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Sandra Gal: Ein Star zwischen Selbstfindung und sportlicher Wiedergeburt

29. Jun. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Sandra Gal feierte ihr Comeback auf der Ladies European Tour. (Foto: Getty)

Sandra Gal feierte ihr Comeback auf der Ladies European Tour. (Foto: Getty)

Nelly Korda ist die neue Nummer eins im Damengolf. Mit dem Gewinn der Women‘s PGA Championship, ihrem ersten Majorsieg, platzierte sich die 22-jährige US-Proette auch im Rolex Ranking auf dem Platz an der Sonne. Derweil die absolute Weltelite im Atlanta Athletic Club um eine eher unförmige Trophäe spielte, fand gute elf Flugstunden und 7.750 Kilometer weiter östlich sowie zwei Golfgenerationen entfernt, ein Comeback der bemerkenswerten und besonderen Art statt.

„Es gibt noch eine Menge zu tun“

Bei der Czech Ladies Open in Beroun nahe Prag kehrte Sandra Gal auf die Turnierbühne zurück. Oder wie die Ladies European Tour in einer entsprechenden Mitteilung formuliert: „Sie nimmt ihre Karriere wieder auf“. So weit freilich ist es längst noch nicht, wie die 36-Jährige selbst nach dem geteilten 20. Platz via Instagram verkündete: „Ich registriere deutliche Verbesserungen, aber es gibt noch eine Menge zu tun, bis ich mich wieder auf einen kompletten Saison-Spielplan einlassen kann.“


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Dennoch war es schön, die Wahlamerikanerin wieder am Schläger zu sehen; man hat sie ein bisschen aus dem Fokus verloren, während sich die nachwachsenden Generationen, Sophia Popov, Esther Henseleit und Co., in den Vordergrund spielten und Caroline Masson als verbliebenes deutsches LPGA-Tour-„Urgestein“ agierte. Aber vielleicht ist das der einstigen Weltklassespielerin durchaus recht: Sandra Gal hat wechselhafte Zeiten hinter sich, die widrigen Umstände waren vielfältig.

Aktuell Nummer 407 der Welt

Seit 2018 leidet sie an den Folgen einer Borreliose-Infektion, der andere Virus namens Corona tat sein Übriges, zwischendurch kam überdies daheim in Tampa/Florida ein – halbwegs glimpflich verlaufener – Autounfall hinzu: Gal, die 2011 die Kia Classic gewonnen hat, 2012 mal 33. der Welt war und aktuell die Nummer 407 ist, verlor sich zwischen Sport und gesundheitlichen wie persönlichen Problemen.

Die Jahre auf der Tour…

„In den vergangenen Jahren war es um meine Gesundheit nicht zum Besten bestellt, und das hatte mehr als nur einen Grund“, erzählte sie vor ihrem „Restart“. „Ich würde eher sagen, dass es die Folgen der vielen Jahre auf der Tour waren, der Reisestress, ungesunde Ess-Gewohnheiten, zu wenig Zeit fürs Abschalten und um auf andere Gedanken zu kommen.“

Eine nicht unbekannte Diagnose

Eine Anamnese, mit der die gebürtige Düsseldorferin und Neu-US-Staatsbürgerin (seit Mai) nicht allein da steht. In der jüngeren Vergangenheit gab es zahlreiche derartige Diagnosen im Damengolf; Burnout wäre sicherlich der passende Terminus Technicus; bei US-Star Lexi Thompson beispielsweise führte es bis in die Depression. Auch Sandra Gal kennt den Spagat zwischen Star-Glamour und Selbstfindung, zwischen Poster-Girl und Hochleistungssportlerin – eine Menge Social-Media-Postings aus den vergangenen Jahren belegen das.


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Im August 2019 zog Gal erstmals den Stecker, nahm einen sogenannten „Medical Break“, eine Auszeit aus medizinischen Gründen. „Mir erschien ein sanfterer, mehr weiblicher Zugang zum Golfsport wichtig, nachdem ich mich etliche Jahre extrem gefordert hatte“, sagte sie im Nachhinein. Ihre Ansätze: „Weniger Technik, mehr Gefühl. Ein mehr gefühlsorientierter, emphatischer Ansatz für Problemlösungen.“

Ernährungslehre, Schlafhygiene und Meditation

Sie sei freundlicher zu sich selbst geworden, verzeihender vielleicht, aber das allein habe ihre gesundheitlichen Maläsen nicht aus der Welt geschafft. Folglich beschäftigte sie sich mit Ernährungslehre, Schlafhygiene und Meditation, vertraute auf ihre Eigen-Empathie und das Gefühl des inneren Wohlklangs.


Und sie veränderte sich. Aus der Proette „La Gal“, die im Tour-Betrieb gleichermaßen eine Rolle als Vorzeigespielerin und „Hingucker“ zu spielen hatte oder glaubte, wurde auch nach außen hin der Gefühlsmensch, der Sandra Gal eigentlich ist. Und genau so kommt sie mittlerweile rüber: empfindsam, sensibel und reflektiert, ungekünstelt, in jedwedem Wortsinn ungeschminkt, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse freimütig offenbarend und damit teilend, auf sich und das Wesentliche ihres Lebens besonnen.

„Neue Energie, besserer Schlaf, mehr Ruhe“

2020 spielte sie fünf Turniere der Pandemie-Rumpfsaison – mit wechselndem Erfolg. Nachdem die drei ersten Auftritte 2021 jeweils endeten, bevor es am Wochenende um Platzierungen und Prämien ging, drückte Gal erneut auf „Stand By“. „Mein Energielevel war immer noch nicht dort, wo er sein sollte. Und ich habe immer noch schlecht geschlafen.“

Der Stress-Level war weiterhin nicht im grünen Bereich. Also noch mal Reset. Besinnung. Neujustierung. Für drei Monate. „Um mich zu heilen und mein Nervensystem in Ordnung zu bringen“, sagte sie unlängst der LET-Pressestelle. „Ich habe meine Diät optimiert und meine Fitness verbessert. Ich habe jetzt mehr Energie, schlafe besser und fühle mich ruhiger, entspannter.“

Standortbestimmung auf vertrautem Boden

Die Czech Ladies Open war eine Standortbestimmung auf vertrautem Boden. Gals Eltern stammen aus Tschechien, sie spricht die Sprache fließend und gewann dort als Amateurin 2007 die Internationale Tschechische Meisterschaft, bevor sie mit 19 Jahren für Studium und Golf an der Universität von Florida aus Deutschland in die USA übersiedelte.

Die zweifache Solheim-Cup-Teilnehmerin (2011, 2015) und Olympionikin von Rio 2016 liebt Prag, trainierte während ihrer Auszeit auf dem Platz in Beroun und spielte den Kurs immer mal wieder mehrere Tage in Serie, um Turnierbelastung zu simulieren: „Die Resultate haben mich optimistisch gestimmt, auch wenn es nur Übungsrunden waren.“

Auf dieser Basis sei das anschließende Turnier – übrigens vor den Augen ihrer Eltern – eine wichtige und aussagekräftige Erfahrung gewesen, „um meine mentale, physische und emotionale Befindlichkeit zu testen“, erklärte Gal nach ihrem ersten Profi-Start in der Tschechischen Republik: „Ich muss mir aber noch mehr Zeit geben und weiter Disziplin üben, um mich wieder richtig gesund und im Gleichgewicht zu fühlen.“

Ziel ist der Europa-Ausflug der LPGA

Der nächste Gradmesser für Gals Gesamtbefinden sind die Big Green Egg Open diese Woche im Rosendaelsche Golf Club in den Niederlanden: „Die beiden LET-Events sind der Test für das Comeback auf der LPGA Tour“, sagt sie. Immerhin verlagert der Circuit sein Geschehen ab Ende Juli und mit der Evian Championship (22. bis 25. Juli) für einen Monat auf europäischen Boden, samt der AIG Women‘s Open auf den Carnoustie Golf Links im August. Schönes Spiel, Sandra Gal!

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