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Augusta National als „Normalsterblicher“: Champion ist, wer die 100 knackt

02. Apr. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Otto-Normalgolfer haben im Augusta National mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. (Foto: Getty)

Otto-Normalgolfer haben im Augusta National mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. (Foto: Getty)


Es gibt sie zuhauf, Sehnsuchtsplätze, mit denen sich Otto-Normalgolfern gern mal messen möchte. Wer diesbezüglich keine „Bucket List“ hat, wie das neudeutsch heißt, dem fehlt wohl der Sinn für die träumerische Sehnsucht. Viele dieser Fähnchen auf dem Golfglobus sind durchaus erreichbar – wenn das entsprechende Reisebudget vorhanden ist, gerade keine Pandemie den Flugverkehr am Boden hält und die Reisefreude blockiert, man ein glückliches Händchen bei einer Startzeitenverlosung hat … Und so weiter.

Erlebnis vor Ergebnis?

Ziemlich weit oben auf dem diesbezüglichen Leaderboard der Lust dürfte bei vielen Augusta National rangieren, wo nächste Woche das 86. Masters abgehalten wird. Also, gesetzt der Fall, es gäbe die Chance auf das „Once-in-a-Lifetime“-Vergnügen einer Runde übers legendäre Geläuf hinter der Magnolia Lane – Möglichkeiten hat‘s ja durchaus –, wie würden sich „Normalsterbliche“ auf dem Major-Rasen zwischen Loch 1, „Tea Olive“, und der 18, „Holly“, schlagen? Oder wäre das Ergebnis sowieso egal, weil das Erlebnis alles überwiegt?

Kollege Auf der Heyde und sein Birdie an der 16

Beim Kollegen Peter Auf der Heyde war das so. Der Südafrikaner, der seit vielen Jahren für Golf Post vor Ort vom Masters berichtet, gehörte 2013 beim traditionellen „After-Work“-Golf für Medienvertreter zu den Auserwählten und durfte am Montag nach dem Play-off-Triumph von Adam Scott über Angel Cabrera auf den Platz.

„Am ersten Loch“, schreibt Peter über diesen Tag aller Tage, „kam ich mir vor wie Scott [im Stechen] am Zehnten.“ Und als der Mid-Handicapper auf „Redbud“, der Par-3-16, ein Birdie schoss, von den Turnier-Tees überdies, „hätte mich keiner der weltbesten Golfer an dem Loch geschlagen, denn in den vier Runden gab es kein Hole-in-One“. Spätestens da war der Gesamt-Score ohnehin Nebensache; noch heute gerät Auf der Heyde „bloß“ ins Schwärmen, wenn man ihn auf 2013 anspricht. Bringt also nichts.

Hohe 90 an einem Tag, an dem alles passt

Zitieren wir statt des schreibenden vielleicht besser die spielenden Profis. Die Antworten fallen unisono ernüchternd aus. Bei „Golf.com“ hat Jason Day 2018 mal gesagt: „Jemand mit Handicap 15? Wenn du wirklich gut drauf bist, alles nach Wunsch läuft und zudem das Wetter mitspielt, dann ist vielleicht eine mittlere bis hohe 90 drin. Dafür muss aber wirklich alles passen.“ Freilich: „Unter Turnierbedingungen wird ein Durchschnittsgolfer niemals die 100 knacken – keine Chance! Irgendwas zwischen 100 und 105 wäre möglich, würde ich sagen. An einem schlechten Tag eher 110“, ergänzte damals Adam Hadwin.

Den schlechteste Masters-Durchgang eines Aktiven „ever“ absolvierte übrigens US-Amateur Charlie Kunkle 1956. Der golferische Autodidakt benötigte am Finalsonntag 95 Schläge für das Par-72-Layout und beendete das Turnier mit einem Gesamtscore von 340 (52 über Par). Zum Vergleich: Der damalige Sieger Jack Burke Jr. aus Texas hatte 289 Schläge auf dem Zettel.

„Die Breaks sind gewaltig“

Vor allem die Grünkomplexe von Augusta National sind ein brutaler Prüfstein, ihre enormen Wellen und falschen Fronten sowie die wogenden Oberflächen-Konturen bilden das wahre Abwehrbollwerk des gepriesenen Geläufs.
Hauptsächlich kommt es aufs Chippen und Putten an“, hat Nick Wright für „Today‘s Golfer“ notiert. Der Journalist mit Handicap 8,1 spielte Augusta vor zwei Jahren und sagt: „Die Breaks auf den Grüns sind gewaltig.“
Auf der 16, wo Peter Auf der Heyde sechs Jahre vorher aus 40 Zentimetern zum Schlaggewinn eingelocht hatte, peilte Wright einen Break von 1,2 Metern an und musste sich vom Caddie korrigieren lassen: „Visier‘ lieber drei Meter an!“ Der Spieler tat wie geheißen und hatte das Gefühl „um 90 Grad vom Loch weg zu putten.“ Dennoch lief der Ball mit einer sauberen Kurve direkt ins Ziel – ebenfalls zum Birdie.

Geschwindigkeitskontrolle ist der Schlüssel

„Das schwierigste für mittlere Handicaps sind die unebenen Lagen um und auf den Grüns“, sagt gleichermaßen Rickie Fowler, der sich nicht für das Masters 2022 qualifizieren konnte, indes auf Weltranglistenplatz 122 abgerutscht ist und daher zuschauen muss. „Auch wenn man den Ball ,in regulation‘ mitten aufs Grün spielt, ist das Par keineswegs sicher. „Ein guter Putt kann dennoch 1,5 bis 1,8 Meter vom Loch entfernt enden – und die dann zu verwandeln, ist in Augusta kein Spaß und schon gar nicht selbstverständlich.“ Geschwindigkeitskontrolle sei der Schlüssel auf den Grüns, und Drei-Putts dürften für Amateure eher die Regel und schon ein Erfolg sein.

Kaum schlechte Lagen – aber die Bunker …

Bei alledem ist der Platz an sich mit seinen ausladenden Fairways „von den Mitgliederabschlägen ziemlich gutartig“, urteilt Nick Wright: „Mit etwas Präzision ist es einfach, den Ball im Spiel zu halten. Es gibt kaum schlechte Lagen, sogar abseits der Fairways, im ,Second Cut‘ oder selbst im Pinienstreu.“ Dr. Alister MacKenzie, der Vordenker des kongenialen Schöpferduos mit Bobby Jones, hatte es nicht so mit Rough, er wollte einen schwachen Schlag nicht durch Ballverlust oder Hackerei bestraft sehen, sondern durch einen ungünstigen Spielwinkel; diese Philosophie gilt bis heute.

… aber die Bunker

Überdies geizte der schottische Architekt aus Kostengründen mit Bunkern, die zwölf in den Fairways und die 32 rund um die Grüns allerdings haben es trotz des unschuldig wirkenden weißen Sands wirklich in sich. Im Wortsinn. Die Hindernisse sind tief, oft lässt sich von der Talsohle aus kaum über den Rand blicken, nicht selten ist ein seitlicher Befreiungsschlag die bessere Option.

Der wirkliche Genius des Designs

Was jeden beeindruckt, der Augusta National erlebt, sind Ondulation und Weitläufigkeit des Geländes. Auf Bahn 10 beispielsweise liegt der Abschlag 34 Meter über dem Grün.


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Und obwohl die Bahnen 1 und 18, 2 und 8 sowie 3 und 7 nahezu parallel laufen, ist es bis zur Amen Corner und zur wunderbaren „Golden Bell“ (Loch 12) als Herzstück fast ein „Tagesausflug“.

Man muss Parkland-Golf nicht unbedingt favorisieren, um dennoch zu konstatieren, dass der Masters-Kurs ein perfekter Parcours ist: voller Schönheit und Beschaulichkeit, abwechslungsreich und strategisch, gewürzt mit „Risk-and-Reward“-Optionen, gut dosiert mit Wasser. „Das augenfälligste Merkmal allerdings“, so Nick Wright in „Today‘s Golfer“, „ist der Umstand, Golfern jedweder Spielfertigkeit die passende Herausforderung zu bieten. Darin besonders zeigt sich der wirkliche Genius seines Designs.“

Zahlenspiel mit höchsten Scores pro Loch

Der 8,1-Handicapper hat bei seiner Runde – von den Members Tees – eine feine 81 geschossen; er fand den Kurs „überschaubar und gut spielbar“. Gleichwohl hat sich das Portal „bunkered“ den Spaß gemacht, den schlechtestmöglichen Umlauf im Augusta National hochzurechnen. Dafür wurde für jedes Loch der höchste je in der Masters-Historie gespielte Score rausgesucht – Ernie Els‘ 9 auf Bahn eins 2016 beispielsweise, die 8 von Henrik Stenson 2011 auf der Vier, die 13 von Tom Weiskopf 1980 auf der Zwölf oder Sergio Garcias 13 auf der 15 vor drei Jahren.

Egal auf welchem Loch, der „Worst Case“ war überall mindestens 7 Schläge, und in Summe kommt ein fiktives Rundenergebnis von 169 heraus. In Worten: hundertneunundsechzig. 78 für die ersten Neun, 91 für die zweiten, 97 über Par. Wenigstens das zu unterspielen, dürfte machbar sein.

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