Golfreisen

The cream of the crop: Royal St. George’s Golf Club in Englands Südosten

07. Jul. 2022 von Jürgen Linnenbürger

Wehende Fahnen vor dem traditionellen Clubhaus von England’s führendem Golfplatz (Fotos Jürgen Linnenbürger (links) und Jason Livy)

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Der Beste der Besten

In vielen Rankings gilt er als Englands Nummer Eins. Weltweit rangiert er aktuell an Position 22 und zählt somit zu den anerkanntesten Clubs, die der Golfglobus zu bieten hat. Tradition und Stil treffen auf höchste Qualität und Klasse. Hier ist alles besonders.

Eindrucksvolle Historie

Sein Beginn geht auf das Jahr 1887 zurück, in dem er von Dr. William Laidlaw Purves als Englands Gegenstück zu dem schottischen St. Andrews gegründet wurde. Er ist wunderschön gelegen, direkt an der Sandwich Bay an der Küste des English Channels.
1894 fanden hier die ersten Open Championship außerhalb Schottlands statt. Mittlerweile hat dieses Event, das als eines der weltweit bedeutendsten Turniere angesehen ist, an diesem Ort 15 mal stattgefunden. Nirgendwo wurde es häufiger außerhalb Schottlands durchgeführt. Zuletzt war der Club in 2021 Gastgeber des Turniers, das zum 149. Male ausgetragen wurde.

Die Liste der hier durchgeführten namhaften Profi- und Amateurwettbewerbe ist unendlich.
Auf dem im Clubhaus hängenden "Honours Board" sind die Sieger aus mittlerweile drei Jahrhunderten aufgeführt. Darren Clarke in 2011 und Collin Morikawa in 2021 waren die beiden letzten Gewinner, die den begehrten Wanderpokal Clarat Jug in Kent in Emfpang genommen haben.
Das sensationelle Layout des Platzes ist gleich mehreren namhaften Golfplatz-Architekten zu verdanken. Neben dem oben genannten Gründer zählen Allister McKenzie und Frank Penning dazu.

Stil und Etikette

Der Club ist ein Private Members Club, der jedoch auch Nicht-Mitgliedern an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten seine Tore öffnet. Gäste sind gern gesehen und werden freundlich aufgenommen. Für diese gelten jedoch einige Regeln, die auf der Club-Website veröffentlicht sind.
Sie mögen antiquiert klingen, passen aber aus meiner Sicht perfekt zu der Tradition, auf die weiterhin sehr viel Wert gelegt wird. Hier ist nichts modern, sondern alles gediegen und edel. Old School Golf vom Feinsten eben.
Hierzu zählt u.a., dass nur bis 11.00 Uhr im Clubhaus Golfkleidung getragen werden darf. Danach tragen die Herren Sacko und Krawatte, die Damen ein entsprechendes Outfit. Auf der Terrasse und in der Snackbar wird den ganzen Tag Golf-Outfit akzeptiert.
Entscheiden sich Herren für Shorts, sind diese mit kniehohen Strümpfen zu tragen. Die der Members sind meist rot und grün gestreift. Golfschuhe und Mützen sowie nasse Golfkleidung sind im Clubhaus tabu. Gäste werden gebeten, diese nicht auf dem Parkplatz, sondern in den mit edlem Holz ausgestatteten Locker Rooms zu wechseln. Handys sind auf dem Platz und im Clubhaus verpönt, aber auf dem Parkplatz erlaubt.
Ursprünglich war geplant, dass wir den Lunch vor unserer Runde in dem berühmten Dining Room des altehrwürdigen Clubhauses einnehmen sollten. Diese Reservierung wurde jedoch kurzfristig storniert, da an dem Tag unseres Besuchs dort ca. 300 Mitglieder zusammenkamen, die einem kürzlich verstorbenen ehemaligen Präsidenten gedachten. So bleiben die heiligen Hallen für uns nicht zugänglich. Stattdessen nehmen wir auf der Terrasse mit Blick auf den gepflegten Garten einen kleinen Snack ein.

Snack auf der Terrasse - Kaffee und Wasser sind gratis (Foto Jürgen Linnenbürger)

Snack auf der Terrasse - Kaffee und Wasser sind gratis (Foto Jürgen Linnenbürger)

Mehr Anspannung geht nicht

Beim Umkleiden merke ich deutlich, wie meine Aufregung langsam zunimmt. Dann geht es auf den Platz. Mein Adrenalinspiegel steigt weiter an und mein Herz rast. Ich versuche auszublenden, wer an dieser Stelle schon seit 1887 abgeschlagen hat und von dem Starter auf die Runde geschickt wurde. Üblicherweise wird hier als 2-Ball gespielt. Lediglich dienstags können Gäste auch zu dritt oder viert, d.h. als 3-Ball oder 4-Ball auf die Runde gehen.

Alle acht Minuten wird gestartet (Foto Jürgen Linnenbürger)

Alle acht Minuten wird gestartet (Foto Jürgen Linnenbürger)

Leider verlässt uns der anfängliche Sonnenschein und die Bewölkung nimmt stark zu. Doch zum Glück bleibt es trocken und der sonst übliche heftige Wind hält sich in Grenzen.

‚Huts‘ am ersten Abschlag (Foto Jürgen Linnenbürger)

"Huts" am ersten Abschlag (Foto Jürgen Linnenbürger)

Dann geht es los. Ich atme tief durch und versuche alles andere auszublenden. Richard, unser Caddie, meint, ich solle einen leichten Draw spielen. Nichts leichter als das.

Caddies sind eine unverzichtbare Hilfe ( Foto Jürgen Linnenbürger)

Caddies sind eine unverzichtbare Hilfe ( Foto Jürgen Linnenbürger)

"Well done" kommentiert Richard meinen Abschlag. Dann rasen wir los. Gemütliches Golfen ist hier nicht angesagt. Wer als 2-Ball länger als 3 1/2 Stunden für die 18 Löcher braucht, ist fehl am Platz.

Perfekte Bedingungen auf dem gesamten Platz

Der Par 70-Platz hat eine Länge von 7.204 Yards von den Championship-Abschlägen. Anders als die meisten klassischen Links-Kurse verläuft die Front Nine nicht vom Clubhaus weg und die Back Nine zu diesem zurück. Stattdessen sind die Löcher eher in einer großen Schleife angelegt, sodass man kein Loch in die gleiche Richtung spielt. Dies bedeutet, sich auf den üblichen Wind an jedem Loch neu einstellen zu müssen. An acht der Löcher spielt man direkt am Channel entlang.

Die natürliche Schönheit spricht für sich selbst (Foto Jürgen Linnenbürger)

Die natürliche Schönheit spricht für sich selbst (Foto Jürgen Linnenbürger)

Schon die Teeboxen fallen durch ihren perfekten Zustand auf. Andere Clubs wären froh, solche Grüns zu haben. Dieser Eindruck setzt sich nahtlos auf dem Platz fort. Die sehr welligen Fairways sind extrem kurz gemäht. Ich traue mich kaum ein Divot zu schlagen.
Die Bälle rollen auf ihnen ohne Ende. Zwar nicht immer dahin, wohin sie sollen, doch sie machen Länge. Auch wenn ich denke, das Fairway mittig getroffen zu haben, heißt dies nicht, dass der Ball dort zum Liegen kommt. Aber dafür haben wir ja Richard, der Adleraugen zu haben scheint.
Die Aussichten auf den Channel sind großartig. Die Natürlichkeit des Platzes ist nicht zu übertreffen. Hier ist nichts künstlich angelegt, sondern alles in seinem ursprünglichen Look and Feel belassen. Die Dünen sind riesig und schränken die Sicht teilweise stark ein. Etliche blinde Abschläge erfordern Zuversicht und Selbstbewusstsein.
Das Dünengras wiegt im nicht zu starken Wind. Nach dem Regen der letzten Woche und dem anschließenden Sonnenschein ist es förmlich explodiert. Es sieht harmloser aus als es ist. Ein Herauskommen aus dem dichten Rough ist nahezu unmöglich.

Die sportlich größtmögliche Herausforderung

Schon nach kurzer Zeit stellen wir fest, dass die HCP-Begrenzung von 18,4 völlig zu recht besteht. Bleiben wir im Spiel, warten Grüns auf uns, die wir in dieser Form noch nicht kennengelernt haben. Wo und wie soll der Ball auf den z.T. riesigen, umgedrehten Untertassen zum Liegen kommen?

Professionelle Lesehilfe ist Gold wert (Foto Jürgen Linnenbürger)

Professionelle Lesehilfe ist Gold wert (Foto Jürgen Linnenbürger)

Sie sind onduliert, rasend schnell und von riesigen Auslaufzonen umgeben. Zwei Putts sind ein tolles Ergebnis. Diese erreichen wir jedoch nur, wenn wir die Grüns perfekt treffen. Und das kommt nicht zu allzu oft vor. Ihre weißen Fahnen tragen das rote Kreuz des Schutzpatrons St. Georg. Wir brauchen seinen Beistand.
Und dann sind da noch die Bunker - die normalen und die Topfbunker. Sie sind so ursprünglich, wie man sie auf einem echten Links-Course erwartet.
Ihr Höhepunkt ist der an der Vier. Bis vor kurzem wurde er noch mit 93 Eisenbahnbohlen an den Seiten gestützt. Diese hat man jedoch aus Sicherheitsgründen entfernt. Der Abschlag ist blind bergauf über eine Düne zu spielen. Auf der einen Seite der Bahn, nach ca 150 Metern, liegt er dann: der steilste Bunker im gesamten United Kingdom. Richard verrät uns, dass er auch "Coffin" genannt wird: einmal darin, kommt man nie wieder heraus.

Der schlafende Riese (Foto Royal St. George’s GC/Jason Livy)

Der schlafende Riese (Foto Royal St. George’s GC/Jason Livy)

Wie das Foto beweist, bin ich das beste Beispiel. Nach drei erfolglosen Versuchen, habe ich mein Ergebnis an diesem Loch begraben.

Ein Monster in den Dünen (Foto Jürgen Linnenbürger)

Ein Monster in den Dünen (Foto Jürgen Linnenbürger)

Das lange Par 4 ist das zweitschwierigste Loch der 18 aufregenden Bahnen, die alle unterschiedlich sind und ihren eigenen Namen tragen. Dieses heißt wenig überraschend Himalayas. Weitere bekannte sind The Maiden, Sahara und Suez Canal.
Jedes Loch hat seinen eigenen großen Reiz und bleibt unvergesslich. Die Front Nine soll das bessere Ergebnis zulassen, denn die Back Nine ist noch anspruchsvoller. Die Längen sind für Durchschnitts-HCPer brutal, insbesondere wenn der Wind ins Spiel kommt. Dieser setzt auf der Back Nine ein und macht die letzten Löcher zu einem besonderen Test für uns. Trinkwasser gibt es an verschiedenen Stellen auf dem Platz. Sogar für Vierbeiner. Nur Toiletten suchen wir vergeblich. Richard meint, dass wir "mother nature" nutzen sollen.

Frisches Wasser ist für alle da (Foto Jürgen Linnenbürger)

Frisches Wasser ist für alle da (Foto Jürgen Linnenbürger)

Nach den 18 Löchern sind wir geschafft: mental wie körperlich. Aber um eine Erfahrung reicher, die zu den außergewöhnlichsten zählt, die wir auf einem Golfplatz je gemacht haben. Golf as its purest. Allein dies zählt. Das Ergebnis ist absolut zweitrangig.

Glücklich und zufrieden am Abschlag der 18. Bahn (Foto Jürgen Linnenbürger)

Glücklich und zufrieden am Abschlag der 18. Bahn (Foto Jürgen Linnenbürger)

Wir bedanken uns höflich bei Richard, zahlen ihm die üblichen 50 Pfund und geben ihm den redlich verdienten Tip. Dies allein schon wegen der Bälle, die er in dem tiefen Rough wiedergefunden hat. So war unser Verlust absolut überschaubar. Wir werden jeden Moment dieses unvergesslichen Tages auf einem der weltweit beeindruckendsten Golfplätze in bester Erinnerung behalten.

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