Profisport Herren

Quo vadis, Herren-Profigolf? PGA Tour, PIF und mehr Fragen als Antworten

14. Jul. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

(Foto: Canva, PGA, PIF)

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Am 6. Juni bebte die Golfwelt. Jay Monahan, der Commissioner der PGA Tour, und Yasir Al-Rumayyan, der Direktor des saudi-arabischen Staatsfonds PIF, verkündeten in einem gemeinsamen Auftritt beim TV-Sender CNBS das Ende des Schismas im Herren-Profigolf: Establishment und Usurpator beenden alle legalen Zwistigkeiten und machen künftig gemeinsame Sache zum Wohl des Spiels. Rund sechs Wochen nach der Detonation dieser Bombe hat sich zwar der Rauch gelegt, aber die Sicht auf die Dinge ist keineswegs klarer geworden. Auch die Aussagen der PGA-Tour-Abgesandten Jimmy Dunne und Ron Price vor dem Untersuchungsausschuss des US-Senats haben allenfalls Bekanntes vertieft, indes wenig Erhellendes zutage gefördert. Es bleibt bislang bei Phrasen und Phantasien.

Monahan hat bei Spielern viel Vertrauen verloren

Schlimmer noch, fernab des sportlichen Geschehens deuten sich vor allem im Tour-Lage tiefe Risse an, wenn namhafte Akteure wie Scottie Scheffler zu Protokoll geben: „Es ist beunruhigend, dass wir als Tour-Spieler immer noch keine Klarheit haben, was vor sich geht. Wir sollten in die Gespräche eingebunden sein.“ Jordan Spieth spricht gar von Konfusion: „Wir stehen komplett im Dunklen. Ständig ändert sich irgendwas und es gibt Meinungsverschiedenheiten in zahlreichen Punkten.“ Was wunder also, dass Xander Schauffele dem „Commish“ die Vertrauensfrage stellt, der nach krankheitsbedingter Abwesenheit am Montag seine Amtsgeschäfte wieder aufnimmt. „Ich habe mich darauf verlassen, dass er die Dinge in unserem Sinne regelt. Doch dieses Vertrauen ist erheblich geschrumpft. Und das geht nicht nur mir so“, sagte der Olympiasieger am Rand der Scottish Open.

 

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Stillhalteabkommen für Spieler-Abwerbung gestrichen

Nach wie vor gibt es rund um den Pakt zwischen PGA Tour und PIF mehr Fragen als Antworten. Und neue Unsicherheiten. Gestern wurde beispielsweise bekannt, dass die Parteien das ursprünglich fixierte Stillhalteabkommen in Sachen Spieler-Abwerbung gestrichen haben. Die Klausel war neben der Beendigung aller Rechtsstreitigkeiten ein wesentlicher Bestandteil der Rahmenvereinbarung. Laut PGA Tour hat das US-Justizministerium im Zuge seiner ohnehin laufenden kartellrechtlichen Untersuchungen juristische Bedenken angemeldet. „Wir glauben zwar, dass die entsprechende Formulierung legal ist, halten sie aber für unnötig, weil alle Partner sowieso in bester Absicht verhandeln“, hieß es in einem Tour-Statement.

Mal sehen, ob LIV-Golf-Impresario Greg Norman das genauso sieht, der bei alldem ziemlich außen vor ist, laut PGA-Tour-Forderung sogar alsbald kalt gestellt werden soll und nichts lieber tun dürfte, als weiterhin für Unruhe zu sorgen.

Zukunft ungewisser denn je

Gut gemeint ist bekanntermaßen noch nicht gut gemacht. Das passt ins Bild. Die von der finanziell angeschlagenen PGA Tour so eifrig beschworene „aufregenden Zukunft für den Profigolfsport“ ist voller Imponderabilien und erscheint momentan tatsächlich ungewisser denn je. Die Gründe sind vielfältig, und wir versuchen uns nachfolgend an einer Einordnung der jüngsten Entwicklungen.

Punkt 1: Golf unter der Ägide von „NewCo“

Laut Rahmenvereinbarung gründet die PGA Tour eine neue profitorientierte Unternehmung mit dem Arbeitstitel „NewCo“, in die sämtliche Vermögenswerte wie TV-, Wort- und Bildrechte, Tournament Players Clubs (TPC), mithin das Tafelsilber der Tour ausgelagert werden. Alle anderen Strukturen der Tour bleiben unberührt. Es ist also keine Fusion, wie immer noch fälschlich kolportiert wird, sondern die klassische Vorschaltgesellschaft, wie man sie aus der Vereinsszene kennt. Ponte Vedra Beach will damit möglichem Ungemach hinsichtlich des Status der Gemeinnützigkeit aus dem Weg gehen, der gerade mal wieder auf dem Prüfstand steht. Schlechterdings drohen enorme Steuernachzahlungen.

„Wer die Musik bezahlt …“

Commissioner Jay Monahan leitet als CEO die Geschicke von „NewCo“. Der saudische Public Investment Fund PIF wiederum bringt seine kommerziellen Aktivitäten ebenfalls ein, vor allem die LIV Golf League, und spendiert das Stammkapital von mindestens einer Milliarde Dollar ein – andere sprechen von zwei bis drei Milliarden Dollar –, ist jedoch Minderheitspartner. Im Gegenzug erhalten die Saudis ein Erstzugriffsrecht als Investor bei allen „NewCo“-Projekten, PIF-Direktor Yasir Al-Rumayyan wird Vorsitzender des Aufsichtsrats. Wenngleich die PGA Tour mantrahaft betont, die alleinige und ausschließlich Kontrolle über „NewCo“ zu haben, glaubt nicht nur Richard Blumenthal, der demokratische Vorsitzende des Senats-Untersuchungsausschusses, felsenfest an die Gültigkeit des alten Spruchs „Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird“. Soweit die nötige Wiederholung der Sachlage.

Super-Event und PIF-Turniere

Völlig unklar ist, was unter der Ägide von „NewCo“ aus der LIV-Liga wird und ob eine weitere Turnierserie gestartet wird. LIV-Golf könnte, so wird gemunkelt, beispielsweise zu einer Art Herbsttournee der Stars umfunktioniert werden. Laut einer Ideen-Präsentation der LIV-Finanzberater PCP Capital Partners (London) bei den Treffen zur Abstimmung des Rahmenvertrags wird ein Super-Event mit Spielern von PGA Tour, LPGA und LIV nach Manier des LIV-Credos „Golf. But Louder“ ins Leben gerufen, das als Team-Wettbewerb in Saudi-Arabien und in Dubai über die Bühne geht. Außerdem sollen mindestens zwei Designated Events der PGA Tour unter dem Patronat des PIF und seines Erdöl-Dukatenesels Aramco laufen. Über die Schnapsidee von Tiger Woods und Rory McIlroy als Eigner von LIV-Teams und ihrer Teilnahme an zehn LIV-Events wurde bereits berichtet.

Punkt 2: McIlroy und „Lieber Karriereende als LIV“

Rory McIlroy hat sich diesbezüglich bereits geäußert. „Wenn LIV Golf der letzte Ort auf der Welt wäre, an dem man Golf spielen könnte, würde ich bloß noch zu den Majors antreten und meine Schläger ansonsten an den Nagel hängen. Damit würde ich mich durchaus wohl fühlen“, sagte der vierfache Majorsieger nach seiner 64er-Auftaktrunde bei der Scottish Open.

„Mir gefällt nicht, wo das Geld herkommt“

Das war nicht anders zu erwarten. Gleichwohl wirft es eine Menge weiterer Fragen auf. Gilt die kompromisslose Haltung des Nordiren nur fürs LIV-Label oder auch für alles mit PIF-Plakette? Sprich: für Designated Events, die von Saudi-Arabien gesponsert werden? Oder für das beschriebene Super-Turnier? Oder für sonstige Aktivitäten der vom PIF finanzierten „NewCo“? Immerhin hat sich McIlroy von jeher allem verweigert, was nach dem Regime aus Riad riecht und die dortige Melange aus Mord, Menschenrechtsverletzung und sonstigen Missständen mal so adressiert: „Mir gefällt nicht, wo das Geld herkommt.“ Der zweitwichtigste Protagonist des etablierten Golfbetriebs nach Tiger Woods könnte „NewCo“ damit einen Dolchstoß versetzen, bevor die neue Firma überhaupt gegründet wird.

 

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Treffen mit Al-Rumayyan

Und was ist mit den angekündigten Kompensationszahlungen für tourtreue Spieler? Beziehungsweise mit den von Jimmy Dunne in Aussicht gestellten Anteilen an „NewCo“? McIlroy hat sich als erster Paladin der PGA Tour und Wortführer des Widerstands gegen den Konkurrenz-Circuit fast um Kopf und Kragen geredet und fühlt sich seit der überraschenden Volte mit dem PIF-Pakt zurecht wie ein „Opferlamm“. Würde er das Geld ausschlagen? Oder annehmen und einem guten Zweck zuführen?

Andererseits hat sich McIlroy im vergangenen November in Dubai mit Al-Rumayyan getroffen. Der PIF-Chef sei „ein smarter, beeindruckender Mann“. Und „ein leidenschaftlicher Golfer, dem das Wohl des Spiels sehr wichtig ist“. Vielleicht hat Al-Rumayyans unbestreitbares Charisma McIlroy ja etwas besänftigen können. Wenigstens um des lieben (Golf-)Friedens willen. Fortsetzung folgt.

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