrews. (Foto: Getty)

Rory McIlroy bei der British Open 2022 in St. Andrews. (Foto: Getty)

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Die 150. Open Championship läuft, und direkt am Vormittag greift einer ins Geschehen ein, der – mal wieder – zu den Favoriten auf den nächsten Majortitel gehört: Rory McIlroy. Für den Nordiren, der um 10:58 Uhr deutscher Zeit mit Titelverteidiger Collin Morikawa und Scottish-Open-Sieger Xander Schauffele an den Abschlag geht, hat die Open auf dem Old Course eine geradezu mystische Komponente. „Hier zu gewinnen ist nahezu das Größte, was du in unserem Sport erreichen kannst“, sagt „Rors“: „Quasi unser Heiliger Gral.“

Lancelot und König Arthur tauchen da im Kopfkino auf, Ritter und Abenteuer. Doch McIlroy hat wenig Interesse an einer aufregenden Gralssuche, er will lieber „langweiliges Golf“ spielen. „Der Old Course gibt dir das Gefühl, du kannst jeden Tag eine 66 scoren. Aber es wäre ein Fehler, sich darauf einzulassen. Denn du darfst nicht übermütig oder gar gierig werden“, befand der vierfache Major- und zweifache PGA-Tour-Saisonsieger im Gespräch mit der „BBC“. Nach Ansicht des Weltranglisten-Zweiten gewinnt man die Open auf dem Old Course nicht mit „irgendwelchen aufregenden Rettungsschlägen oder sensationell gelochten langen Putts“: Tiger Woods sei im Jahr 2000 nicht einmal im Bunker gelandet, sondern habe eher monoton seinen Stiefel heruntergespielt – „und am Ende hatte er acht Schläge Vorsprung“, erinnert McIlroy an den damaligen Triumph des Tigers. „Es geht gar nicht darum, irgendwas Besonderes oder Außergewöhnliches zu fabrizieren: Die Hauptsache ist, den Ball an den richtigen Stellen zu platzieren. Wenn dir das über alle vier Tage gelingt, hast du eine gute Chance.“

Zalatoris ist Old-Course-Fachmann – auf der Konsole

Expertise: Nach sechs Top-Ten-Platzierungen bei neun Major-Starts gehört Will Zalatoris fraglos auch zu den Favoriten für die 150. Open Championship. Erst recht, weil er ein absoluter Fachmann für den Old Course ist. Der Schlaks hat das ehrwürdige Geläuf am Firth of Forth immerhin schon mal in 48 Schlägen absolviert – allerdings auf der Konsole. „Es war die 2005er-Version des „EA-Sports“-Computerspiels ,Tiger Woods PGA Tour’, und ich war echt gut“, erzählte Zalatoris dieser Tage in St. Andrews und fügte schmunzelnd an: „Doch jetzt, wo es hier real zur Sache geht, kann ich wahrscheinlich froh sein, wenn ich mit 48 Schlägen über die ersten neun Löcher komme.“

Auch wenn es nach einem Kurzauftritt in Royal St. George’s 2021 erst seine zweiten Open Championship und sowieso der erste Auftritt auf dem Old Course ist: Daheim in Dallas konnte der 25-Jährige immerhin schon mal die Löcher1, 11, 17 und 18 trainieren, denn die dortigen Tribute Golf Links bestehen aus nachgebauten Bahnen ikonischer schottischer Plätze und weisen halt auch besagte Anleihen beim Old Course auf. Auf der Replika-17 wurde sogar ein Schuppen aufgestellt, um das Road Hole und den berühmten Drive über den Anbau des Old Course Hotel halbwegs authentisch zu simulieren. Doch diese Woche muss Zalatoris mit dem Original klar kommen.


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Max Homa: Endlich spielt er mit dem „Freakin’ GOAT“

Erfüllung: Max Homa ist am Ziel seiner Träume. Vor knapp zehn Jahren, in seinem letzten Amateurjahr frisch gebackener Profi auf der Korn Ferry Tour, hat der Kalifornier schon mal versucht, eine Trainingsrunde mit Tiger Woods zu arrangieren. Es ging um die US Open 2013 im Merion Golf Club und College-Star Homa bewarb sich mit all seinen Meriten, bekam aber nie eine Antwort:

Zwischenzeitlich traf Homa den Tiger wenigstens mal bei einer Siegerehrung als er 2021 das von Woods als Gastgeber ausgerichtete Genesis Invitational gewann. Und jetzt, bei dieser 150. Open Championship, ist es endlich soweit: Der mittlerweile 31-jährige Max Homa darf endlich an der Seite seines Idols spielen, fühlt sich demzufolge als Günstling der Golf-Götter und ist entsprechend begeistert:


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Ach übrigens, Dritter im Bunde ist US-Open-Champion Matt Fitzpatrick, aber der geht in Homas Freude gerade etwas unter.

Nicklaus über niedrige Scores und den magischen Old Course

Beschwichtigung: Bei seiner Ernennung zum Ehrenbürger von St. Andrews hat Jack Nicklaus angekündigt, dieser Besuch sei sein letzter im Home of Golf. Und sozusagen als kleines Vermächtnis lässt der „Goldene Bär“ den R&A-Granden noch ein paar Worte bezüglich des Old Course da – und adressiert dabei auch deren Albtraum, dass die modernen Golfer mit ihrem modernen Material das ehrwürdige Geläuf auseinander nehmen und so der Lächerlichkeit preisgeben. „Ja klar, die Spieler könnten niedrige Scores schießen – na und?“ lautet Nicklaus’ rhetorische Frage: „Die Zeiten ändern sich, die Golfer werden besser, die Ausrüstung wird besser, die Bedingungen werden besser. Also gibt es niedrigere Ergebnisse.“ Aber, fügte er an, „wir sind auf dem Old Course. Es ist ein magischer Ort, der die Golfer zu allen Zeiten auf die Probe gestellt hat. Wenn man sich vorstellt, dass das Golfspiel im Wesentlichen hier begann, ist es für mich verblüffend, dass der Platz den heutigen Golfern immer noch standhält. St. Andrews wird einen guten Champion hervorbringen, so war es schon immer“.

Scottie Scheffler genießt Außenseiterrolle

Unter dem Radar: Der Mann ist Weltranglisten-Primus sowie amtierender Masters-Champion – dennoch hat ihn niemand so richtig auf dem Zettel. Und Scottie Scheffler genießt seine Außenseiterrolle in St. Andrews. „Ich bin zwar die Nummer eins, aber nicht sicher, ob ich auch so wahr genommen werde. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass man mir besondere Aufmerksamkeit schenkt“, sagte der 26-Jährige bei seiner Pressekonferenz vor den Medien. Aber um Aufmerksamkeit gibt Scheffler eh nichts. „Ich will nicht sagen, dass Ihr Blödsinn schreibt“, beschied er die Medien-Meute: „Ich lese es bloß einfach nicht.“ Genauso unvoreingenommen und unbelastet will er heute den Old Course in Angriff nehmen, dessen strategische Feinheiten sich ihm nach eigenem Bekunden eh „noch nicht vollständig erschlossen“ haben. Also lautet Schefflers Devise: „Ich gehe da raus, mache mir eine schöne Zeit und spiele jeden schrägen Schlag, der notwendig sein könnte.“


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Slumbers und Woods beziehen Stellung gegen LIV Golf

Klare Ansage: Auch bei der Open Championship ist LIV Golf allgegenwärtig, so sehr sich der R&A bemüht, den Fokus der Aufmerksamkeit auf das Major und dessen besonderes Jubiläum zu richten. Dennoch zielten bei der Pressekonferenz von R&A-Chef Martin Slumbers viele Fragen auf den von Saudi-Arabien finanzierten Angriff auf das Golf-Establishment. Hier in Kürze die entsprechenden Aussagen des ehemaligen Bankers: „Profigolfer haben das Recht zu wählen, wo sie spielen wollen und das Preisgeld zu akzeptieren, das ihnen angeboten wird. Ich habe damit überhaupt kein Problem … Ich bin aber der Meinung, dass dieses Modell [LIV Golf] langfristig nicht im besten Interesse des gesamten Sports und ausschließlich von Geld getrieben ist. Wir sind der Meinung, dass dies die leistungsorientierte Kultur und den Geist des offenen Wettbewerbs untergräbt, der den Golfsport so besonders macht … Das Mantra [von LIV Golf und deren Spielern] von der Förderung des Golfsports ist meines Erachtens nicht glaubwürdig und schadet eher der Wahrnehmung unseres Sports.“


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Bereits zuvor hatte sich Tiger Woods in seltener Deutlichkeit gegen den Konkurrenz-Circuit ausgesprochen, den Impresario Greg Norman mit dem Geld des saudischen Staatsfonds PIF aufgezogen hat. „Die Spieler, die sich LIV Golf zugewandt haben, treten all das mit Füßen, was sie groß gemacht hat“, sagte der 15-fache Majorsieger: „Mit so einem Verhalten bin ich überhaupt nicht einverstanden.“ Und: „Wenn es da um garantierte Gelder und Gagen geht – wo ist dann der Anreiz zu trainieren? Wo ist der Anreiz, rauszugehen und sich sein Geld auf dem Platz zu verdienen, notfalls auch im Dreck? Sie bekommen einfach nur eine Menge Geld im voraus, spielen ein paar Turniere über 54 Loch und machen Party …“

Weltranglistenpunkte für LIV Golf?

Arbeitskreis: Vorn wird Jubiläum gefeiert und Linksgolf gespielt, hinter den Kulissen geht es um die Zukunft des Profigolf. Während der Tage von St. Andrews treffen sich die für das Official World Golf Ranking (OWGR) zuständigen Vertreter von Institutionen und Organisationen, um über den Antrag von LIV-Golf auf die Vergabe von Weltranglisten-Punkten bei den Events der LIV Golf Invitational Series zu debattieren. Zum OWGR-Vorstand unter dem Vorsitz von Ex-R&A-Chef Peter Dawson gehören PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan, DP-World-Tour-CEO Keith Pelley, USGA-Chef Mike Whan, R&A-Boss Martin Slumbers, PGA-of-America-Vorstand Seth Waugh, Will Jones vom Augusta National Golf Club und Keith Waters, der als Geschäftsführer der DP World Tour die International Federation of PGA Tours vertritt, in der die kleineren Touren zusammen geschlossen sind. Es gilt die Frage zu klären, ob LIV Golf mit seinen Einladungsveranstaltungen für 48 Spieler über drei Runden und ohne Cut denselben Wettbewerbscharakter gewährleistet wie andere Touren und Turniere und damit den Anforderungen un der Systematik des OWGR genügt. Die Vergabe von Weltranglistenpunkten gilt als wesentlicher Faktor für die Legitimierung von LIV Golf und würde Normans Operettenliga sicherlich noch mal weiteren Zulauf bescheren. Nicht zuletzt entscheidet die Weltranglisten-Position ja auch oft über die Spielberechtigung bei den Majors.

Woods, McIlroy, Lawrie im Royal & Ancient

Ritterschlag: Vor dem ersten Abschlag zu dieser 150. Open Championship wurden Tiger Woods, Rory McIlroy und Paul Lawrie noch eine besondere Würdigung zuteil. Das Trio wurde zu Ehrenmitgliedern des Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews ernannt. „Sie haben einen großen Beitrag für die Entwicklung des Golfsports geleistet und Millionen Menschen auf der ganzen Welt inspiriert, sich diesem Spiel zu widmen“, würdigte Club-Kapitän Peter Foster seine drei „Neuzugänge“. Woods war 2000 (St. Andrews), 2005 (St. Andrews) und 2006 (Royal Liverpool) Champion Golfer of the Year, McIlroy gewann 2014 in Royal Liverpool und der Schotte Lawrie gewann 1999 in Carnoustie das Play-off nach dem Drama um Jean van de Velde.

Gefieder Patrouille: Enya, der Möwenschreck

Zum Schluss: Wer an der See Urlaub macht, der kennt das Problem – vor den gierigen und unverschämten Möwen ist kein Snack, kein Fischbrötchen, keine Pommes sicher. Die dreisten Vögel attackieren Spaziergänger und Eistüten, Sandwiches und Schokoriegel. Auch in St. Andrews hat man dieses Problem – und die Lösung heißt Enya. Enya ist ein Rotrückenbussard und damit der Albtraum von Möwen und Krähen. Die gefiederte Lady mit den scharfen Augen, dem beeindruckenden Schnabel und den bedrohlichen Krallen kreist über dem Old Course oder geht auf der Hand ihres Falkners Stuart Milne Patrouille.


„Wenn wir unterwegs sind, ist es verhältnismäßig ruhig“, sagt Milne. „Aber sobald ich mal Pause mache und Enya in ihrem Käfig im Auto ist, sind die Möwen binnen Minuten wieder da.“ Sieht nach Dauer-Einsatz für Enya und ihren Kollegen, den Fleckadler Sage, aus.

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