British Open

Cameron Young: Auf dem Asphalt von New York für harte Linkskurse gestählt?

15. Jul. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Cameron Young bei der British Open 2022. (Foto: Getty)

Cameron Young bei der British Open 2022. (Foto: Getty)

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Vor einem Jahr hat er noch um Cuts auf der Korn Ferry Tour gekämpft, jetzt führt er die 150. Open Championship an: Vielleicht kommt Cameron Young deswegen so gut mit den knüppelharten Bahnen des Old Course klar, weil er im Asphaltdschungel von New York groß geworden und das Golfspiel auf einem privaten College in der Bronx gelernt hat? Spaß beiseite, der PGA-Tour-Rookie, der sich die Erstliga-Karte mit zwei Korn-Ferry-Tour-Siegen in der Saison 2020/2021und einem Top-25-Platz im Gesamtranking verdient hat, war gestern schlichtweg brillant. Er traf alle 18 Grüns „in regulation“, blieb ohne Bogey und legte bei seinem Open-Debüt trotz der Aura des Old Course und der Begleitumstände des Jubiläums-Majors eine erstaunliche Kaltschnäuzigkeit an den Tag.

Bestes Beispiel war die Taktik auf dem 16. Loch, wo Young seinen Abschlag bewusst ins kurzgemähte Rough auf der linken Seite schlug, um ein langes Ausrollen des Balls zu vermeiden und ihn im idealen Anspielwinkel zur Fahne zu platzieren. Von da aus „musste ich den Ball bloß an der vorderen Kante des Grüns aufkommen lassen – und schon rollte er irgendwie Richtung Loch“, erzählte der 25-Jährige nach seiner fabelhaften 64 (-8). So einfach kann’s sein. Und dabei mochte sich Young, Sohn des Head Professional im exklusiven Sleepy Hollow Country Club im US-Bundesstaat New York, nicht mal eine Traumrunde attestieren: „Nö, ich fand’s nicht wirklich perfekt. Dafür sind die Bälle doch zu oft versprungen.“

Aufsehen in St. Andrews hat er übrigens vor zwölf Jahren schon mal erregt, als der damals 13-Jährige bei einer Stippvisite auf dem Old Course darum bat, von den Champion-Tees spielen zu dürfen. Wenn er heute und am Wochenende ebenso abgebrüht agiert, dann dürfte Young nach seinem geteilten dritten Platz sowie dem knapp verpassten Play-off mit Wake-Forest-Uni-Kumpel Will Zalatoris und dem späteren Sieger Justin Thomas bei der PGA Championship erneut bei einem Major für Furore sorgen – diesmal wieder im „Home of Golf“ und vor einer deutlich größeren Kulisse als zu Teenager-Zeiten.

Scheffler sorgt selbst für den Fokus

Dichtes Verfolgerfeld: Ziemlich irre, was sich da vor dem heutigen zweiten Tag auf dem Old Course hinter Spitzenreiter Cameron Young an Star-Power ballt. Als Chronist des Geschehens hat man förmlich die Qual der Wahl, aber es sei ein Trio heraus gepickt, dem am ehesten weiterhin tragende Rollen bei dieser 150. Open Championship zuzutrauen sind. Scottie Scheffler hatte sich vor dem Auftakt noch gewundert, dass er – wiewohl Weltranglisten-Erster und Masters-Champion – so wenig wahrgenommen werde. Gestern nahm der 26-Jährige das dann selbst in die Hand und spielte sich mit einer blitzsauberen 68 (-4) in den Fokus von Medien und Öffentlichkeit.

Noch einen Schlag besser war Cameron Smith. Bislang weist die Open-Bilanz des 28-jährigen Australiers zwar wenige Glanzpunkte auf – was angesichts seiner formidablen Schlag-Fertigkeit ohnehin eher verwundert. Doch das könnte sich diese Woche sowieso ändern: Die breiten Fairways des Old Course kommen seinen gelegentlich unsteten Drives entgegen, und auf dem knüppelharten Geläuf ist der Mann mit dem fusseligen Vokuhila erst recht in seinem (Eisen-und-Wedge-)Element.

Tja, und dann ist da natürlich noch Rory McIlroy. Der Nordire, der die Major-Ambitionen in den vergangenen Jahren gern schon zum Auftakt versemmelte, blieb seinem neuen 2022er-Modus treu und legte einmal mehr einen famosen Start aufs Parkett. Er wolle „langweiliges Golf“ spielen, hatte er sich vorgenommen, konstant und ohne große Fehler. Gestern gelang ihm das schon mal – mit einer Ausnahme, für die er allerdings nicht mal was konnte:


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Tiger Woods: Wenigstens der längste Drive des Tages

Nachtrag: Tiger Woods erlebte alles andere als einen perspektivreichen Start in diese 150. Open Championship, auf die er sich so gefreut und für die er so viel investiert hat. Und letztlich braucht es heute ein kleines Wunder und – laut eigener Aussage – mindestens eine 66, um am Wochenende in St. Andrews überhaupt noch dabei sein zu können. Aber wenigstens einen Pluspunkt durfte der Superstar während seiner unterirdischen 78 (+6) verbuchen: Auf der Par-fünf-14 fabrizierte Woods den längsten Abschlag des Tages, sein Ball flog weit und rollte noch weiter, blieb erst nach 376 Metern liegen.

Woods münzte die Granate ins dritte Birdie des Tages um, doch letztlich war die Runde längst „im Eimer“, die mit dem Schlag in den Swilcan Burn aus einem Divot und dem daraus resultierenden Doppelbogey auf der Eins nicht unglücklicher hätte beginnen können. Interessant übrigens, wie schnell angesichts eines solchen Desasters auch die Stimmung bei den Fans umschlagen kann. Hier einige Stimmen aus den sozialen Netzwerken:

Wehrhafter Old Course und qualvolles Slow Play

Von wegen keine Waffen: Auch wenn der Wind nicht heftig weht, weiß der Old Course sich sehr wohl gut zu wehren. Die hartgebackenen Fairways voller Wellen und mit den Mulden vor den Grüns sowie nicht zuletzt raffinierte Fahnen-Positionen auf den riesigen Puttflächen – gleichermaßen verlockend wie schwierig anzuspielen – reichten gestern trotz der moderaten Wind- und Witterungsbedingungen völlig aus, um auch den modernen Longhittern Einhalt zu gebieten. „Im Jahr 2000 war es schon heftig“, erinnerte sich beispielsweise Ernie Els in Sachen ausgetrocknetes Geläuf an die Jahrtausend-Open, als er hinter Tiger Woods geteilter Zweiter wurde: „Aber so fest und schnell wie dieses Jahr habe ich den Old Course noch nie erlebt. Das ist echt der Wahnsinn.“

Und Länge ist nur bedingt hilfreich, wenn die Bälle auf den Grüns nicht halten, sondern darüber hinaus und sonst wohin rollen. R&A-Chef Martin Slumbers hat zwar gesagt, er sei der Erste, der zum Handshake hinter der 18 bereit steht, sollte jemand eine 59 schießen – doch dieser Albtraum dürfte den Granden von St. Andrews wohl erspart bleiben.

Stattdessen jedoch ging gestern das Gespenst des Slow Play um. Zehn- oder gar zwanzigminütige Wartezeiten auf den Abschlägen und mehr als sechsstündige Runden waren keine Seltenheit: Der Platz ist eng und bietet wenig Raum, die Grüns der Par-4-Bahnen sind vielfach vom Abschlag zu erreichen, so dass sich der Betrieb staut wie sonst nur an Par-3-Löchern. Dazu kommen die Doppelgrüns, wo auf andere puttende Flights Rücksicht genommen werden muss, sowie die Besonderheiten des strategischen Spiels. „Eigentlich dürften solche Verzögerung nicht sein, es ist echt ein Witz“, sagte US-Open-Champion Matt Fitzpatrick und verdeutlicht: „Aber so ist der Old Course nun mal angelegt. Man spielt halt kreuz und quer, um bessere Winkel und bessere Linien zu bekommen.“

Barclay Brown hält Fahne der Amateure hoch

Loblied: Wenn in St. Andrews Golf gespielt wird, dann gehört eine Hommage an den Amateursport zwingend dazu. Glücklicherweise gibt Barclay Brown aktuellen Anlass dazu. Der 21-jährige Engländer mit dem gerade so angesagten Bucket Hat mischte gestern zum Auftakt des Jubiläumsmajors ganz vorn mit, markierte fünf Birdies bei einem Bogey und etablierte sich mit seiner 68er-Runde (-4) auf dem geteilten fünften Platz. Brown stammt aus Yorkshire, ist Student an der berühmten Stanford University, wo schon Tiger Woods das Golfteam bereicherte, stand vergangenes Jahr im Walker-Cup-Team und löste sein Ticket für die 150. Open mit einem beeindruckenden Gewinn beim letzten Qualifikationsturnier Ende Juni. Im Alter von zehn Jahren habe er den Old Course schon mal mit seinen Eltern gespielt, erzählte Brown: „Aber das jetzt hier ist mit nichts vergleichbar.“

Die Vorteile von gelben Bällen

Seltene Sichtung: Paul Lawrie und Ernie Els sind anders. Die beiden Veteranen, der schottische Championgolfer von 1999 und der zweifache Gewinner beider Golf-Open aus Südafrika, treiben gelbe Bälle über den Old Course. Die Erklärung ist ganz einfach, der 53-jährige Lawrie liefert sie: „Ich bin keine 23 mehr, und mein Sehvermögen ist nicht mehr das beste. Ich kann die gelben Bälle im Flug besser verfolgen, und im Rough leuchten sie mir förmlich entgegen – was gut ist, so oft wie sie darin landen. Sogar die Marschalls können sie gut sehen.“

Ernie Els wiederum hatte nach eigenem Bekunden sowieso einen „tollen Tag“, kam mit dem trockenen Geläuf bestens zurecht, unterschrieb am Ende eine 70 (-2). Und dies, obwohl ihm auf der 17 das seltene Kunststück gelang, seinen Abschlag nicht über den Schuppen aufs Fairway, sondern in den „Vorgarten“ des Old Course Hotel zu befördern:

Keine Major-Zulassung mehr für LIV-Überläufer?

Perfekter Konter: Mit seiner Ankündigung einer LIV-Golf-Serie für Proetten hat Greg Norman mal wieder geschafft, ein bisschen Major-Rampenlicht für sich und seine von Saudi-Arabien finanzierte Operettenliga abzuzweigen. Genau das wollte der R&A eigentlich vermeiden, als er den Australier und auch den aufmerksamkeitsstarken Phil Mickelson gar nicht erst für die Jubiläums-Feierlichkeiten dieser 150. Open Championship berücksichtigte. Doch Norman durfte sich an seinem Störfeuer nur kurz erfreuen. Wie die Spatzen schon seit geraumer Zeit von den Dächern pfeifen und erst USGA-Boss Mike Whan sowie nun auch R&A-Chef Martin Slumbers angedeutet haben, könnten die beiden großen Golf-Institutionen die Zulassungskriterien für ihre Majors ab 2023 ändern und Spieler – sprich LIV-Überläufer – ausschließen, die von Partnern wie der PGA Tour und der DP World Tour für deren Spielbetrieb gesperrt sind. Es stehe sehr wohl auf der Agenda, „dass wir die Ausnahmeregelungen und Qualifikationsrichtlinien für unsere Open überprüfen– so, wie wir das jedes Jahr tun“, erklärte Slumbers bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch: „Und wie jedes Jahr behalten wir uns das Recht vor, Änderungen vorzunehmen. Die Open ist für jeden offen, aber die Spieler müssen sich ihren Startplatz dennoch verdienen.“

Es darf als gesichert angenommen werden, dass R&A und USGA abwarten, wie der Antrag von LIV Golf auf Zulassung zum Weltranglistenpunkte-System sowie die kartellrechtlichen Untersuchungen des US-Justizministeriums gegen die PGA Tour ausgehen. Davon vor allem werden mögliche Reformen der Major-Zulassungskriterien abhängen. Man darf überdies gespannt sein, wie sich der Augusta National Golf Club für sein Masters entscheidet, das formal ein reines Einladungsturnier ist. Die PGA of America hatte sich bezüglich ihrer PGA Championship bereits eindeutig mit den beiden großen Touren solidarisch erklärt.

Rose, Noren und ein Japaner als lachender Dritter

Wechselspiel: Dass Justin Rose diese 150. Open Championship wegen einer Rückenverletzung aufgeben musste, ist an sich schon eine bittere Geschichte. Der Engländer, US-Open-Champion von 2013 und Olympiasieger von 2016, hatte bereits die Einspielrunde am Mittwoch abbrechen müssen und erschien gestern nicht zur Tee Time mit dem Ryder-Cup-Traumpaar Tommy Fleetwood und Francesco Molinari um 8:14 Uhr Ortszeit. Noch bitterer erscheint, dass der erste Nachrücker Alex Noren schon am Dienstag nicht mehr an einen Open-Einsatz geglaubt und St. Andrews in Richtung USA verlassen hatte, um wenigstens bei der Barracuda Championship in Kalifornien an den Start zu gehen. Verständlich, auch wenn man geneigt ist zu sagen: Hätte er mal gewartet. Lachender Dritter war jedenfalls der Japaner Rikuya Hoshino, der sein Glück kaum fassen konnte und sich mit einer 75er-Runde (+3) achtbar aus der unverhofften Affäre zog.

„Auld Da“ Anderson und sein Ginger Beer

Zum Schluss: Wenn man sich die Namen der Bahnen des Old Course anschaut, dann sind die meisten nahezu selbsterklärend: Tom Morris (18) und Bobby Jones (10) beispielsweise. Oder „End“ und „Road Hole“, das letzte Loch der Out-Route (9) und die gefürchtete 17 entlang der Old Station Road mit dem Old Course Hotel im Knick des Dogleg. Und dann ist da noch die Bahn 4 namens „Ginger Beer“. Sie bezieht ihre Bezeichnung von einem St. Andrewser Original, genauer gesagt von dessen Profession. In den 1880er-Jahren nämlich betrieb ein gewisser David „Auld Da“ Anderson am Rand der vierten Bahn einen Imbissstand, verkaufte auf einem Karren unter anderem pochierte Eier, die in einen Fleischmantel gehüllt und dann frittiert wurden, und eben – Ingwer-Bier, ein kohlensäurehaltiges, meist alkoholfreies scharf-süßes Erfrischungsgetränk mit kräftigem Ingwergeschmack.


Anderson war Greenkeeper und Mädchen für alles, hatte ursprünglich einen Laden an der Straße The Links, wo auch Old Tom Morris und der berühmte Schlägermacher Robert Forgan ihre Werkstätten führten, und verlegte sich aufs selbstgemachte Ginger Beer, nachdem er sein Geschäft wegen der übermächtigen Konkurrenz aufgeben musste. Sein Bier-Karren gilt damit als erstes Halfway-Haus der Golfgeschichte.

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