Back Nine

Rory McIlroys bitteres Scheitern: Für ein Major braucht es mehr Magie

18. Jul. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Rory McIlroy verpasste den Sieg bei der British Open 2022. (Foto: Getty)

Rory McIlroy verpasste den Sieg bei der British Open 2022. (Foto: Getty)

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Er war der Champion Golfer, den St. Andrews haben wollte; die McIlroy-Mania begleitete den Publikumsliebling vom 1. bis zum 72. Loch dieser 150. Open Championship. Fast. Als gestern
klar wurde, dass der 33-jährige Nordire gegen das Bravour-Putten von Cameron Smith keine Chancen haben würde, da wurde es in der Galerie merklich stiller und stiller, während sich in Rory McIlroys Gesichtszüge die Spuren des Unausweichlichen eingruben. „Ich wünschte, ich hätte besser spielen können, um den Fans wirklich einen Grund zum Feiern zu geben“, befand er hernach. „Dabei habe ich genau das gemacht, was ich tun wollte: Ich habe eine wirklich sehr kontrollierte Finalrunde gespielt.“


Genau hier liegt der Hase im Pfeffer: McIlroys Idee, sich mit Geduld und Kontrolle, mit „langweiligem Golf“ (O-Ton) nach achtjähriger Entsagung endlich das nächste, das fünfte Major zu sichern, ausgerechnet auf dem Old Course zum zweiten Mal nach Royal Liverpool 2014 die Claret Jug zu küssen, ließ ihn letztlich scheitern. Was er gestern zeigte, war uninspiriert, ohne Funken und Feuer, die Statistik belegt das. „Rors“ traf alle 18 Grüns „in regulation“ und puttete ebenso „in regulation“: Diese Konstanz, 18 „Treffer“ und 36 Versuche auf den Riesengrüns im „Home of Golf“ sind aller Ehren wert. Und auf eine bedauerliche Art einzigartig: So eine Finalrunde hinzulegen, das hat noch niemand „geschafft“, der nach 54 Loch an der Spitze lag – bei keinem Major, auf keinem Platz, nie zuvor.

Ohne etwas Risiko, ohne das Furiosum eines besonderen Schlags, eines schier unmöglichen und dennoch gelochten Putts, ohne ein bisschen Zauberei und ein paar magische Momente gewinnt man halt keine Majors. Was McIlroy fehlte bei seiner Jagd nach dem „Heiligen Gral des Spiels“, wie er diese Old-Course-Open selbst stilisiert hatte, war ein gelochter Bunkerschlag wie am Samstag auf der Zehn – irgendwas, mit dem er das Momentum von der Glut zu einem Feuer hätte entfachen können.


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Cameron Smith konnte es. Der Australier zeigte Kunstfertigkeit, wo McIlroy lediglich Bürokratie an den Tag legte. Und daher lag er weitgehend richtig mit seinem Fazit „Ich habe diese Woche gegen eine besseren Spieler verloren“. Er hätte auch konstatieren können, dass er selbst an diesem Tag nicht gut genug war für den Triumph. Und so erlebten St. Andrews und die Golfwelt tatsächlich ein sehr besonderes, ja ein dramatisches Finale – bloß eben nicht mit dem gewünschten Ausgang.

Irgendwann später dämmerte McIlroy dann doch die Erkenntnis, „dass ich mir dieses spezielle Major tatsächlich habe durch die Finger rinnen lassen“. Aber: „Es wird andere Möglichkeiten geben.“ 17 Top-Ten-Platzierungen bei Majors sind es nun seit dem Gewinn der PGA Championship 2014 von Valhalla: „Ich muss einfach geduldig bleiben und immer wieder an die Tür klopfen – irgendwann mal wird schon wieder eine aufgehen. Und letztlich ist es nur ein Spiel, geht es nicht um Leben oder Tod!“ Was soll er auch sonst sagen ...

Das phänomenale Putten des Cameron Smith

Phänomenal: Es gibt eine Zahl, die den Unterschied zwischen Cameron Smith und dem Rest der Golfwelt bei dieser 150. Open-Championship verdeutlicht wie keine andere – 255 Fuß. Diese Distanz absolvierte der 28-jährige Australier am Freitag, bei der ersten seiner beiden 64er-Runden auf den Grüns des Old Course 77,7 Meter, und Smith machte sechs Birdies sowie einen Eagle draus. Chapeau!


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Mit der zweiten Bogey freien Acht-unter-Par und ebenso exzellenten Putts, beispielsweise um den Road Hole Bunker auf der 17 herum oder aufs 72. Grün zum letzten von insgesamt 24 Schlaggewinnen bei nur drei Bogeys, während der gesamten Woche machte er sich gestern zum Champion Golfer of the Year. Damit wurden übrigens erstmals in der Geschichte des Golfsports alle Majors eines Jahrs von Spielern unter 30 Jahren gewonnen: Scottie Scheffler (Masters) ist mittlerweile 26, Justin Thomas (PGA Championship) ist noch 29, Matt Fitzpatrick (US Open) ist 27 und Smith eben 28.

Stenson: Tatsächlich LIV Golf statt Ryder Cup?

Sinneswandel: Vor ein paar Monaten hat Luke Donald noch Witzchen darüber gerissen, bei wem er sich für den Fall einer Kür zum Ryder-Cup-Teamchef für Rom 2023 tatsächlich zu bedanken habe, nachdem Kandidaten wie Lee Westwood oder Ian Poulter durch ihre Liebäugelei mit Greg Normans Saudi-Tour nicht mehr für das Amt in Frage kamen. Dann unterschrieb Henrik Stenson dem Vernehmen nach eine Verzichtserklärung und wurde folgerichtig als Nachfolger von Padraig Harrington auf den Schild gehoben. Doch es scheint, als könnte sich Donald jetzt doch noch in Riad melden, denn die Anzeichen verdichten sich immer mehr, dass „Iceman“ Stenson dem Lockruf des Gelds erliegt, den Kapitänsjob hinwirft und zur LIV-Operettenliga überläuft. Nachdem das Gerücht von einigen britischen Medien kolportiert worden war, schlug jetzt auch das schwedische Blatt „Expressen“ in dieselbe Kerbe. „Die LIV Tour wird einige neue Spieler präsentieren; wie es scheint, ist Henrik einer davon“, heißt es bei „Expressen“. Von Stenson, der bei der 150. Open den Cut verpasst hat, war in St. Andrews keinerlei Stellungnahme zu bekommen. Aber der Champion Golfer von Royal Troon 2016 eröffnet heute an der Stätte seines damaligen Triumphs in Ayrshire an der schottischen Westküste einen Kurzplatz, und es wird allgemein erwartet, dass der 46-Jährige im Anschluss die Bombe platzen lassen wird. Es wäre, das als persönliche Anmerkung des Autors, ein Akt von beispiellos jämmerlicher sportlicher Charakterschwäche: Erst sich feiern lassen, dann doch verduften! Ryder Cup Ltd und European Tour Group könnten gar nicht anders als Stenson umgehend feuern; damit wäre Luke Donald, der einstige Weltranglisten-Erste aus England, wieder Anwärter Nummer eins.

Übrigens: Auch Cameron Smith wurde bei seiner Siegerkonferenz nach möglichen Wechselabsichten gefragt. Der Australier reagierte natürlich etwas pikiert („Ich habe gerade die Open Championship gewonnen, und Ihr fragt mich so was?“), mochte sich gleichwohl nicht festlegen: „Um solche Sachen kümmert sich mein Team. Mich interessiert bloß, Golfturniere zu gewinnen.“ Derweil hat Sergio Garcia seinen Abschied von der DP World Tour und seinen offiziellen Verzicht auf alle künftigen Ryder-Cup-Ämter und -Ambitionen erklärt. Und Paul Casey hat öffentlich spekuliert, dass sich die LIV-Überläufer ihre Weltranglistenpunkte (OWGR) über die Asian Tour holen könnten, falls dem Antrag von LIV Golf auf Aufnahme in das OWGR-System von den zuständigen Gremien nicht stattgegeben werde, die während der Open Championship erstmals darüber beraten haben.

Kisners spezielles Open-Nachmittagsprogramm

Nachtrag: Einer ist bei der Wochenend-Berichterstattung von der Open Championship etwas untergegangen – Kevin Kisner, der am Morgen des Moving Day mit 65 Schlägen eine bemerkenswerte Runde hinlegte und sich als begeisterter Angler dafür am Nachmittag auf besondere Weise belohnte: „Ich habe gehört, dass hier die Schellfische gut beißen.“ Sprach’s, mietete sich ein Boot und eine Ausrüstung und stach in See.


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DeChambeau: LIV-Geld verplant, „bin wieder pleite“

Abkehr: Ist Ihnen bei der Open Championship was aufgefallen? Weitere Sponsoren haben ihre Konsequenzen aus den Engagements von Spielern bei LIV-Golf gezogen, es fehlen auf etlichen Outfits sattsam bekannte Logos: So hat Mastercard die Zusammenarbeit mit Ian Poulter (und Graeme McDowell) beendet; Patrick Reed trägt das Emblem der von Saudi-Arabien finanzierten Konkurrenz-Organisation spazieren, weil er seinen Ausrüster los ist; und auch Bryson DeChambeau gehört nicht mehr zum Team von Ballausrüster Bridgestone, der unter anderen Tiger Woods und Lexi Thompson mit „Murmeln“ versorgt. DeChambeau hat übrigens irgendwann vor der Open erzählt, dass ihm Greg Norman, der Impresario der Operettenliga LIV Golf Invitational Series, eine Garantiegage „nördlich“ von 125 Millionen Dollar zahle, dass dieses Geld allerdings bereits verplant sei. BDC will vom Saudi-Zaster unter anderem daheim in Dallas eine Multi-Sportanlage samt Driving Range finanzieren, in seinem Geburtsbundesstaat Kalifornien Jugend-Golfserien unterstützen oder etwa frisches Geld in seine Stiftung einbringen. „So gesehen, bin ich eigentlich wieder pleite“, scherzte er in einem Podcast-Interview, aber mit derartigen Investitionen erfüllt das „blutige Geld“ („Washington Post“) wenigsten teilweise einen guten Zweck. Schade, dass nicht alle LIV-Überläufer so denken und zum Beispiel nun den Nachwuchs oder Golf für Mädchen und Frauen fördern, wenn es doch angeblich vor allem um „Growing the Game“ geht.

In den „Heiligen Hallen“ des Royal & Ancient

Abschiedsbesuch: Es ist altehrwürdig und geheimnisumwittert, nur wenigen Auserwählten ist ein Besuch in den heiligen Hallen des Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews direkt am ersten Abschlag und 18. Grün des Old Course gestattet. Gut, dass die Kollegen von „golfclubhouses“ dazu gehörten, sie nehmen uns zum „Kehraus“ dieser 150. Open Championship zu einer kurzen Stippvisite mit:


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Der klotzige graue Steinbau am Rand der ehrwürdigen Universitätsstadt St. Andrews gilt seit Jahrzehnten als Nabel der Golfwelt, dabei konnte sich der früher chronisch klamme Club trotz des royalen Prädikats gar kein Vereinsheim leisten, obwohl ihm das Grundstück nahe der Nordseeküste bereits seit 1820 zur Verfügung gestellt war. Das erste Clubhaus an dieser Stelle errichtete George Rae 1853/1854 für den Union Club, eine soziale Vereinigung; die Golfer waren quasi allenfalls Untermieter. 1877 fusionierten die beiden Clubs unter dem Titel des „Royal & Ancient“. Im Lauf der Jahrzehnte erfuhr das ursprünglich in H-Form anlegte neoklassizistische Bauwerk durch Erweiterungen und Anbauten sechs signifikante Veränderungen seiner äußeren Form. Der heute so dominante Vorbau mit den „Bay Windows“ und dem Blick auf die „Grand Old Lady“ Old Course kam beispielsweise 1866 hinzu, der Balkon darüber erst deutlich später.

Milch und Marienkäfer: Was so alles in die Claret Jug kommt

Inhaltsangabe: Cameron Smith, der neue Champion Golfer of the Year, hat angekündigt, er werde definitiv ausprobieren, wieviel Bier in die Claret Jug passt. Das wirft die Frage auf, was wohl schon alles in die Silberkanne abgefüllt wurde, die ja eigentlich ausschließlich für den Claret genannten Bordeaux-Wein gedacht war, der im 18. und 19. Jahrhundert zum beliebten Alltagsgetränk der besseren Kreise avancierte. Die Liste reicht von Ale und Guiness über Barbecue-Soße und Jägermeister bis zu Tee, Milch oder Schokoladeneis. Phil Mickelson dekantierte sündhaft teuren Burgunder in die „Championship Trophy“ (so der offizielle Name), Champagner war selbstverständlich auch drin, und Padraig Harringtons Sohns verwahrte zwischendurch sogar mal lebende Maikäfer in der Kanne. So gesehen ist Smiths Idee nicht ungewöhnlich und passt ohnehin zum Australier. Und solange er seinen Lust an der Gerstenkaltschale beim oder nach dem Golf nicht so zelebriert wie dieser Zeitgenosse, ist ohnehin alles ok:


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Augusta: „Azalea“-Verlängerung fast beendet

Nach dem Major ist vor dem Major: Im Augusta National sind die baulichen Vorbereitungen auf das 87. Masters (6. bis 9. April 2023) nahezu abgeschlossen. Wie bereits berichtet, hat der Club sogar sein ikonisches 13. Loch „angefasst“ und verpasst der Par-5-„Azalea“ einen neuen Championship-Abschlag, der weit hinter dem Grün von „Golden Bell“ liegt, der berühmten Par-3-Zwölf. Der Wald ist gerodet, die Dränagen sind gelegt, jetzt fehlt nur noch die Begrasung.


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Bislang war „Azalea“ gerade mal 466 Meter lang und damit kürzer als moderne Par-Vier-Bahnen, zumeist bloß eine Sache für eine satten Drive sowie ein anschließendes Wedge an die von Rae’s Creek umschlängelte Fahne. Das Land für den neuen Abschlag haben die Granden in Grün schon 2017 für zigmillionen Dollar vom benachbarten Augusta erworben, wo ebenfalls gerade renoviert wird. „Azalea“ dürfte damit knapp 40 Meter länger werden, vor allem aber lässt die neue Schneise kaum noch Drives über die Bäume zu, um das Dogleg links abzukürzen.


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Bühne frei für den Nachwuchs

Zum Schluss: Wie das so üblich ist nach derart bedeutenden und begeisternden Turnieren, kommt am Ende der Nachwuchs zu Wort. Besser gesagt: ins Bild. Und ja, stimmt, hier zeigt ein kleiner Mann schon ganz großen (Golf-)Sport:

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