Vier Schläge: So viel Vorsprung hat Scottie Scheffler bei einer 54-Loch-Führung vor dem Finale eines Majors noch nie gehabt. Drei beim Masters 2022 und bei der diesjährigen PGA Championship, einen beim Masters 2024. Und dann hat er jedes Mal gewonnen – so, wie er überhaupt jede seiner jüngsten neun Finaltag-Führungspositionen ins Ziel gebracht hat. Inevitable, unausweichlich, zwangsläufig, war denn auch gestern das Wort der Stunde: Es sieht nicht gut aus für den wackeren Haotong Li und den Rest des Felds, das vor dem Weltranglistenersten auf die abschließende Reise über die Dunluce Links von Royal Portrush muss. Will heißen: Diesen Scottie Scheffler kann nur einer schlagen – Scottie Scheffler selbst.
Der 29-Jährige müsste schon einen wahrhaft finsteren Tag erwischen, um sich das vierte Major seiner diesbezüglich so kurzen Laufbahn noch vom Schläger nehmen zu lassen. Zu erwarten ist das nicht angesichts der Meisterklassen in Shot Making und Putting, die Scheffler vor allem in Runde zwei und am gestrigen Moving Day abgeliefert. Und auf einen nervlichen Einbruch braucht die Konkurrenz bei dem Mann auch nicht zu hoffen, der vor ein paar Tagen noch erklärt hat, der Gewinn von Golfturnieren werde ohnehin überbewertet, und der auch gestern einfach nur nach Hause wollte, statt über einen Karriere-Grand-Slam zu räsonieren.
Dafür sangen andere nach Schefflers 67 Loblieder auf dessen Leistung, sozusagen als Prolog zum Finale. Jim „Bones“ Mackay zuvorderst wäre zu zitieren, der als langjähriger Caddie von Phil Mickelson ein Zeitzeuge erster Güte ist, weil er die Dominanz von Tiger Woods aus nächster Nähe erlebt hat: „Ich hätte niemals gedacht, nochmal einen Spieler zu erleben, der so nah dran ist an Tiger wie dieser Mann aktuell“ – abgesehen vom Charisma, das darf angemerkt werden. Die Social-Media-Abteilung der PGA Tour hat Mackays Aussage mit einer netten Foto-Montage unterlegt:
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Selbst Rory McIlroy zollt als fairer Sportsmann der Scheffler’schen Dominanz Tribut und hebt vor allem die Verbesserung auf den Grüns heraus. Stimmt, bei der Scottish Open war Scheffler in der Kategorie „Strokes gained: Putting“ noch 118. des Felds, gestern war er auch in dieser Statistik die Nummer eins der Open.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Eigentlich irre: Vor dreieinhalb Jahren schlummerte das bei Scheffler noch im Verborgenen. Alle Welt fragte sich, wann der Typ endlich dem ganzen Vorschusslorbeer gerecht wird – und der Autor gesteht, sich anlässlich von Schefflers Ryder-Cup-Debüt 2021 in Whistling Straits bei dem Gedanken ertappt zu haben: Was ist bloß dran an diesem Scottie Scheffler? Was soll das ganze Gewese um einen völlig uninteressanten, irgendwie nicht sonderlich brillant wirkenden Spieler? Dann gewann Scheffler ab Februar 2022 vier Mal auf der PGA Tour, mit dem Masters als Sahnehäubchen, und seither ist alles anders auf der globalen Golfbühne.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
„Es fühlt sich an, als spiele ich vor allem um Platz zwei“
Worte zum Sonntag: Es offenbarte sich wenig Überraschendes, als die Protagonisten des heutigen Schlussflights über ihre Gedanken zum Finale um die 153. Open Championship befragt wurden. Haoting Li ist nachvollziehbar aufgeregt und realistisch („Es fühlt sich an, als spiele ich vor allem um Platz zwei“), will aber natürlich das Beste draus machen. Scottie Scheffler wiederum hängt alle Erwartung niedrig: „Ich denke nicht zu viel nach. Ich versuche einfach, jeden Schlag bestmöglich auszuführen.“ Mal sehen, wie sich das Ganze nachher in der Realität von Royal Portrush darstellt.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
McIlroy: Der Hometown Hero hat schon geliefert
Egal wie es heute ausgeht: Rory McIlroy hat geliefert und die Fans in seiner nordirischen Heimat spätestens mit der tollen 66 am Moving Day glücklich gestimmt. Mehr noch, er berauschte sie und versetzte sie zeitweilig sogar in Ekstase.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Bei allem neu entfachten sportliche Ehrgeiz ist diese 153. Open Championship auch für McIlroy selbst eine Art sportliche Party fürs Komplettieren des Karriere-Grand-Slam, wenngleich er Dreingaben selbstredend nicht abgeneigt ist. Und sollte er heute tatsächlich in der Lage sein, dem „inevitable champion“ Scottie Scheffler noch ein indirektes Duell um die Claret Jug liefern, dann würde vermutlich selbst die majestätischen Dünen an der Küste von Antrim beben – oder wäre es ein Mittanzen?
Rory McIlroy über den ausgebuddelten Ball
Dublette: Rory McIlroy muss für seinen zweiten Schlag auf Loch elf ins Rough und gräbt beim Durchschwung eine olle, in den Boden getretene Murmel aus. „Das war mit Abstand das Seltsamste, was ich je auf einem Golfplatz erlebt habe“, sagte der Nordire nach der Runde. Hier noch mal der O-Ton in Wort und Bild:
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Oh Mann, Jon Rahm!
Kurze Frage an John Rahm: Muss das sein? Beiß in den Schläger oder kau an der Kappe, aber lass den Rasen in Ruhe. Das gebietet allein schon der Respekt vor den Greenkeepern, die dem Spiel im Wortsinn den Boden bereiten. Sorry für den Ausbruch, aber allmählich läuft das Fass über angesichts all der Unbeherrschtheiten inn der Beletage des Golfsports mit zerdepperten Sprinklerköpfen, demolierten Abschlagsmarkierungen und Spinden oder Hackereien ins Gras.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Thema Slow Play und ein Lösungsvorschlag
Beanstandung: Die Wogen der zwei Strafschläge für Shane Lowry haben sich noch nicht ganz geglättet, da gibt’s das nächste Regel-Ringelrein mit der R&A. Diesmal geht’s erneut um die Schneckenplage Slow Play, die nach dem Auftakttag mit Runden von an die sechs Stunden schon ein Thema war. Gestern wurden Bryson DeChambeau und Henrik Stenson auf die Uhr genommen, was beiden natürlich gar nicht geschmeckt hat. „Wir wurden auf dem zehnten Grün angesprochen, dass wir ein paar Minuten über der vorgegebenen Zeit sind“, motzte Stenson, der Champion-Golfer von 2016. „Ich hab’ gestern schon mit den Jungs gescherzt: Nachdem die erste Runde über eine Stunde länger und die zweite vier bis fünf Minuten zu lang, werden sie jetzt schon Druck machen, wenn man zwei Minuten über der Zeit liegt. Und genau so ist es gekommen.“
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Smiths trauriger Rekord, Mickelsons tolle Marke
Nachtrag: Es ist noch ein trauriger Rekord zu vermerken, und diese Negativmarke geht auf das Konto des einst so gehypten Cam Smith, immerhin Gewinner der Jubiläums-Open von 2022 auf dem Old Course in St. Andrews. Der 31-jährige Australier von der LIV Golf League ist der einzige Spieler, der in diesem Jahr bei allen vier Majors den Cut verpasst hat.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Dafür hat LIV-Kollege Phil Mickelson (55) zum 103. Mal den Cut bei einem Major geschafft. Zwischen dem Wochenende als Amateur bei der US Open 1990 und Royal Portrush liegen 35 Jahre - das ist phänomenal!
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
R&A hat den Portmarnock Golf Club im Visier
Begehrlichkeit: Der R&A schaut über den Tellerrand und wirft, beflügelt schon vom Erfolg der Open 2019 in Royal Portrush, ein Auge auf andere Bühnen außerhalb von Schottland und England. Besonders im Visier haben die Granden den traditionsreichen Portmarnock Golf Club auf einer Halbinsel am Rand von Irlands Hauptstadt Dublin. Rory McIlroy hatte vor geraumer Zeit schon ausgeplaudert, dass es ein Major in Portmarnock geben könnte; jetzt hat R&A-Chef Mark Darbon bestätigt, dass die „konstruktiven Gespräche“ durchaus gediehen seien. Ein Termin steht freilich noch nicht fest – 2028 wäre allerdings noch frei, da Donald Trumps Turnberry wegen der weiterhin ungelösten logistischen Probleme weiterhin nicht infrage kommt.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Schade, dass die Riesen-Party von Royal Portrush nun endet
Zum Schluss: … ein vorweg genommenes Fazit, für das wir uns beim US-Kollegen Dan Rapaport bedienen, der die Tage dieser 153. Open Championship in einem Social-Media-Posting zusammengefasst hat. Dem ist unbedingt beizupflichten und nichts, aber wirklich nichts hinzuzufügen. Schade, dass die Riesen-Party von Royal Portrush heute endet.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an