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Was wird aus dem Männer-Profigolf: Dauerhafte Spaltung oder gemeinsames Dach?

08. Feb. 2024 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

Konkurrenten auch in Sachen Kultloch: Die 16 der Phoenix Open im TPC Scottsdale und das Pendant von LIV in Las Vegas. (Foto: Getty)

Na klar, Viktor Hovland und Xander Schauffele sagen kurzfristig ihre Teilnahme an der Waste Management Phoenix Open ab, und schon setzt der Chorgesang des Untergangs in den sozialen Medien ein: Die gehen bestimmt zu LIV! Ist zwar Quatsch, Hovland jedenfalls hat sich nach dem miserablen Wochenende von Pebble Beach laut Informationen des norwegischen „Eurosport“-Journalisten Marius Thorp lediglich eine Trainings-Auszeit in Florida verordnet und bereits seinen Start kommende Woche bei Tiger Woods’ Genesis Invitational bestätigt. Aber das Gejaule zeigt, welcher Nimbus die LIV Golf League seit der hunderte Millionen teuren Verpflichtung von Jon Rahm umweht: Sie kriegen jeden, den sie wollen – egal, was es kostet.

Deutlich verbesserte TV-Quoten

Der Wechsel des Spaniers hat dem Konkurrenz-Circuit fraglos Momentum verliehen. Die TV-Quoten beim Saisonauftakt im mexikanischen Mayakoba beispielsweise lagen zwar mit 432.000 Zuschauern im „CW Network“ gegenüber 1,21 Millionen bei „CBS“ allein am Sonntag immer noch weit unter denen der PGA Tour für Pebble Beach (168.000:1,91 Millionen am Samstag), haben sich gegenüber 2023 aber nahezu verdoppelt. Sowieso kommt die LIV-Liga heuer mit breiter Brust daher und scheut – im Gegensatz zu den beiden Vorjahren – auch den direkten Vergleich mit Events des Establishments nicht mehr. Sie platzierte ihre 2024er-Premiere parallel zu Pebble Beach, und gastiert nun in der Wüste von Nevada, während die PGA Tour ihre Kultkonkurrenz in Arizona aufzieht.

LIV Las Vegas um einen Tag vorverlegt

LIV Las Vegas ist ein smarter Move, keine Frage: Zocker-City ist Schauplatz des 58. Super Bowl und voller Footballfans; das größte Sportereignis der Welt dürfte „Golf. But Louder“ ein paar Zuschauer zusätzlich einbringen. Und damit es alle rechtzeitig zum Showdown zwischen den San Francisco 49ers und Titelverteidiger Kansas City Chiefs im Allegiant Stadium schaffen, wurde die Dreitagessause sogar vorverlegt und beginnt bereits heute – eine Reverenz an das größte Sportereignis der Welt, welche die PGA Tour vergangenes Jahr beim Super Bowl in Phoenix übrigens nicht geschafft hat. Apropos Reverenz: Sogar das Partyloch im TPC Scottsdale hat LIV-Impresario Greg Norman nachahmen lassen:

 

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Das klingt alles ziemlich prospektiv. Natürlich lassen sich Norman und seine Mitstreiter von all dem Ballyhoo um die Verhandlungen zwischen ihrem saudi-arabischen Geldgeber PIF und der PGA Tour oder die Gründung von PGA Tour Enterprises unter zahlungskräftiger Mitwirkung des US-Sportunternehmer-Konsortiums Strategic Sports Group nicht aus der Spur bringen. Freilich, für Unruhe hat die Verlautbarung der vergangenen Woche im LIV-Lager schon gesorgt; Norman sah sich immerhin genötigt, umgehend ein Beruhigungsbulletin herauszugeben, auch Mäzen Yasir Al-Rumayyan wandte sich mit einer besänftigenden Botschaft an die Belegschaft.

Verhandlung auf Eis oder gar ganz erkaltet?

Was Wunder, denn jetzt, wo PGA Tour Enterprises von der Fama zum Fakt geworden ist, verdichtet sich die Frage nach den Perspektiven für LIV Golf und nach der Zukunft des Herren-Profigolf insgesamt um ein Vielfaches. Kurz: Gibt es ein gemeinsames Dach oder eine dauerhafte Spaltung?

Einige Auguren gehen davon aus, dass die Verhandlungen zwischen PIF und PGA Tour nicht nur auf Eis liegen, sondern so kalt sind wie das Kalkül der Saudis. Rahms Abwerbung sei beileibe kein Muskelspiel als Warnung an die PGA Tour gewesen, die mit fremden Finanziers flirtet. Sondern eine Zementierung des Anspruchs als eigenständiger und auf Dauer etablierter Circuit. Was daraus werden kann, kennt man von der Spleißung des Boxsports, wo gleich vier Verbände um die Deutungshoheit wetteifern.

Sind der PIF und sein Geld nun obsolet?

Es gibt Stimmen innerhalb des Policy Board, die verkünden, dass der PIF und sein Geld aktuell tatsächlich obsolet seien. Jordan Spieth beispielsweise ist dieser Ansicht. Damit freilich wandelt die PGA Tour auf einem sehr schmalen Grat. Denn ihre neuen Partner haben weder die schier unerschöpflichen Mittel des mit 700 Milliarden gefüllten PIF-Geldspeichers, noch werden sie ihr Investment von insgesamt drei Milliarden Dollar in einem finanziellen Wettrüsten verbrennen lassen wollen, wie es Commissioner Jay Monahan in den vergangenen beiden Jahren mit der Tour-Barschaft getan hat.

Spieths Beiratskollege Patrick Cantlay wiederum glaubt, dass der SSG-Deal und PGA Tour Enterprises sich entscheidend auf einen Pakt mit dem PIF auswirken werden.

Das Kalkül der Saudis

Der im Policy Board so umtriebige Cantlay und andere gehen davon aus, dass eben jenes Kalkül die Saudis dazu bringen wird, auch in der neuen Konstellation ihre Vorteile zu erkennen. Dass letztlich nur ein Arrangement mit dem Establishment dem Regime in Riad die gewünschte Reputation und Aufmerksamkeit als globaler Player des Sports bescheren wird. Dass eine Fortsetzung der Fehde jetzt dank der SSG-Milliarden richtig teuer wird – auch die Saudis wollen nicht in ein grundloses Groschengrab investieren –, niemandem zum Vorteil gereicht und allenfalls die Fans weiter vergrault.

Dass Kronprinz Mohammed bin Salman den Zugang zum US-Sportbusiness zu schätzen weiß. Dass sein Wirtschaftswesir Yasir Al-Rumayyan seine Ambitionen nicht aufgeben will, an den Schalthebeln des globalen Golfgeschehens zu sitzen.

Sorgen des US-Senats schon mal gelindert

Nicht 2024. Ebenso wohl nicht 2025. Solange hat die LIV Golf League ohnehin Bestandsschutz. Überdies gibt es noch ein paar bürokratische Hürden, ehe PGA Tour Enterprises als Triumvirat reüssieren kann. Nicht von ungefähr betont die Tour bei allen Fragen zu den laufenden Gesprächen die gesetzlichen Vorschriften. Immerhin ist mit der Teilhabe des SSG-Konsortiums schon mal die Sorge des US-Senats gelindert, dass „ein brutales, repressives Regime Einfluss auf eine geschätzte amerikanische Institution kaufen kann“. Der PIF wäre allenfalls Co-Investor und ist ja auch bereits so etikettiert.

World Tour und LIV-Spiele nach Cricket-Vorbild

„Vordenker“ Rory McIlroy, der mehr weiß, als er öffentlich zugibt, und nach dem Ausscheiden aus dem Policy Board der PGA Tour sein Forum in Fußball-Podcasts findet, hat längst skizziert, wie bei den Professionals die Golflandschaft der Zukunft aussehen könnte. Mit einer World Tour, der er seit Jahren das Wort redet. „Wenn jeder über das Wachstum des Spiels spricht, vor allem wenn nun Investoren kommen und eine Rendite für ihr Kapital wollen, dann denke ich, dass jeder anfangen muss, globaler zu denken“, plädiert der Nordire. „Aber global in einer ganzheitlichen Art und Weise, nicht wie diese Tour, jene Tour und eine andere Tour.“

 

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Er denkt an einen weltumspannenden Spielplan mit entsprechender Zulassung der besten Spieler aus beiden Lagern, der nicht nur den US-Markt im Visier hat, sondern neue, bislang nicht ausgeschöpfte Märkte erschließt, in Australien, Südafrika und Japan beispielsweise, wo die PGA Tour nie mit kompletter Star-Power aufgetreten ist. Oder gar Indien. McIlroy: „Es gibt da draußen einige ungenutzte kommerzielle Möglichkeiten. Wir könnten etwas Formel-1-Ähnliches machen oder eine Art Champions League, aber mit stärkerer amerikanischer Präsenz.“ Der scheidende DP-World-Tour-Chef Keith Pelley hat das ebenfalls seit langem gefordert, die PGA Tour wiederum hat es lange verschlafen.

Teilnahmegarantien der Top-Professionals

Dafür müssten die Top-Professionals lediglich ihren gern reklamierten Status als unabhängige Unternehmer aufgeben und Teilnahmegarantien abgeben. Was ihnen in der neuen Konstellation nicht schwerfallen dürfte, sollten sie als künftige Anteilseigner von PGA Tour Enterprises doch sehr an der Prosperität des profitorientierten Unternehmens interessiert sein.

„Ich gebe zu, dass LIV und die Saudis die Fehler im System des Golfsports aufgedeckt haben“, verdeutlicht McIlroy. „Wir wollen alle selbständige Vertragspartner sein und uns aussuchen dürfen, welche Turniere wir spielen. Andererseits verlangt man [die PGA Tour] Millionen von Dollar, um diese Events zu sponsern, ist aber nicht in der Lage, den Sponsoren zu garantieren, dass die Top-Spieler dann auch auftauchen.“ Und: „Es ist höchste Zeit. Wenn wir das jetzt nicht hinbekommen, dann fürchte ich, dass es zu einer permanenten Spaltung des Golfsports kommt.“

 

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Unterstützung kommt unter anderem von Adam Scott. „So, wie sich Profigolf in den vergangenen 20 Jahren entwickelt hat, war es sehr wichtig, in Amerika zu spielen“, sagt der Australier. „Jetzt ist es jedoch enorm wichtig, die Entwicklung des Spiels außerhalb der USA nicht zu ignorieren, sondern zu forcieren.“ McIlroys Idee klinge ideal, allerdings sei dafür eine Änderung der amerikanischen Attitüde unabdingbar und gleichermaßen das größte Hemmnis.


„Ich glaube aber, dass wir künftig eine bessere Balance zwischen Turnieren in den USA und in aller Welt hinkriegen. Fairerweise muss man den jüngeren amerikanischen Spielern zugestehen, dass sie ihre internationalen Erfahrungen genießen und offen sind für die Chance, durch die Welt zu reisen und an großartigen Orten großartige Turniere zu spielen.“

Adam Scott über die Idee einer World Tour


Für LIV gäbe es in McIlroys großem Bild Spielraum in der Off-Season von PGA Tour und DP World Tour, so sie denn bei einer Einigung mit dem PIF als Morgengabe in die PGA Tour Enterprises eingebracht und unter deren Regie laufen würde. Dann könnte die Liga, so der Nordire, nach dem Vorbild der Indian Premier League (IPL) im Cricket ihren ureigenen Wettbewerb austragen. In der IPL wetteifern zehn Franchise-Teams binnen zweier Monate um Titel und Tantiemen.

Und was sagt der „Shadow Commissioner“?

Mal hören, was „Shadow Commissioner“ Tiger Woods zu alldem sagt. Der Gastgeber im Riviera Country Club, der bei seinem Genesis Invitational selbst zum Schläger greift und im Vorfeld bedeutungsschwangere Ankündigen losgelassen hat, wird sich kommende Woche bei seiner Pressekonferenz allen entsprechenden Fragen nach PGA Tour Enterprises und der Zukunft der PGA Tour mit oder ohne PIF kaum entziehen können.

 

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