Für Marcel Siem ist die BMW International Open wahrlich ein Heimturnier. Er ging in der Nähe zur Schule, er war mit 16 Clubmeister in Eichenried, nur als Profi lief es nicht so richtig bei dem Event. Deshalb ist sein erklärtes Ziel, den Sieg zu holen. Dafür passt er auch seine Routinen an, setzt auf Erholung und sein Gespür, wie er vor dem Turnier den Medien erklärte.
Marcel Siem vor der BMW International Open
Marcel Siem, schön, dass du da bist. Ich muss mit einer Wetterfrage einsteigen: Mauritius, München, was ist wärmer? Wo ist das Klima angenehmer?
Marcel Siem: Temperaturmäßig circa gleich, aber angenehmer auf Mauritius mit ein bisschen mehr Wind. Und die Aussicht ist teilweise ein bisschen schöner. Das ist eine unfaire Frage. Es ist wunderschön hier, aber wenn man aufs Meer schaut bei so einer Hitze und weiß, man kann gleich ins Meer springen ist es etwas angenehmer. Hier weiß ich nicht wo ich hinspringen soll.
Jetzt kommen wir aber zu dieser Woche: Wie fühlt es sich an? Du bist ein regulärer Gast bei uns. Ist es trotzdem noch aufregend, immer wieder herzukommen oder ist es schon Routine?
Marcel Siem: Ich habe immer Schrott gespielt, nur einen Top Ten geschafft bisher.
Also ist es für mich immer aufregend. Als Sieger vom Platz gehen, das ist immer mein Ziel, wenn ich hier hinkomme. Normalerweise sage ich vor einem Turnier nicht, dass ich gewinnen möchte. Aber hier möchte ich auf jeden Fall gewinnen. Als kleiner Junge war ich schon hier, bin Clubmeister gewesen, also den Golfplatz kennt keiner besser als ich.
Ich habe mit Pablo (Larrazabal, Anm. d. Red.) des Öfteren darüber geredet, wie er hier andauernd gewinnt. Irgendwas macht er besser als ich. Wenn man nach Hause kommt und viele Leute kennen einen, das ist natürlich immer ein Stückchen anstrengender, weil man den Leuten nicht vor den Kopf stoßen möchte, indem man einfach stur an ihnen vorbeigeht. Es kostet ein bisschen mehr Energie. Deswegen gehe ich jetzt gleich auch sofort nach Hause gleich, denn dieses Jahr habe ich kaum trainiert. Ich habe nur das Pro-Am bisher gemacht und werde jetzt mal Kräfte aufpumpen gleich, damit ich dann für morgen fit bin und eine gute Show abliefern kann.
Ist da gleichzeitig auch noch ein bisschen Freizeitstress außerhalb der Golfanlage mit dabei, weil du abends auch noch versuchst, drei, vier Freunde zu treffen, zu grillen, im Biergarten?
Marcel Siem: Das war früher so. Ich wohne nicht im Hotel dieses Jahr, ich wohne im Haus, nur mit meinem Team, wo wir wirklich chillen können und das so gestalten können, dass ich ein bisschen zur Ruhe komme. Ich merke, dass Recovery immer wichtiger wird, je älter man wird. Auf der Driving Range habe ich mich die letzten Jahre extrem ausgepumpt, man will sich ja perfekt vorbereiten. Aber ich glaube, das war immer das Falsche. Dieses Jahr fahre ich eine andere Schiene und versuche mehr zu chillen, damit ich dann frisch vier Tage hier performen kann.
Ist das etwas, was du generell in der Turniervorbereitung geändert hast oder ist das jetzt speziell für dieses Event?
Marcel Siem: Ich habe mit Holger, meinem Coach, ein bisschen was geändert an der Routine. Dass ich mehr auf mein Gefühl vertraue, gar nicht so viel Techniktraining mehr mache, sondern eher Gymwork mache und mich mehr ausruhe.
Aber speziell diese Woche mache ich dann noch ein bisschen weniger jetzt. Ich habe jetzt drei Wochen gespielt, letzte Woche war nicht so geil. Aber die letzten Turniere davor ging die Kurve wieder nach oben. Ich fühle mich sehr wohl, dementsprechend muss ich jetzt nicht viel trainieren und einfach darauf achten, dass der Rücken mitmacht, dass die Hüfte mitmacht. Das ist alles viel wichtiger, damit ich hier auch meinem Gefühl freien Lauf lassen kann.
Du hast es gerade schon selber angesprochen mit der Hüfte. Bereitet die noch Probleme oder ist das jetzt schon wieder bei 100%?
Marcel Siem: Die wird den Rest meines Lebens zwicken. Aber ich kann mich komplett gut durchbewegen und gerade wenn ich müde werde, dann merke ich immer ein bisschen was. Aber wenn ich jetzt morgens früh aus dem Gym komme und in Woche zwei zum Beispiel merke ich nichts. Jetzt in der dritte und vierten Woche werde ich immer ein bisschen was merken, das ist normal. In meinem Alter ist da halt ein bisschen Verschleiß, aber wenn man Profisportler ist, da gibt es in keiner Sportart einen Sportler, der durch die Karriere durchgeht, ohne dass es irgendwo zwickt.
Also das ist ganz normal und da darf man sich keinen Kopf machen. Ich kann mich perfekt bewegen, ich haue das Ding wieder 280 momentan.
Du hast die Länge gerade angesprochen, 280. Wie sind die Bedingungen draußen?
Marcel Siem: Super. Also im Flug 2,80. Ich habe mich selber überrascht die letzten paar Tage. Es läuft wieder. Ich bin sehr happy darüber. Platz ist super. Die Grünen sind fantastisch. Habe ich glaube ich noch nie so gut gesehen.
Wenig Rough Also die Scores werden wahrscheinlich schon etwas besser sein als die letzten Jahre. Auf der 11, auf der 16 könnte man theoretisch ein bisschen aggressiver spielen, weil gar kein Wasser im See ist.
Ich hoffe, dass sie die Grüns einfach härter werden lassen. Das wäre die Option, um die Scores dann wieder in die andere Richtung zu bewegen. Bei der Hitze ist es ein bisschen gefährlich, weil sie dann verbrennen, aber so hätte ich Eichenried noch nie gesehen. Richtig harte Grüns und wenig Rough wäre mal eine andere Variante. Es ist eine feine Line, nicht dass man die Grüns auf einmal verliert und dann haben die Mitglieder die nächsten zwei Monate gar keine Grüns mehr. Das ist auch nicht schön.
Was ist der Unterschied zwischen einem Turnier wie diesem mit einem festen Kurs, einem festen Sponsor und einem soliden Setup und der Schwierigkeit von Turnieren, bei denen es jedes Jahr ein anderer Kurs ist?
Marcel Siem: Es hat positive und negative Seiten. Ich denke, alle Spieler lieben es, weil wir alle wissen, dass dies eines der am besten organisierten Turniere des ganzen Jahres ist. Was den Golfplatz angeht, liebt es jeder, weil es Spaß macht, weil es Risiko und Belohnung bedeutet. Und es ist schön für den Titelverteidiger, auf denselben Platz zurückzukehren. Ich hatte letzte Woche das Problem. Man kommt als Titelverteidiger zu einem völlig neuen Austragungsort des Turniers. Ich denke, es ist auch für uns schön, es ist für alle Spieler ein Gefühl, nach Hause zu kommen, wissen Sie? Auch wenn es von den Bedingungen her ganz anders ist als in den anderen Jahren.
Ich denke, eine gute Mischung während der Saison ist ganz nett. Man kommt zu Turnieren, bei denen wir immer spielen, und dann gibt es ein paar neue Austragungsorte. Es ist schön, ein bisschen Abwechslung zu haben.
Wie ist es für einen Deutschen zu einem deutschen Turnier zurückzukehren? Der Druck, wieder ein Turnier in der Heimat zu spielen. Die Anforderungen, die die Medien heute stellen, der Druck, sein Heimturnier zu gewinnen, wie ist das so?
Marcel Siem: Ich denke, das ist der größte Druck im ganzen Jahr für mich, denn jeder will mich hier gewinnen sehen. Ich will mich hier gewinnen sehen. Marco Kaussler (Turnierdirektor, Anm. d. Redaktion) will mich hier unbedingt gewinnen sehen. Ich bin hier zur Schule gegangen. Mein Name steht schon im Clubhaus als Clubmeister, also ist der Druck sehr groß. Aber das ist es, wofür wir leben. Wenn ich es schaffe und die Trophäe gewinne, wird das fantastisch sein. Das ist der Grund, warum ich diesen Job mache. Wenn man am Donnerstag an den ersten Abschlag geht, bin ich aufgeregter als bei jedem anderen Turnier.
Können Sie vergleichen, wie es war, jetzt hier zu sitzen, als Sie zum ersten Mal dieses Turnier spielten? Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie das erste Mal bei diesem Turnier aufgeschlagen haben?
Marcel Siem: Ich war 16 Jahre alt und ein Amateur. Ich erinnere mich noch daran, dass ich am ersten Abschlag gezittert habe. Ich glaube nicht, dass ich morgen noch so zittern würde. Ich hoffe nicht. Damals war es anders. Man wollte zeigen, dass man gut genug ist, um auf die Tour zu gehören. Jetzt geht es nur noch darum, einen Sieg zu erringen.
Auf dem Golfplatz, auf dem ich aufgewachsen bin, da gibt es eine Menge Fehlschläge. In der Vergangenheit gab es eine Menge negativer Gedanken oder Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind. Ich würde also gerne den Spieß umdrehen und nächstes Jahr mit einem guten Gefühl hierher zurückkommen und wissen, dass ich hier wieder eine gute Leistung bringen werde, weil ich endlich den Trick gefunden habe, hier gut zu spielen.
Wie sehr unterscheidet sich der Marcel Siem von heute von dem 16-Jährigen, der hier zum ersten Mal abschlug?
Marcel Siem: Gute Frage. Ich glaube, ich bin viel ruhiger geworden. Ich bin ein besserer Golfer. Ich sehe besser aus. Ich schlage nicht mehr so weit, aber ich glaube, ich bin mental stärker. Aber das Kind ist immer noch in mir, das ist sicher.