PGA Tour

Woods und Co. pausieren: Honda Classic belegt Kasten-System der neuen Tour

22. Feb. 2023

Nach Tiger-Mania und Elitefeld nun grauer Alltag bei der Honda Classic der PGA Tour. (Foto: Getty)

Nach Tiger-Mania und Elitefeld nun grauer Alltag bei der Honda Classic der PGA Tour. (Foto: Getty)

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Matthias Schwab war nach dem Moving Day des Genesis Invitational völlig baff. „Ich dachte, ich wüsste, was auf mich zukommt, da ich in Europa ein paar Mal mit Rory [McIlroy] gespielt habe. Da liefen schon eine Menge Leute mit, aber das hier war noch mal was anderes“, erzählte der Österreicher über die „Grenzerfahrung“, mit Tiger Woods in einem Flight unterwegs zu sein und die Wirkweise des Superstars quasi am eigenen Leib zu erleben. „Überall Menschen, dichtgedrängt, jeder wollte ihn sehen – absolut verrückt.“

Als Nummer 283 der Welt ist man eine derartige Kulisse nicht gewohnt. Und dann spielte Woods mit einer 67 auch noch die beste reguläre Runde seit seinem verhängnisvollen Auto-Unfall vor zwei Jahren – zudem die erste echte Wettkampfrunde seit der Open Championship im vergangenen Juli. Schwab und Christiaan Bezuidenhout, der Dritte im Bunde, beide 28 Jahre alt, mochten ihren Augen kaum trauen. „Er hat uns bei nahezu jedem Abschlag kurz gelassen. Das war einigermaßen überraschend“, sagte Schwab über die Vorstellung des 47-Jährigen.

„… dass er schon wieder so nah dran ist“

Eigentlich durfte sich Woods für besagte Runde bei seinem „getreuen Joe“, Caddie Joe LaCava, bedanken, der ihm zum Frühstück einen „Anschiss“ serviert hatte, als er ihn für 20 Extra-Minuten Kurzspiel- und Putting-Warm-up in den Riviera Country Club bestellte: „Ich will eigentlich nicht, dass er anderthalb Stunden auf den Beinen ist, bevor er überhaupt spielt. Er muss sich für die Runde schonen.“ Aber, so der Bag Man, „er versucht so sehr, gesund zu werden, dass er sich nicht genug um sein kurzes Spiel gekümmert hat. Ich habe erwartet, dass er eingerostet ist. Doch jetzt, wo wir hier sind, müssen wir uns ranhalten“. Es hat geholfen, sogar zu LaCavas Überraschung: „Ehrlich gesagt, hat mich seine Entscheidung gewundert, beim Genesis tatsächlich antreten zu wollen. Erst recht war mir nicht bewusst, dass er schon wieder so nah dran ist.“

Tiger kam (überraschend) als Spieler zum Turnier, dessen Gastgeber er mit seiner Stiftung ist und bei dem er 1992 sein Debüt auf der PGA Tour gegeben hatte. Er sah (sich wettbewerbsfähig). Und er siegte, wenngleich er nicht gewann. „Es ist ein Fortschritt, es geht in die richtige Richtung", zog er am Ende Bilanz. „Wenngleich es ein bisschen schwieriger war, als ich mir habe anmerken lassen.“

In der Weltrangliste um 309 Plätze verbessert

Ähnlich fiel das Fazit bei „Golf Digest“ aus, das als Zusammenfassung vortrefflich taugt: „Er zuckte. Er schwitzte. Er stapfte jeden Hügel hinauf, den erklimmen musste. Er beendete trotz seines kaputten Körpers alle vier Runden – weil er es seit langem nicht mehr anders kennt. Er wird sich nie wieder gut fühlen, aber vielleicht fühlt er sich mal eine Woche lang gut genug, um die Welt noch einmal zu schocken. Letztendlich beendete er dieses Turnier mit Eins unter Par und auf dem 45. Platz. Es ist nicht das Ergebnis, das er sich gewünscht hat. Aber es ist ein Ergebnis – kein verpasster Cut.“ Das ihn übrigens in der Weltrangliste von Rang 1.294 auf Platz 985 „katapultiert“ hat.


Zwischendrin machte Woods einen blöden Scherz, obwohl er wissen musste, dass nun wirklich jede Kamera ihn im Visier hat. Er erfüllte überdies einem herzkranken Mädchen einen ihrer drei Herzenswünsche – „Herz-Op, Tiger treffen, Augusta National spielen“ – und hatte schlussendlich noch Luft für Galgenhumor. „Meine Serie hier im Riviera Country Club hat gehalten“, scherzte Woods bei „CBS“ über die nunmehr 14 sieglosen Auftritte. Um dann doch nüchtern und schonungslos zu werden. „Ich kann zuhause [im Medalist Golf Club] Bälle schlagen, chippen, putten und mit dem Cart herumfahren. Im Turnier jedoch geht es darum, acht bis zehn Meilen zu laufen und sich zu konzentrieren. Das ist hart. Und manchmal sagt der Körper nein, obwohl der Verstand ja sagt.“

Damit erübrigt sich fast die obligatorische Frage nach Tigers nächstem Aufritt. „Wie ich schon vergangenes Jahr gesagt habe: Alles dreht sich um die Majors. Mehr lässt mein Körper, lassen mein Rücken, die Operationen, das Bein kaum zu. Das ist meine Realität für den Rest meiner Karriere und ich akzeptiere das“, wiederholte er in allen Interviews fast mantrahaft. „Hoffentlich schaffe ich dieses Jahr alle vier Majors, und vielleicht kann ich hier und da noch ein paar andere Turniere einstreuen. Das war’s dann aber auch.“

Nach Tiger-Mania und Elitefeld nun grauen Alltag

Es darf also munter spekuliert werden, ob und wo er vor dem Masters auftaucht: beim Arnold Palmer Invitational? Bei der Players Championship? Vermutlich wird er seine Fans wieder überraschen; ganz sicher aber nicht an diesem Wochenende. Mit der Honda Classic kehrt die PGA Tour nach zwei Designated Events in Folge und der Tiger-Mania von Pacific Palisades zur Normalität zurück. Es ist wahrlich der vielzitierte graue Alltag, ein echter Bruch im künstlich erzeugten Spannungsbogen des Tour-Tauziehens mit der LIV Golf League um die Deutungshoheit im Profigolf der Herren.

Keiner aus den Top-15 der Welt am Start

Die Honda Classic ist zwar – nomen est omen und immerhin seit 1972 ausgetragen – ein Klassiker und traditionell der Auftakt des Florida-Swing, zeigt aber signifikant die Schattenseite der Strukturänderungen, mit der Commissioner Jay Monahan – nicht zuletzt auf Drängen von Tiger Woods und Rory McIlroy – der Saudi-Sause Paroli bieten will. Die Dotierung von 8,5 Millionen Dollar wirkt vergleichsweise ärmlich angesichts der neuen Reibach-Realität der 20-Millionen-Turniere. Die meisten Stars machen nach dem West Coast Swing zudem ein bisschen „blau“ und gönnen sich eine Auszeit. Von den Top-15-der Weltrangliste ist schon mal gar keiner am Start, und bei allem Respekt vor Sungjae Im (18.), Billy Horschel (19.) oder Shane Lowry (20.): Floridas Tierwelt im PGA National Resort & Spa zu Palm Beach Gardens ist beinahe der größere Hingucker.

Suche nach neuem Titelsponsor

Damit erreicht der Auftakt des Florida-Swing nicht nur den traurigen Tiefpunkt einer seit Jahren anhaltenden Abkehr von einstiger Glorie, die einen ihrer Höhepunkte hatte, als Tiger Woods 2012 trotz der bis dato niedrigsten Finalrunde von 62 Schlägen gegen einen 22-jährigen „jungen Wilden“ namens McIlroy den Kürzeren zog, der sich mit seinem Erfolg erstmals zur Nummer eins der Welt machte. Die Honda Classic steht gleichermaßen für  einen Paradigmenwechsel im sportlichen Geschehen und verdeutlicht augenfällig, dass die PGA Tour zu einer Zweiklassengesellschaft, ja zu einem Kastensystem zwischen Majors, Designated Events, Rotationsturnieren und Allerweltswettbewerben geworden ist. Auch der Hinweis, dass auf der Tour durch die LIV-Überläufer Platz für junge Nachrücker geworden ist, erweist sich vor diesem Hintergrund als eher schwaches Argument.

Alles wird nicht besser dadurch, dass der japanische Konzern sein Titelsponsoring mit dieser Ausgabe beendet und man einen Nachfolger für Honda braucht. Angeblich soll es 40, 50 Bewerber gegeben haben, den Kreis hat man mittlerweile auf fünf Favoriten reduziert. „Die PGA Tour hat kein Interesse daran, dass wir eventuell aus dem Kalender kippen“, kommentiert Turnierdirektor Andrew George die andauernden Bemühungen. Immerhin.

Thomas Pieters „vergrault“?

Dennoch: In Summe scheint sich zu bestätigen, was mancher Kritiker der Designated Events trotz des rotierenden Quartetts von Veranstaltungen befürchtet, einige Turnierausrichter auf die Palme gebracht und womöglich sogar Thomas Pieters zur LIV-Liga getrieben hat, nachdem der Belgier es wegen all der Elite-Spieler selbst als Weltranglisten-35. nicht ins Feld des Genesis Invitational schaffte. Da kann Rory McIlroy noch so sehr kontern: „Die Designated Events sind keine geschlossene Gesellschaft. Jedem steht frei, niedrige Scores zu spielen und in den Kreis der Elite-Spieler aufzusteigen.“ Andererseits hat Tiger Woods ja zugegeben: „Wir versuchen einfach nur, das Produkt zu optimieren, und suchen nach wie vor die bestmögliche Gestaltung.“ Es besteht eindeutig Optimierungsbedarf.

Spatenstich fürs TGL-Hauptquartier

Freilich, zum Kontext passt, dass die beiden Business-Buddies unterdessen an den Stellschrauben für weitere Innovationen im Profigolf drehen. Gemeinsam mit „Commish“ Monahan und anderen absolvierten Woods und McIlroy am Dienstag den zeremoniellen ersten Spatenstich für das Hauptquartier und den künftigen Schauplatz ihrer Tomorrow Golf League (TGL) auf dem Gelände des Palm Beach State College – keine zehn Kilometer vom Schauplatz ihres grandiosen 2012er-Duells entfernt, dem jetzt die kalte Schulter zeigen.

Ab Januar 2024 steigt das Stadionspektakel als Mischung aus virtuellem Golf am Simulator sowie Kurzspiel auf einem Hallenparcours und mit einem ebenfalls erlesenen Teilnehmerfeld.

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