Back Nine

McIlroys tränenreiche Bilanz: „Wünschte, ich hätte mehr fürs Team tun können“

27. Sep. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Ryder Cup 2021: McIlroys tränenreiche Bilanz und der Sieg der USA (Foto: Getty)

Ryder Cup 2021: McIlroys tränenreiche Bilanz und der Sieg der USA (Foto: Getty)

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Am Ende haben sie doch noch geliefert, Europas Ryder-Cup-Veteranen Ian „Postman“ Poulter, Lee Westwood und Rory McIlroy. Doch ihre Einzelsiege waren bedeutungslos angesichts der amerikanischen Übermacht auch an dritten Tag dieses 43. Ryder Cup. Besonders einer war nach seiner Runde am Boden zerstört: McIlroy, der zum Auftakt den Olympiasieger Xander Schauffele mit 3&2 in Schach gehalten hatte. Anschließend offenbarte der Nordire, welcher Druck während der gesamten Woche von Whistling Straits auf ihm gelastet haben musste, als sich seine Gefühle Bahn brachen und er ein Interview mit „Sky Sports“ unterbrechen musste, weil ihm die Tränen kamen. „Ich bin so froh, dass ich am Ende doch noch einen Punkt beisteuern konnte.“ Und: „Ich bin stolz auf jedem in diesem Team und auf unseren Zusammenhalt, ganz gleich was passiert.“

Da redete sich einer von der Seele, was er drei Tage mit sich rumgetragen hatte und erst am Sonntag auf dem Platz in erfolgreiche Schläge umsetzen konnte. McIlroy, dem noch als gelindester Vorwurf die Frage galt, was eigentlich mit ihm los sei, dem Apathie, ja gar „Schlafwandelei“ attestiert worden waren, hat eine durchwachsene Saison hinter sich, war auf der Suche nach seinem golferischen Ich und in Whistling Straits mit der ihm einmal mehr zugedachten Führungsrolle diesmal offenkundig völlig überfordert. „Ich liebe meine Mannschaftskameraden so sehr und wünschte, ich hätte ihnen mehr helfen können“, sagte der 32-Jährige zwischendurch mit erstickter Stimme und scheinbar voller Schuldgefühle und schlechtem Gewissen. Nur hartgesottenen Beobachtern fallen angesichts solcher Szenen nicht die jüngsten Burn-Out-Offenbarungen von Matt Wolff oder der Turn-Ikone Simone Biles und der Tennisspielerin Naomi Osaka ein.

Irgendwann hatte sich McIlroy dann wieder gefangen und richtete den Blick nach vorn: „Ich kann das nächste Mal kaum erwarten. Der Ryder Cup ist bei weitem die schönste Erfahrung, die man im Golf machen kann. Und ich hoffe nur, dass ganz viele Jungen und Mädchen danach streben, in diesem Wettbewerb oder beim Solheim Cup zu spielen, weil es nichts Besseres gibt als Teil eines Teams zu sein.“

Lowry trotz Niederlage: „Beste Zeit meines Lebens“

Kontrastprogramm: Shane Lowry hat erst sein Einzel gegen Patrick Cantlay sowie dann im Team verloren und war dennoch glücklich. „ Ich habe all die Jahre darauf gehofft und davon geträumt, es mal in ein Ryder-Cup-Team zu schaffen: Das war bei weitem die beste Woche meines Golferlebens“, diktierte der per Wildcard berufene 34-jährige Ire den Medienleuten in die Mikrofone. In Sachen Stimmung und Erlebnis habe Whistling Straits sogar seinen Open-Championship-Triumph von Portrush 2019 getoppt. „Es war etwas ganz besonderes, für Paddy [Kapitän Padraig Harrington] spielen zu dürfen, mit allen den Jungs das Teamquartier zu teilen und die Stimmung dort zu erleben“, schwärmte Lowry, dessen Vater Brendan unter den Zuschauern war, und fügte schmunzelnd an: „Diesmal haben schlichtweg die Besseren gewonnen. Und wie soll das erst werden, wenn wir auch wieder siegen!“

Koepka und DeChambeau boten sich als Duo an

Zeichen und Wunder: Wartet’s ab, Bryson DeChambeau und Brooks Koepka werden doch noch dicke Freunde! Spaß beiseite, dazu wird es vermutlich nie kommen. Doch immerhin haben die beiden Streithähne, die sich während der Saison wie die Kesselflicker zofften, ihr Versprechen gegenüber US-Kapitän Steve Stricker gehalten und während des Ryder Cup ihre Animositäten hintan gestellt. „Ich verrate Euch mal was: Sie wollten tatsächlich sogar zusammen spielen. So toll hat das Klima im Team auch auf sie gewirkt“, erzählte Stricker gestern in einem Interview mit dem TV-Sender „NBC“. Schon am Ende der Siegerpressekonferenz hatten sich „BDC“ und Koepka umarmt und geherzt, als wären sie von jeher beste Kumpel.


Allerdings hatte es zuvor etwas Ermunterung von Justin Thomas bedurft. Und als das US-Team schließlich noch „Why can’t we be friends“ anstimmte, da machten die beiden auch hier guten Miene zum Lied. Naja, ein gemeinsamer Erfolg übertüncht halt sehr vieles.

Garcia kassiert gegen „BDC“ erste Einzelniederlage

Highlight: Den Auftakt-Hammer hat er sich für den Schluss aufbewahrt. Nach seinem mächtigen 381-Meter-Hieb auf der Bahn fünf vom Freitag hat Bryson DeChambeau gestern „endlich“ auch das erste Grün vom Abschlag aus getroffen. Der „Hulk mit dem Holz“,  der in Whistling Straits übrigens auf seine typische Schieberkappe verzichtete und mit Basecap antrat, weil „es in dieser Woche um das Team geht und ich aussehen wollte wie alle anderen“, legte den Ball über 323 Meter bis auf zwölf Meter an die Fahne und lochte den Putt trotz der Distanz souverän zum Eagle. Damit verlor Gegner Sergio Garcia das Loch, obwohl er ein Birdie gespielt hatte. Am Ende bescherte DeChambeau dem Spanier die erste Einzel-Niederlage in dessen Ryder-Cup-Karriere.

Dustin Johnson übernimmt Strickers Tattoo

Team-Leader: Die Amerikaner haben in Whistling Straits einen überwältigenden Sieg gefeiert und Mann der Woche war vor allen anderen Dustin Johnson, der gestern gemeinsam mit Sergio Garcia völlig zurecht mit dem neuen „Nicklaus-Jacklin-Award“ für Vorbildhaftigkeit ausgezeichnet wurde. Der Senior des US-Teams spielte und gewann alle fünf möglichen Matches, was in der 28-Punkte-Ära des Kontinentalwettbewerbs lediglich Larry Nelson (1979) sowie auf europäischer Seite Francesco Molinari 2018 gelang. 1967 holten auch Arnold Palmer und Gardner Dickinson fünf Punkte, damals gab es allerdings noch sechs Partien (zwei Achter-Einzel)

Mehr noch: „D. J.“, so wird allenthalben berichtet, war Motivator und Integrator im Team-Quartier und übernahm wie selbstverständlich die Rolle des „Vaters der Kompanie“. Und schließlich wurde der sonst so lakonische 36-Jährige im Überschwang des Triumphs bei der gestrigen Pressekonferenz des US-Teams auch noch zum ausgelassenen Entertainer. Höhepunkt war Johnsons Einsatz für Kapitän Steve Stricker („Dieser Erfolg ist das Major, das ich nie gewonnen habe“), als sich der etwas ausweichend zu der Frage nach einem Sieger-Tattoo äußerte. „Ich mach’ das für Dich, Strick“, sprang Johnson in die Bresche: „Egal was Du auf meinem Hintern sehen willst – ich stehe zu meinem Wort. Und Ihr seid alle Zeugen!“ Nicht schlecht war freilich auch der prompt folgende Einwand von Tony Finau: „Dafür muss ,D. J.’ erst mal Paulina [Gretzky, seine Lebenspartnerin] fragen.“

Stricker fand Berger-Thomas-Einlage „großartig“

Dispens: US-Skipper Steve Stricker hat den Veitstanz nachträglich gebilligt, den Justin Thomas und Daniel Berger vor den Vierball-Matches am Samstag Nachmittag inklusive „exen“ von Bierdosen auf dem ersten Abschlag aufgeführt hatten. „Ich hab’s nicht mitbekommen, weil ich beim Mittagessen war“, sagte der 54-Jährige noch am Samstagabend. „Aber um ehrlich zu sein: Es sah so aus, als hätten sie viel Spaß gehabt. Es heißt immer, wir sehen alles zu eng und sind nicht locker und entspannt – und dann geschieht so was, das die gute Stimmung imTeam zeigt und wo wir mit dem Publikum interagieren … Also, ich fand es großartig.“

Westwood ist der Favorit fürs Kapitänsamt in Rom

Fare-Well-Tour? Whistling Straits war wohl der letzte  Ryder-Cup-Auftritt von Lee Westwood – jedenfalls als Aktiver. Der 48-Jährige fand mit dem Einzelsieg über Harris English einen persönlich positiven Abschluss, konnte es allen Kritikern so noch mal beweisen und  genoss es, in Whistling Straits seinen Sohn Sam an der Tasche gehabt zu haben.


Alsbald warten andere Aufgaben auf „Westy“. Der Engländer gilt als designierter Kapitän für Rom 2023. Sein Gegner, so wird spekuliert, könnte Tiger Woods sein – Phil Mickelson wird noch warten müssen. Indes, der ist ja ohnehin in den nächsten Jahren noch damit beschäftigt, seine PGA Championship zu promoten und seinen Narzissmus zu pflegen. Selbst nach der Ryder-Cup-Eröffnung konnte der sechsfache Majorsieger es einfach nicht lassen:


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Zurück zum Amt des Teamchefs: Tatsächlich wird Mickelson fürs US-Heimspiel 2025 gehandelt; Europa hat dann womöglich Ian Poulter auf der Brücke. Zwei Jahre später, wenn der Kontinentalwettbewerb in Adare Manor inszeniert wird, bekommt Graeme McDowell vermutlich sein Heimspiel – gegen Zach Johnson? Die weitere Zukunft wäre dann endgültig Kaffeesatzleserei: In der „Tasse“ sind noch Justin Rose, Paul Casey, Luke Donald, Sergio Garcia, Robert Karlsson und Henrik Stenson; auf amerikanischer Seite bieten sich Brandt Snedeker oder Stewart Cink an. Andererseits ist die PGA of America ja auch nicht scheu, das Kapitänsamt auch mal wieder an einen zu vergeben, der schon Skipper war, siehe Davis Love III in Medinah 2012 und in Hazeltine 2016.

Deutsche Bewerbung für 2035?

Nach dem Ryder Cup ist vor dem Ryder Cup: Die Wogen am und auf dem Lake Michigan haben sich geglättet, in Whistling Straits wird abgebaut, und während die Amerikaner ihren wohlverdienten Triumph genießen, geht anderswo schon wieder der Blick nach vorn. Natürlich zuvorderst nach Italien und in den Marco Simone Golf and Country Club bei Rom, dessen Repräsentanten gestern symbolisch den Staffelstock übernahmen. Anschließend folgt auf amerikanischer Seite ein echter Kracher: Der Kontinentalwettbewerb findet erneut auf einem öffentlichen Platz statt, und zwar auf dem brutalen Black Course im Bethpage State Park bei New York, wo schon am Eingang ein Schild zarte Golfgemüter warnt:


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Mehr Kontrast geht kaum, wenn sich Europa und die USA zwei Jahre später im Märchenschloss Adare Manor im Westen Irlands treffen. Für die Zeit danach haben sich Ryder Cup Ltd. und European Tour noch nicht entschieden – gestern freilich hat Michael Blesch, Miteigentümer der Green Eagle Golf Courses nahe Hamburg, via Facebook noch einmal bekräftigt, sich mit seinem neuen West Course für 2035 bewerben zu wollen:

Die PGA of America hingegen weiß schon, wohin der Weg führt: 2029 erneut nach Hazeltine in Minnesota und 2033 erstmals seit 74 Jahren wieder nach Kalifornien, in den Olympic Club von San Francisco, und 2037 in den Congressional Country Club nach Maryland.

Tigers Gratulation per Twitter

Zum Schluss: Das letzte Wort hat Tiger Woods. Der Superstar, der daheim in Jupiter/Florida nach seinem schweren Autounfall vom Februar im Wortsinn wieder auf die Beine zu kommen versucht, war die ganze Woche über mit dem US-Team verbunden und sandte gestern auch umgehend seine Glückwünsche, kaum dass die Amerikaner den Ryder Cup endlich in Händen hatten:

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