Keegan Bradley wird den Ryder Cup nicht spielen. Das war die Verkündung, auf die am Mittwoch alle gewartet haben. Der Rest des Teams war beinahe uninteressant und sah mit ausdruckslosen Gesichtern aus Zoom-Calls zu, wie Bradley wieder und wieder Fragen zu dieser Wahl beantworten musste. Aber ist es die richtige Entscheidung?
Keegan Bradley: "Ich wurde auserwählt, der Kapitän dieses Teams zu sein"
"Ich weiß zu 100 Prozent, dass es die richtige Entscheidung ist", proklamiert der 39-Jährige. Unter jedem anderen Kapitän wäre ihm womöglich ein Platz im Team sicher gewesen, aber wie es das Schicksal will, ist es kein anderer Kapitän, sondern Bradley, der sich nach all den Spekulationen zu einer Entscheidung für das Team und gegen seinen eigenen Traum durchringen musste.
"Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich in diesem Team spielen muss, um ihm zum Sieg zu verhelfen, würde ich das tun", erklärt Bradley sich. Aber die guten Leistungen der anderen Spieler hätten ihm die Entscheidung einfacher gemacht. Er vertraut darauf, dass die Spieler, die er ins Team beruft, ihre Aufgabe gut genug machen, um den Pokal zurückzugewinnen, während er sich darauf konzentriert sie anzuführen. "Letztendlich wurde ich ausgewählt, um eine Aufgabe zu erfüllen. Ich wurde auserwählt, der Kapitän dieses Teams zu sein." Die Befürchtung, dieser Aufgabe nicht gerecht zu werden, wenn er gleichzeitig auch spiele, war da, gesteht er.
Das Zünglein an der Waage ist wohl die Frage, ob Bradley so viel besser als Spieler ist, dass er selbst unter einer solchen Doppelbelastung besser wäre als Sam Burns, den er an seiner statt ins Team gewählt hat? Wahrscheinlich nicht.
Das Ende eines Traums
Trotzdem ist es das Ende eines Märchens: Der erste Playing Captain seit Arnold Palmer führt sein Team vor heimischem Publikum glorreich ins Feld gegen die zuletzt so übermächtigen Europäer. Eine Geschichte, die dem Ryder Cup schon vor seinem Beginn einen Platz in den Annalen des Golfsports gesicherte hätte und dem Event zusätzliche Dramatik verliehen hätte - nicht, dass ein Ryder Cup in Bethpage dies nötig hätte. Eine Geschichte, die aber schon vor dem Kontinentalwettbewerb zur Ablenkung wurde, jeglichen Fokus von den restlichen potenziellen Teammitgliedern allein auf den Kapitän konzentrierte und die bewusst weiter angeheizt wurde, denn laut Bradley sei die Entscheidung bereits vor einer Weile gefallen.
Ob es die richtige Entscheidung ist? Das wird sich wie so oft erst auf dem Platz beweisen. Und sollten die USA siegreich sein, wird auch niemand zurückschauen. Sollte der Wettbewerb aber in einer Niederlage für das US-Team enden, wird man womöglich auf genau diesen Mittwoch zurückblicken und es als die falsche Entscheidung deklarieren. Dabei gilt genau das gleiche für den Fall, hätte Bradley sich selbst ins Team gewählt. Gewinnen kann er mit seiner Wahl nur, wenn auch das Team gewinnt.
Fakt ist, man hat ihn in eine Position gebracht, in der es fast unmöglich ist, die "richtige" Entscheidung zu treffen. Der Fingerzeig müsste deshalb weiter in die Vergangenheit zeigen, auf den Moment, in dem man einen Bradley zum Kapitän machte, der eigentlich als Spieler seine Spuren in der Geschichte des Pokals hinterlassen wollte und mindestens nur zweite Wahl nach Wunschkandidat Woods war.
Ob richtig oder falsch, es ist die vernünftige, die bodenständige Entscheidung, die Entscheidung des Kopfes über das Herz. Bradley will sich nicht vorwerfen lassen, dass er nicht 100 Prozent für den Job gegeben hätte, für den er ausgewählt wurde. Für ihn zählt jetzt nur noch eines: "Hauptsache wir gewinnen am Sonntag." Und wenn die Opferung des persönlichen Traums nicht ein Symbol für den Teamgeist ist, dessen Fehlen dem amerikanischen Team regelmäßig vorgeworfen wird, was dann? Bradleys selbstlose Entscheidung gibt dem Team einen Anführer, hinter dem sie sich versammeln können, der ihnen vorlebt was es heißt, das Team über die eigenen Bedürfnisse zu stellen.
Wer weiß, sollte Scottie Scheffler sich bei einer Ravioli-Aktion erneut die halbe Hand abhaken, kann Bradley als Ritter auf dem weißen Pferd dem Märchen vielleicht doch noch ein Happy End geben.