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Amerikanischer Rost und blaues Wunder-Additiv: So holte Europa den Ryder Cup

03. Okt. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Das Team Europa beim Ryder Cup 2023. (Foto: Getty)

Das Team Europa beim Ryder Cup 2023. (Foto: Getty)

Es muss wahrlich ein besonderer Tropfen sein, dieses blaue Wunder-Additiv, das die Europäer vor allem bei einem Ryder Cup auf heimischem Boden jedes Mal in den Tank ihres Teamgeists schütten; eine Art Zaubertrank, wie Miraculix ihn zu brauen pflegt – bloß Shane Lowry braucht ihn nicht, der ist als Kind in den Topf mit dem Treibstoff gefallen, oder wie?

Scherz beiseite, dieser 44. Ryder Cup war Spitz auf Knopf. Beinahe hätten die Titelverteidiger aus den USA am Sonntag in den Einzeln wettgemacht, was sie am Freitag und am Samstagvormittag verschlafen haben, als die Europäer jenes 9,5:2,5 herausspielten, das ihnen bis zum späten Sonntagnachmittag half, sich im Marco Simone Golf & Country Club über die Ziellinie zu retten.

Triumph auf des Messers Schneide

Das letztliche 16,5:11,5 täuscht darüber hinweg, wie sehr dieser Triumph mittendrin auf Messers Schneide stand. Und wir werden nie erfahren, ob es den von Rickie Fowler – aus US-Sicht seltsamerweise – geschenkten 90-Zentimeter-Putt an Tommy Fleetwood gar nicht gebraucht hätte: Weil der Engländer aus eigener Kraft den entscheidenden Ausgleich geschafft hätte, trotz fraglos zittriger Hände in der Bedeutungsschwere dieses Augenblicks auf de 16. Grün. Weil Lowry ja das Match mit Jordan Spieth ebenfalls geteilt hat – oder sah es nur so einfach aus, weil der Ire ohnehin beflügelt war vom sicheren Gewinn des kleinen goldenen Henkelmanns. Weil Rookie Bob MacIntyre auch gegen Ebenfalls-Rookie Wyndham Clark unbesiegt blieb, als es im abschließenden Single um nichts mehr ging. Kurz: Wie wäre der Sonntag verlaufen, wenn Fowler dieses „Gimme“ nicht gegeben hätte?

 

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Das Meisterstück des Luke Donald

Egal, das alles ist hypothetisch. Es musste nur zur Erinnerung noch mal gesagt werden – als kleiner Wermutstropfen in den verdienten Freudenbecher der Europäer. Aber genug jetzt der Spaßbremserei: Team Blau war am Rand der Ewigen Stadt Rom hin- und mitreißend; es war ein purer Genuss, ihnen in ihrer Einheit zuzusehen; Luke Donald hat alles, aber auch wirklich ALLES richtig gemacht, von den Wildcars übers Set-up des Platzes bis zur Konfiguration seiner Kombattanten, und seine verkürzte Amtszeit mit einem Meisterstück gekrönt, bei dem Intuition, und klarer Plan, Geschick und Glück sowie nicht zuletzt die treffsicheren Analysen von Statistik-Guru Edoardo Molinari ihm die Hand führten.


Europas Dominanz in der Statistik

Rory McIlroy, Viktor Hovland und Jon Rahm, die drei besten Europäer in der Golfweltrangliste (2., 3., 4.) beendeten ihre Matches mit 9 Siegen, 2 Niederlagen und 3 Unentschieden. Damit brachten es die jeweiligen Top-5-Spieler im OWGR der Sieger von 2018 (Europa), 2021 (USA) und 2023 (Europa) auf eine sensationelle Bilanz von 30-5-5. Scottie Scheffler ist übrigens der ersten Weltranglisten-Erste in der Geschichte des Ryder Cup, der beim Kontinentalduell noch nicht gewonnen hat.

Bei den nunmehr sieben Heimsiegen für Europa in Serie haben diejenigen Spieler von Team Blau, die in den Top-5 der Weltrangliste rangieren, 62,2 Prozent ihrer Partien gewonnen, was einem Durchschnitt von 0,71 Punkten pro Match entspricht. Auf derselben Strecke haben amerikanische Top-5-Spieler nur 36,0 Prozent der Partien gewonnen (0,43 Punkte pro Match).

Europa dominierte die Front Nine im Marco Simone Golf & Country Club, erspielte sich dort einen Vorsprung von 20 Löchern. Allein zehnmal gewannen die Europäer dabei das erste Loch, die Amerikaner nur viermal. Wenn es auf die Back Nine ging, lag das US-Team lediglich in acht Matches vorn, die Europäer hingegen führten 15 Mal.

Max Homa brachte es als bester Amerikaner auf 3,5 Zähler – Scottie Scheffler, Justin Thomas, Jordan Spieth und Rickie Fowler müssten für eine solche Bilanz ihre Punkte zusammenlegen –  und auf einen „Strokes Gained“-Wert von 5,9 Schlägen, womit er im US-Team ebenfalls ganz vorn war. Auf europäischer Seite allerdings waren fünf Spieler in der Schlagstatistik besser als der US-Ryder-Cup-Rookie.

Quelle: US-Magazin „The Athletic“


Geniestreich des Kapitäns

Ein Geniestreich des Engländers war dieser Wechsel eines tradierten Ablaufs. Donald pfiff aufs „Haben wir immer so gemacht“ und verlegte die klassischen Vierer, das Alternate-Shot-Format in die morgendlichen Sessions.  Im Foursome sind die Europäer traditionell besser, und der Kapitän wollte einen Blitzstart. Zumal er wusste, dass die Amerikaner rostig angereist waren, während seine Equipe nahezu samt und sonders zwei Wochen zuvor noch die BMW PGA Championship in Wentworth bestritten hatte und mit entsprechendem Schliff nach Rom gereist war.

Neun der zwölf US-Ryder-Cupper hingegen hatten seit der Tour Championship vor gut vier Wochen kein Turnier mehr gespielt und liefen anfangs entsprechend unrund. Außerdem waren sie einmal mehr so arrogant, sich bei der Italian Open nicht blicken zu lassen – so wie vor Paris 2018 bei der French Open in Le Golf National – und es mit einem nonchalanten Kurztrip nach Rom in Sachen ortsfokussierter Präparation bewenden zu lassen.

Schauffele vor Rauswurf aus dem US-Team

Ist es wirklich so einfach, den anfangs so lahmen Auftritt weitgehend darauf zurückzuführen? Natürlich gab’s noch andere Knackpunkte: die eine oder andere Fehlentscheidung des US-Skippers Zach Johnson, der mit seiner staatstragenden Eröffnungsrede das Pulver des Charismas verschossen zu haben schien und bloß noch blass wirkte. Oder das Theater um Xander Schauffele, der beinahe aus dem Team geflogen wäre, weil er die obligatorische Teilnahmeerklärung unter anderem nicht unterschreiben wollte, weil darin den Kameras von „Netflix“ ursprünglich der Zugang zum Teamraum gestattet worden war.


„Zach Johnson wäre ein viel besserer Kapitän gewesen, wenn einige seiner Jungs einfach besser gespielt hätten.“

Aus der Ryder-Cup-Bilanz des US-Magazins „The Athletic“


Doch weil die Spieler von der Doku-Serie des Senders nicht profitieren, wollte sich Schauffele halt nicht in den Spind schauen lassen. Womöglich resultiert genau daraus das vom Sky-Sports-Journalisten Jamie Weir verbreitete Gerücht, Schauffele und sein designierter Doppelpartner Patrick Cantlay seien im Team isoliert und Letztere trage aus Protest über die Nichtbezahlung für Ryder-Cup-Einsätze auf dem Platz keine US-Kappe.

„Nicht bereit für diesen Wettkampf“

Sei’s drum, dennoch war es vornehmlich die mangelnde Wettkampfpraxis – wenngleich Johnson das nicht wahrhaben wollte: „Diese Jungs haben nach freien Wochen schon eine Menge Turniere gewonnen.“ Und: „Wir hatten hier Vorbereitungszeit.“ Doch auch Jordan Spieth und US-Vizekapitän Davis Love III („Wir waren platt, wir waren eingerostet, wir waren nicht bereit für diesen Wettkampf“) beispielsweise haben dieses Bulletin der US-Befindlichkeit bestätigt. Sir Nick Faldo sprach von „vier Wochen Urlaub“ für die meisten Amerikaner; Sky-Sports-Experte Andrew Coltart nannte die Art der Vorbereitung „eine Schande“.

Dazu passt, dass ausgerechnet jene zuvorderst Aktivposten waren, die vor zwei Wochen noch in der Herbstserie der PGA Tour angetreten waren und bei der Fortinet Championship aufgeteet hatten: Rookie Max Homa, mit 3,5 Punkten aus fünf Matches Amerikas bester Mann, und der umstrittene Pick Justin Thomas, der freilich mehr damit beschäftigt war, seinen strauchelnden Partner Jordan Spieth über die Runden zu ziehen. Und im ersten Foursome ließ US-Skipper Zach Johnson sein zweites Erfolgsduo überdies auf der Bank.


„Es ging in Rom nicht um eine Revanche, sondern um eine Wiedergutmachung für Whistling Straits.“

Rory McIlroy

 

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Bestechende Foursome-Bilanz seit 2014

So bürsteten die Europäer den ansonsten apathischen Amerikanern drei Sessions lang den Rost aus dem Team-Outfit. Vor allem die Foursomes beendeten sie mit der beeindruckenden Bilanz von 7:1 Punkten und schraubten damit die Dominanz im klassischen Vierer bei Kontinentalduellen auf europäischen Boden seit Gleneagles 2014 auf 20:4. Sowieso: Zehnmal in Folge wurde der Ryder Cup von der Mannschaft gewonnen, die im Foursome mehr Punkte einheimste. Den Rest erledigten Luke Donalds Leistungsträger rund um Leader Rory McIlroy, der sein Versprechen eingelöst hat, „auch mit den Schlägern voranzugehen“, womit er es endlich auf eine positive Ryder-Cup-Bilanz bringt. Und der unerschütterliche Spirit.

 

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Alldem hatten die USA einmal mehr nichts entgegenzusetzen. Es gibt Bilder vom ersten Abschlag, die Bände sprechen: Hier die Europäer Arm in Arm, dort die Amerikaner einfach nur nebeneinander, steif, nie verschworen und einander zugewandt wirkend. Nicht von ungefähr sind sie in den Fourballs traditionell stärker, wo jeder seinen eigenen Ball spielen, sein eigenes Ding machen kann – und halt in den Einzeln. Aller Emotionalität eines Max Homa oder Sam Burns zum Trotz, der erst an der Seite von Collin Morikawa zur Hochform auflief, sich mit dem zweifachen Majorsieger auch sichtbar als Team.

Von einer Idee geeint und beseelt

Die „Roten“ sind und bleiben Individualisten – Einzelkämpfer, die allenfalls daheim von den Fans und der Atmosphäre zusammengeschweißt werden, die aber auf ungewohntem Terrain hoffnungslos verloren sind, wenn sich ihnen eine Mannschaft in den Weg stellt, die von einer Idee geeint und beseelt ist. Besser als Justin Rose, der in Marco Simone geputtet hat wie weiland in Medinah, als er nachts auf dem Teppich seines Hotelzimmers trainierte, kann man das nicht in Worte fassen:

 

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Ein Satz von Nicklaus-Jacklin Award-Gewinner „Rosie“ verdient es, nochmal herausgehoben zu werden: „Eine gute Paarung in der europäischen Mannschaft bedeutet nicht, dass man mit seinem besten Kumpel spielt, sondern dass man etwas repräsentiert, das größer ist als man selbst.“ Das ist neben der miesen Vorbereitung die andere Schwachstelle des US-Teams, seit jeher. Wie schrieb „Golfweek“-Edelfeder Eamon Lynch so treffend: „Die USA müssen endlich ihre gemütliche Kultur der Kumpanei“ überwinden. Und es braucht für 2025 auf Bethpage Black einen Kapitän mit klarer Kante: Ihr Einsatz, Tiger Woods!

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