Golfreisen

Auf der Mauer, auf der Lauer: North Berwick, ein nervenaufreibender Brillant

12. Jul. 2025 von Michael F. Basche in North Berwick, Schottland

Auf der Mauer, auf der Lauer: Die uralten Natursteinwälle von North Berwick spannen sich an mehreren Stellen quer über den Platz und sorgen vor allem am 13. Grün für eine ganz besondere Approach-Herausforderung. (Foto: Ross Duncan für North Berwick Golf Club)

Es ist Linksgolf-Saison für die Beletage des Golfsports. Gerade läuft die mit Stars gespickte Scottish Open im Renaissance Club. Nächste Woche reist auch der Rest der Weltelite nach Nordirland, um auf dem Dunluce Course von Royal Portrush vor 278.000 Zuschauern die 153. Open Championship ausspielen. Und am zweiten Augustwochenende darf Donald Trump endlich seine International Golf Links nahe Aberdeen ins Scheinwerferlicht einer breiten Golföffentlichkeit rücken, wenn mit der Nexo Championship Kotau vor dem US-Präsidenten gemacht wird.

Küstengolf hat gerade Konjunktur

Küstengolf hat also gerade Konjunktur. Mit 21 Kursen auf 48 Kilometern ist East Lothian dafür eine ziemlich ideale Destination. Nicht von ungefähr hat man sich das Etikett Scotland’s Golf Coast verpasst, die Dichte der Platzperlen ist selbst in Schottland einmalig, bei allem Respekt vor Ayrshire oder dem „Kingdom of Fife“ mit dem Old Course als Epizentrum. Mindestens bis nächstes Jahr ist der Renaissance Club als Bühne fürs Open-Warmspielen noch gesetzt – bloß gut, dass sie Tom Doaks schottischem Erstling durch einen Landtausch mit der Honourable Company of Edinburgh Golfers im benachbarten Muirfield noch drei Bahnen am Firth of Forth verpassen konnten.

 

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Linksgolf-Konstellation in Reinkultur

Linksplätze ohne direkte Wasserlage haben immer ein bisschen Geschmäckle – die offene See gehört halt fast unabdingbar zu den Parametern der Definition. So ist Golf nun mal entstanden: Auf den unfruchtbaren Sandböden zwischen Strand und Ackerland, in den ansonsten nutzlosen Dünen, allenfalls geeignet als Weide für Schafe oder Tummelplatz für den Homo ludens und sein seltsames Geländespiel namens Golf. Wenn man vom Renaissance Club Richtung Westen marschiert, über die Archerfield Links und den Yellowcraig Beach, findet sich diese Konstellation in Reinkultur. Die Landmarke heißt Eastward Ho! und ist das zehnte Loch der West Links von North Berwick. Ab hier geht es nach dem klassischen Linksgolf-Prinzip des Out-and-In wieder zurück Richtung Clubhaus.

Homa als „durchschnittlicher Golfdepp“

Dieser schmale Streifen Land ist eine Kultstätte. Für Puristen sowieso und selbst für die Professionals. Max Homa schwärmt bis heute: „Die West Links sind ein wirklich toller Golfplatz.“ Der Kalifornier hatte North Berwick seit Jahren auf der Bucket List und erfüllte sich den Traum während der Scottish Open 2022. „Manchmal, wenn man die Freude hat, etwas zu tun, was man schon als Kind tun wollte, dann kann man die Liebe zum Golfsport wiederfinden, die Belebung, die das Spiel einem gibt“, erinnert er sich und fügt mit dem typischen Homa-Humor an: „Ich wollte mich unbedingt mal wie ein durchschnittlicher Golfdepp fühlen, und es hat geklappt. Am nächsten Turniertag habe ich großartig gespielt.“

Mit dieser Erfahrung ist er nicht allein. Linksgolf-Adept Jake Knapp machte heuer einen Abstecher auf das Par-71-Geläuf und holte sich danach die Erstrundenführung; Chris Gotterup schlug ebenfalls auf den West Links ab und egalisierte in Runde zwei den Platzrekord im Renaissance Club.

 

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„Man hat auf diesem Platz definitiv einen lustigen Tag“, fasst Max Homa zusammen, was auch Jordan Spieth, Justin Thomas oder Rickie Fowler bereits in North Berwick erlebten. Stimmt: Jeder, der das Spiel in seiner ursprünglichsten Form liebt – Golf as it was meant to be –, kann sich der Wirkung der West Links nicht entziehen, dieser verführerischen Kombination von Genius loci, Einzigartigkeit, Schrulligem und mancherlei Absurdität.

Das beginnt bei den uralten Steinmauern, die sich mehrfach quer über den Platz spannen und meist auch Trampelpfade markieren, auf denen North Berwicks Bevölkerung selbst bei dichtestem Spielbetrieb an den Strand wandern – Picknickkörbe und Sonnenschirme haben Vorfahrt. Es gibt Bachläufe, die sogenannten Burns; tiefe Pottbunker mit den höchsten Rändern immer in Spielrichtung; blinde Schläge, die Ortsunkundige verzweifeln lassen; dazu die zerknitterten Fairways und ein paar Grüns, deren Charakter sich einfach nur als fies bezeichnen lässt.

Falten und Furchen: Die Fairways von North Berwick. Im Hintergrund der Bass Rock, Schottlands küstennächstes Vogelschutzgebiet mit einer großen Population von Basstölpeln. (Foto: Michael F. Basche)

Die 16: Was für ein Grün!

Zum Beispiel die 16: ein bunkerloses, flaches, nicht sonderlich langes Autobahn-Fairway – und dann dessen Grün, schmal und diagonal, von Bunkern und Rippen bewacht, mit einer tiefen Senke in der Mitte. Das ist einfach nur völlig verrückt. Erst recht, wenn der ohnehin allzeit wehende Küstenwind mal kein laues Lüftchen ist. Wehe dem, der hier unpräzise anspielt. Nicht mal Max Homa hat das Grün 2022 auf Anhieb getroffen.

Wehe dem, der hier unpräzise anspielt: Das Grün der 16 mit der tiefen Senke in der Mitte. (Foto: Mark Alexander für North Berwick Golf Club)

 

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Die Natursteinmauer vor dem 13. Grün

Apropos anspielen: Auf der 13 liegt das kleinste Grün des Platzes hinter einem der besagten Steinwälle, über den es die Murmel zu lupfen gilt. Aber nicht zu weit, sonst hängt der Ball im Dünenhang und ist dann kaum zum Halten zu bringen und rollt Richtung Mauer. Pingpong droht.

Einmal lupfen, bitte: Das Grün der 13. ist das kleinste des West-Links-Ensembles und versteckt sich hinter einer Natursteinmauer. Pingpong droht bei unsaubern Annäherungsschlägen. (Foto: Mark Alexander für North Berwick Golf Club)

 

 

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Der Platz verlangt nach jedem Schläger im Bag

Und so geht das auf den West Links in einem fort. Dieser Platz ist ein Brillant, in den Zeitläuften von fast 200 Jahren vom Rohdiamanten zu einem Brillanten mit enormen Facettenreichtum geschliffen. North Berwick ist Golf mit allen Sinnen, gibt keine Ruhe, ohne unruhig zu sein, ruht einfach in sich, verlangt nach jedem Schläger im Bag. Und wenn es auf einer Bahn mal weniger knifflig zugeht – selten genug –, dann kitzelt das szenische Umfeld am Meer die losen Enden des ohnehin zerfaserten, ja förmlich aufgeriebenen Nervenkostüms.


Auf den „toune links“ in North Berwick wurden seit mindestens 1672 Bälle durchs Gelände geprügelt, doch erst mit der Gründung des North Berwick Golf Club 1832 wurden offiziell die ersten sechs Loch ausgesteckt. Das Gelände erstreckte sich damals nur bis zum March Dyke, einem Bachlauf, der die heutigen Löcher 3 und 16 kreuzt.

Sogar ein siebtes Loch wurde noch in die vergleichsweise kleinen Parzelle gequetscht, bis sich Grundeigentümer John Nisbet-Hamilton 1868 zu weiteren Geländegaben jenseits des March Dyke überreden ließ, was drei zusätzlichen Bahnen ergab – unter anderem das berühmte Redan Hole.

1887 gab’s die nächste Erweiterung bis zum Eil Burn, und Old Tom Morris – wer auch sonst! – wurde als Berater konsultiert. 1895 schließlich erfolgte der Ausbau auf 18 Loch und eine Gesamtlänge von 5.570 Metern, 1932 kamen anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums weitere Flächen hinzu, sodass das Layout auf 5.850 Meter verlängert werden konnte. Abgesehen von einer Handvoll verlängerter hinterer Abschläge hat sich daran bis heute kaum etwas geändert.


Wenigstens gibt es rund um die Fairways kein wucherndes Festuca-Gras: Der Club will keine Runden von mehr als drei Stunden und lässt daher das Rough stark stutzen. In Summe ist das ein einzigartiges Erlebnis. Nicht für nur die Profis, denen Max Homa das Wort redet: „Du musst so viel ganz andere Schläge machen als wir normalerweise spielen. Das finde ich wirklich klasse und höchst vergnüglich.“

Golf für alle Sinne an Scotland’s Golf Coast: Die 14 mit dem Grün direkt am Meer zählt zu den szenischsten Löchern auf den West Links von North Berwick. (Foto: Mark Alexander für North Berwick Golf Club)

„Fun“, „Pleasure“, „Entertainment“

Tatsächlich tauchen in nahezu jeder Rezension die Begriffe „fun“, „pleasure“ oder „entertainment“ auf, egal, wo und wen man liest. Dem Autor erging es ebenso, obwohl er nichts ausgelassen hat, was die Wiese an Ungemütlichkeiten zu bieten hat. Das beginnt spätestens am zweiten Abschlag, der einen wirklich heroischen Drive über den Strand braucht – mit dem Wasser auf der Slice-Seite. Bloß gut, dass gerade Ebbe war. Aber derlei Missgeschick passiert offenkundig auch anderen:

 

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Ein Grün wie eine Wehranlage

Was der Verfasser dieser Zeilen sich indes nicht verzeiht: die 15 vermasselt zu haben. Immerhin ist Redan, dieses 173 Meter lange Par 3, eines der berühmtesten und wohl meist kopierten Golflöcher der Welt. Der Name leitet sich von einem militärischen Begriff für eine Wehranlage oder Wehrmauer ab, und davon hat das Original etliche. Erstens fällt das lange, kantig und als Plateau gebaute Grün diagonal von rechts nach links ab; gegen den Wind gibt es für den Ball oft kein Halten. Zweitens lauert links ein riesiger Bunker genau auf solche Bälle. Und als wäre die Aufgabe nicht schon schwierig genug, gibt es drittens rechts noch drei Topfbunker, die vom Abschlag kaum zu sehen sind. Fehlen bloß noch Zinnen, Schießscharten und Kanonen …

Redan, die Wehranlage: North Berwicks gut 170 Meter langes Par-3-15 ist eines der berühmtesten und wohl das meist kopierte Golfloch der Welt. (Foto: Digitalsport UK)

Gast in einem der ältesten Golfclubs der Welt, Mitglied für einen Tag

Mit diesen Features gehört Redan zum kleinen Einmaleins der Golfplatz-Architektur und das Wissen um die unendlichen Variationsmöglichkeiten der Grundstruktur in den Handwerkskasten eines jeden Designers, der auf sich hält. Vielleicht waren das für den Autor ein paar Überlegungen zu viel beim Versuch, sich dieser Ikone mit Anstand zu nähern – übers Ergebnis sei der Mantel des Schweigens gebettet.

Von der 16 war schon die Rede, und dann klingt die Runde mit zwei entspannt spielbaren Schlusslöchern in Richtung Stadt und einer fast drivebaren 18 aus. Die Terrasse des Clubhauses wird zum neuen Sehnsuchtsort und dort setzt sich das Gefühl fort, dass der Starter am ersten Abschlag mit einer warmherzigen und launigen Begrüßung ausgelöst hat: Man ist nicht Gast bei der Nummer 13 unter den weltältesten Golfclubs, sondern gern gesehenes und geschätztes Mitglied für einen Tag.

(Foto: Mark Alexander für North Berwick Golf Club)

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